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Dorothee Bär im Gespräch "Wir müssen unser Bestes geben"

Dorothee Bär (CSU) Staatssekretärin im Verkehrsministerium Foto: Hans-Peter Koenig

Dorothee Bär hat die Logistik bisher als eine sehr spannende  Branche wahrgenommen. Im Exklusiv-Interview mit trans aktuell spricht die Koordinatorin der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik über die weltweiten Herausforderungen sowie die Finanzierung der Verkehrswege.

Wir sind Weltmeister. Im Fußball zwar noch nicht, wohl aber in der Logistik. Für Dorothee Bär (CSU), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und Koordinatorin der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik, ist die Auszeichnung der Weltbank Bestätigung und Ansporn zugleich. Hinter dem Titel stecke harte Arbeit. "Es steht nicht im Grundgesetz, dass Deutschland immer Logistik-Weltmeister bleibt", sagt sie im Gespräch mit trans aktuell-Redakteur Matthias Rathmann.

trans aktuell: Frau Staatssekretärin, wie haben Sie die Logistikbranche bisher wahrgenommen?

Bär: Als eine spannende Branche, die extrem unterschätzt wird. Heute haben wir ein klares Selbstverständnis: Strom kommt aus der Steckdose, und Regale im Geschäft sind immer voll. Doch keiner macht sich Gedanken darüber, wie die Ware überhaupt dorthin gekommen ist. Selbst bei Warenbestellungen gehen wir davon aus, dass diese wie selbstverständlich spätestens am nächsten Tag ankommen.

Inwiefern haben sich Ihr Verständnis und Ihr Bewusstsein für die Branche durch Ihre neue Funktion als Koordinatorin der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik verändert?

Logischerweise sehr stark. Es macht ja einen Unterschied, ob man reiner Konsument oder für diese Branche zuständig ist. Deshalb ist es auch eines meiner Ziele, für wesentlich mehr Verständnis im Bereich Güterverkehr und Logistik zu werben. Das gilt nicht nur im Bundestag, sondern vor allem mit Blick auf Lieschen Müller oder Max Mustermann, also den Otto-Normal-Bürger, der sich unter Logistik bisher nicht viel vorstellen kann.

Ist der Auftrag leichter, wenn Deutschland wie aktuell − dank der Auszeichnung der Weltbank − den Titel des Logistik-Weltmeisters trägt?

Die Auszeichnung freut mich, ist aber auch ein Auftrag. Es steht nicht im Grundgesetz, dass Deutschland immer Logistikweltmeister bleibt. Alleine unsere zentrale Lage würde für den Titel nicht reichen. Es steckt harte Arbeit dahinter, dass das Verkehrs- und Logistiksystem in Deutschland hervorragend funktioniert. Dabei erfüllen wir einen sehr hohen Standard und haben wahrscheinlich weltweit das beste Ausbildungsmodell. Wichtig ist aber auch, dass wir uns auf solchen Ergebnissen nicht ausruhen. Wir müssen immer wieder unser Bestes geben, um diese Auszeichnung nach Deutschland zu holen. 

Wie intensiv sind Sie in Ihrem Wahlkreis Bad Kissingen schon mit der Branche in Berührung gekommen?

Es gibt viele und gute Kontakte. In meinem Wahlkreis sind viele Logistikunternehmen angesiedelt. Sie wickeln ihre Sendungen über alle Verkehrsträger ab. Unsere In­frastruktur vor Ort ist dabei die erfolgreiche Basis. Wir verfügen über gut ausgebaute Autobahnen ebenso wie über Hafenanschlüsse, den Main als wichtige Binnenwasserstraße und den Regionalflughafen Haßfurt beispielsweise.

Doch die Rolle der Verkehrsträger, aber auch der Logistikdienstleister wird sich ändern. Das war eine der Hauptbotschaften auf dem Weltverkehrsforum. Was bedeutet das Tagungsmotto "Verkehr für eine Welt im Wandel" Ihrer Ansicht nach konkret?

Dass wir vor sehr großen Herausforderungen stehen. Das Mobilitätsverhalten verändert sich grundlegend, sei es durch den demographischen Wandel oder die Digitalisierung. Hinzu kommt der Klimawandel, der sich ganz erheblich auf unsere Verkehrssysteme und damit auch auf unsere Infrastrukturen auswirkt. Deshalb freue ich mich über den intensiven, freundschaftlichen Austausch im Rahmen des Weltverkehrsforums. Man merkt im Dialog mit den Verkehrspolitikern aus anderen Ländern, sei es aus den Vereinten Arabischen Emiraten oder aus Indonesien, dass weltweit alle gefordert sind, um dem Wandel zu begegnen.

Naturkatastrophen machen deutlich, wie anfällig die Verkehrswege weltweit sind. Müssen Sie aufgrund des Klimawandels künftig noch mehr Geld für Investitionen mobilisieren, um robuster und widerstandsfähiger bauen zu können?

Das Jahrhunderthochwasser im vergangenen Jahr hat gezeigt, dass auch die deutschen Verkehrswege verwundbar sind. Es mussten hohe Summen für den Wiederaufbau mobilisiert werden. Doch es ist kein Geheimnis, wenn ich sage, dass die Mittel für die Verkehrsinfrastruktur höher ausfallen könnten. Minister Dobrindt hat ein neues Brückensanierungsprogramm angekündigt. Wir wollen zudem die Hafenhinterlandanbindungen weiter ausbauen, es geht um Lückenschlüsse, die großen Magistralen, Projekte zur Elektromobilität und vieles mehr – all das kostet Geld. Aber wir sind am Ball.

Wie viel Geld bräuchten Sie konkret zusätzlich?

Wie gesagt: Das Geld reicht nie. Wir könnten immer mehr verbauen, als wir zur Verfügung gestellt bekommen. Nach den Berechnungen der Bodewig-Kommission bräuchten wir nur für den Erhalt auf allen Ebenen − Bundes-, Landes- und auch auf kommunaler Ebene − jährlich 7,2 Milliarden Euro zusätzlich Hier sind alle gefordert mehr zu investieren und ihre Hausaufgaben zu machen. Doch wir sind dankbar, dass wir in den Koalitionsverhandlungen fünf Milliarden Euro zusätzlich überhaupt heraushandeln konnten. Wir müssen künftig die Infrastruktur sehr viel stärker in ihrer Substanz erhalten und gleichzeitig beim Aus- und Neubau klare Prioritäten setzen. Hierfür braucht es klare Regeln. Die werden wir im neuen Bundesverkehrswegeplan entsprechend formulieren.


Jede Region hat Wünsche. Welches Projekt würden Sie in Ihrem Wahlkreis lieber gestern als heute umgesetzt sehen?

Wir haben eines der teuersten und aufwendigsten Brückenvorhaben erst im vergangenen Jahr in Angriff genommen − die Sinntalbrücke an der A 7. Insofern kann ich mich gar nicht beschweren. Doch es gibt auch kleinere Projekte, für die ich schon früher gekämpft habe: zum Beispiel den Bau einer Ortsumfahrung in Wegfurt in Rhön-Grabfeld. Das Projekt ist jetzt für den neuen Bundesverkehrswegeplan angemeldet.

Weil das Geld praktisch nie reicht, bauen Sie auch auf zusätzliche Mittel auch aus der Nutzerfinanzierung. Bei der Pkw-Maut für Ausländer schaut die Öffentlichkeit sehr genau hin, weil sie fest zugesagt wurde.

... und von Minister Dobrindt auch umgesetzt werden wird. Es steht nicht nur im Koalitionsvertrag. Es ist auch unabdingbar, dass diejenigen, die unsere Straßen mitnutzen ihren Beitrag leisten müssen. Bei der Lkw-Maut ist der Paradigmenwechsel erfolgt, und dasselbe wird bei der Pkw-Maut eintreten.

Wenn Sie die Lkw-Maut ansprechen: Wann werden Sie die neuen Mautsätze nennen, die ja zum 1. Januar 2015 gelten sollen?

Bei uns gilt Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Minister Dobrindt wird das rechtzeitig kommunizieren. Wir schauen uns das Wegekostengutachten, die Berechnungen und den Umgang mit Zinskosten vor diesem Hintergrund sehr genau an. Vorzeitige Aussagen über die zukünftige Mauthöhe wären zum jetzigen Zeitpunkt rein spekulativ. Es wird unter dem Strich für den Bundeshaushalt jedoch ein Defizit geben.

Wie sind die Reaktionen aus der Branche?

Ich merke in Gesprächen mit der Branche, dass auch die Unternehmer darüber nicht gerade glücklich sind. Denn wenn irgendwo ein finanzielles Vakuum entsteht, muss es ja anderweitig aufgefüllt werden. Der Bundesfinanzminister hat uns aber seine Unterstützung zugesagt.

Und wie wird das gelingen?

Wir werden zum 1. Juli 2015 auf weiteren rund 1.000 Kilometern die Lkw-Maut auf Bundesstraßen erheben. Ab 1. Oktober 2015 soll die Maut auch auf Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen ausgedehnt werden. Zum 1. Juli 2018 soll die Llw-Maut dann auf allen Bundesstraßen gelten, so wie es auch der Koalitionsvertrag vorsieht. Wir werden schauen, dass wir das mit der Branche so einvernehmlich wie möglich gestalten.

Das gilt auch mit Blick auf Euro 6?

Ja, wir werden für diese Fahrzeuge eine eigene Klasse schaffen. Wir sind im ständigen Austausch mit der Branche, was die genaue  Ausgestaltung angeht.

Zur Person

Dorothee Bär (CSU) ist seit Dezember Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) sowie seit Januar Koordinatorin der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik. Die 36-Jährige ist seit 2002 Mitglied des Bundestags und vertritt den Wahlkreis 248, der sich aus den drei Landkreisen Bad Kissingen, Haßberge und Rhön-Grabfeld zusammensetzt. Ihre politische Karriere begann 1992 durch den Eintritt in die Junge Union. Die gebürtige Bambergerin studierte Politikwissenschaften in München und Berlin. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder.

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