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Fachkräftemangel Demografisches Dilemma

Foto: Jan Bergrath

Die Zahl der neu abgeschlossenen dreijährigen Ausbildungsverträge zum Berufskraftfahrer ist erneut gesunken. Zugleich wachsen die Hürden, junge Leute erfolgreich bis zur Prüfung zu bringen.

Wieder sind es im Vergleich zum Vorjahr nur wenige Prozente, doch der Trend ist eindeutig: Seit im Ausbildungsjahr 2011/12 erstmals mehr als 3.000 Ausbildungsverträge für die dreijährige Lehre zum Berufskraftfahrer neu abgeschlossenen wurden, sinkt ihre Zahl Jahr für Jahr leicht. Im laufenden Ausbildungsjahr 2014/15 wurden laut Deutschem Industrie- und Handelskammertag (DIHK) 3.129 Verträge neu abgeschlossen. Bei der beschleunigten Grundqualifikation, die zunimmt, haben von 15.378 Prüflingen 13.071 bestanden – 15 Prozent also nicht.

Die Zahlen zeigen auch das demografische Dilemma der Branche. Bei mindestens 20.000 Fahrern, die im Schnitt pro Jahr aus Altersgründen ausscheiden, kommen aus beiden Quellen nur etwa 14.000 Nachwuchsfahrer nach. Wie viele dann auch dauerhaft in der Transportbranche bleiben, lässt sich nicht klar ermitteln. Durch den verstärkten Einsatz von Fahrern aus Osteuropa in deutschen Fuhrparks wird der akute Fahrermangel zunächst einmal zahlenmäßig abgemildert.

Spürbare Durchfallquote

Seit Beginn der dreijährigen Ausbildung im Jahr 2003 haben laut Statistik 7.171 junge Menschen eine Lehre begonnen. 2013/14 haben 2.044 Lehrlinge ihre Prüfung bestanden – auf den ersten Blick viele. Doch es zeigt das Problem der dreijährigen Fahrerausbildung: Von 3.248 neuen Azubis sind fast 500 durch die Prüfung gefallen, was auch an den gestiegenen Anforderungen liegt. Nur 1.204 blieben letztlich als Fahrer den Unternehmen erhalten.

Wie erfolgreich einzelne Unternehmen dabei sind, junge Menschen für eine Ausbildung zu gewinnen, unterscheidet sich regional stark. Laut Jörg Biemer, Berufsschullehrer aus Wetzlar, haben potenzielle Lehrlinge aus den nun überwiegend geburtenschwachen Jahrgängen immer öfter die Qual der Wahl: "Es wird für die Transportunternehmen jedes Jahr schwieriger, geeig­nete Auszubildende zu finden, vor allem in Ballungszentren", so Biemer. "Nur auf dem Land ist die Auswahl an Ausbildungsberufen geringer. Dadurch wird ein Ausbildungsplatz bei einer Spedition in der Nähe bevorzugt."

Hans Pabst, Geschäftsführer von Pabst Transport in Gochsheim, hat 20 Azubis eingestellt – fünf mehr als geplant. Zu ihm kommen auch Jugendliche aus anderen Regionen. In einem eigenen Wohnheim leben derzeit sieben junge Leute. "Durch diverse Marketingmaßnahmen, Aktionen wie "Varieté trifft Logistik" und Berufskraftfahrer-Schnupperabende haben wir es gut geschafft, die interessierten Bewerber anzusprechen", bilanziert Pabst. Die große Sorge, dass sich die jungen Leute vorab ein falsches Bild vom Beruf gemacht haben, trifft hier nicht zu. "Von den 19 Azubis, die im September begonnen haben, sind noch 17 Feuer und Flamme für diesen Beruf."

Ausbildung kann nicht nebenher laufen

Die Ausbildung kann im Betrieb nicht nebenher laufen, davon ist Spediteur Gerd Schuldes aus Alsbach überzeugt. Seit 15 Jahren bildet er aus. Neun Fahrer in drei Jahrgangsstufen sind es derzeit. Sie beginnen ihre fahrerischen Erfahrungen mit einem Sprinter, steigen dann auf die leichteren Lkw um und sammeln Praxis in der Begleitung von Ausbildungsfahrern. 25 junge Leute haben die Ausbildung bislang mit Erfolg absolviert, einige als "Hessens Landesbeste". Schuldes weiß, dass er auch für die Branche ausbildet, weil andere Kollegen es konsequent nicht tun. "Sorgen bereiten uns aber eher die Zugangsvorausetzungen", beklagt er. "Immer öfter fehlt das schulische Grundwissen. Unsere älteren Azubis geben dann in unserem Schulungsraum an den Samstagen sogar klassischen Nachhilfeunterricht."

Dass sich die Transportbranche anpassen muss, hat Spediteur René Große-Vehne aus Schwieberdingen erkannt: "Wir müssen andere Beschäftigungsformen finden." Von 30 Lehrstellen konnte er diesmal 27 besetzen. "Es besteht ein gewisses Vertrauen in einen langjährigen Ausbildungsbetrieb." Sogar Realschüler konnte er gewinnen. Doch mahnt er an, den Beruf des Lkw-Fahrers nicht als gefühlte Einbahnstraße darzustellen. "Die richtig guten Leute wollen ein, zwei Jahre fahren und sich dann innerbetrieblich weiterbilden, etwa zum Kraftverkehrsmeister. Diese Möglichkeiten muss man als Unternehmen nicht nur bieten, sondern von vornherein ganz klar verdeutlichen."

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