E-Mobilität Leise Logistik voraus

Lkw und Pkw auf einer Autobahn Foto: Alev Atas/ETM

Mannheim will’s nachhaltig – auch in der Logistik. Eine neue Studie zeigt auf, welche Schwerlastverkehre in der Stadt vollelektrisch möglich wären. Das Potenzial ist sehr viel größer als erwartet.

Umweltfreundlich, effizient und damit vorbildlich für die Zukunft soll die Warenverteilung im Mannheim werden. Dazu plant die Zwei-Flüsse-Stadt, auf dem Gelände der ehemaligen Coleman-Kaserne ein Zentral-Hub zu bauen. In dem Green Logistic Park könnten In- und Outbound gebündelt und auf E-Fahrzeuge verteilt werden, die die Waren leise und schadstoffarm  ins Stadtzentrum bringen. Die Verkehrsanbindung ist gut, aber die Realisierung bleibt offen. 

Elektrifizierungspotenzial für schwere Lkw im Stadtverkehr

Doch unabhängig davon wollen Stadt und Landesregierung ausloten, wie groß das Elektrifizierungspoten­zial für schwere Nutzfahrzeuge ist, die eben nicht nur auf langen Strecken, sondern vielfach im Stadtverkehr eingesetzt werden. Eine Verkehrsana­lyse belegt: Täglich fahren rund 3.500 schwere Lkw aus allen Richtungen ins Mannheimer Stadtgebiet. Die Studienergebnisse sind aber so angelegt, dass sie auf andere Städte und Regionen übertragbar sind.

Im Praxiseinsatz sind elektrifi­zierte Schwerlastverkehre von 12 bis 40 Tonnen noch selten zu sehen: Der Frische-Experte Meyer Logistik setzt zwei E-Force-18-Tonner ein, auch bei Planzer und Feldschlösschen laufen die E-Lkw im Verteilerverkehr. Angedockt an eine Oberleitung lässt bisher nur Siemens die Boliden auf einer Teststrecke fahren.

E-Force will 100 vollelektrische 18-Tonner auf den Markt bringen

Doch es geht voran. Ende 2015 will das Schweizer Unternehmen E-Force eine 26-Tonnen-Sattelzugmaschine als Dreiachser auf Iveco-Basis für den Verteilerverkehr vorstellen und damit eine Lücke schließen. Außerdem sollen 100 Stück des vollelektrischen 18-Tonners in Kleinserie bis Ende 2015 auf den Markt kommen, sagte E-Force-Sprecher Flavio Cueni. Das werde die Fahrzeugkosten senken. Seine Möglichkeiten hat der E-Lkw im Rahmen des Mannheimer Projekts bereits unter Beweis gestellt – und ist ohne Nachladen von Basel nach Mannheim gedüst.

"Es könnten weitaus mehr Touren vollelektrisch gefahren werden"

Wie groß das Potenzial für "elektrischen Schwerlastverkehr im urbanen Raum" wäre, hat die gleichnamige Machbarkeitsstudie untersucht, die das Wirtschaftsmisterium in Stuttgart beim Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) und Prof. Tobias Bernecker von der Hochschule Heilbronn in Auftrag gegeben hat und die vom Land, der Stadt Mannheim und der IHK finanziert wurde. Start der Studie war Herbst 2013. Die Ergebnisse werden im ­Januar übergeben. Eine Kurzfassung liegt trans aktuell vor.
Auf rund 120 Seiten haben die Verkehrsexperten ein Umstiegsszenario entwickelt, dessen Chancen sie selbst überrascht hat. "Es könnten weitaus mehr Touren vollelektrisch gefahren werden, als selbst wir dachten", sagt Bernecker. Das Potenzial sei sehr groß, auch für den Vor- und Nachlauf zum Terminal im Kombinierten Verkehr. Im Stadtverkehr ist ein E-Fahrzeug auch durch die Rekuberation im Stop and go im Vorteil.

Speditionen haben Interesse an E-Mobilität

In Diskussionsrunden und Experteninterviews mit Logistikern prüften die Wissenschaftler, wie viele vollelektrische Touren mit schweren Lkw in Mannheim möglich wären. Alle Versender und Empfänger, die Komplettladungen transportieren lassen, wurden befragt. Drei Anwendungsbeispiele wurden mit Speditionen und ihren spezifischen Transportdaten durchgespielt und als praxistauglich bewertet: lokaler Verteilerverkehr für Teilladungen und Stückgut, Quell-Ziel-Verkehre mit Komplettladungen und der KV-Vor- und Nachlauf. "Ein grundsätzliches Interesse der Frachtführer und Speditionen am Umstieg auf Elektro ist da", so Bernecker.

Der Batteriepreis müsste sinken

Die Technik ist wartungsarm, lässt sich angenehm fahren und die Betriebskosten liegen nur bei einem Drittel. Bisher ungelöst sind die mehr als doppelt so hohen Anschaffungskosten der E-Lkw. In der Schweiz sind Elektro-Lkw noch von der Maut befreit, was ein wichtiger Kaufanreiz ist. "Wir sind jetzt am Knackpunkt bei der Wirtschaftlichkeit", sagt E-Force-Sprecher Cueni. Jetzt müssten nur die Batteriepreise noch etwas sinken.

Beim Thema Lärmemission die Nase vorn

Beim Thema Lärmemissionen haben die E-Nutzfahrzeuge klar die Nase vorn. Je langsamer der Lkw fährt, desto spürbarer ist der Unterschied zum brummenden Dieselmotor. Bei 20 km/h ist der E-Lkw 8,4 Dezibel leiser, bei 50 km/h noch 1,6 Dezibel. Etwa zehn Dezibel weniger wird als Halbierung des Lärms empfunden. Auch ein beschleunigender E-Lkw ist sehr viel leiser als sein konventioneller Kollege. Und da sich Schall nach oben stark ausbreitet, wären Menschen im oberen Stock, etwa in der Mannheimer Innenstadt, weniger lärmbelastet.

Für einen echten Durchbruch reicht es noch nicht. Die neue Technik darf eben nicht teurer sein. "Vielleicht bedarf es etwas politischer Hilfestellung, über die Kfz-Steuer oder die Lkw-Maut", sagte Bernecker. Gut möglich.


Logistikpark

Hinter dem Projekt Green Logistic Park steckt die Vision, schwere Nutzfahrzeuge nicht bis in hoch verdichtete Innenstadtlagen fahren zu lassen, sondern die Ware in einem Zentralhub am Stadtrand umzuladen, noch bevor sie an die Werkstore der Produktionsbetriebe geliefert wird. Die letzte Meile übernehmen Hybrid- oder E-Fahrzeuge, was die Emissions-, Feinstaub- und Lärmbelastung in der Stadt senkt.

Was schwere E-Lkw können

Shuttleverkehr mit Sattelzügen: Bei 200 km Reichweite und passendem  E-Sattelzug-Lkw könnten alle analysierten Verkehre elektrifiziert werden.
Luftfracht: 25 Prozent der anfallenden Zustell- und Abholfahrten könnten sofort elektrisch stattfinden. Mit einer E-Sattelzugmaschine wären 100 Prozent denkbar (80 Fahrten pro Woche).

Verteiler- und Abholverkehr: allgemeiner Sammelgutbereich oder Auslieferung an Endkunden im Stadtgebiet. Rund 75 Prozent der geprüften Touren (310 Fahrten pro Woche) wären sofort elektrisch möglich. Großteil der  Touren: keine/nur geringe Anpassungen der Logistikprozesse. Quelle: Studie Fraunhofer IAQ

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