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Mobilität Wann kommt die Antriebswende?

Elektromobilität: Die Antriebswende bei Kraftfahrzeugen Foto: Klotz, Bilski, Archiv

Die Antriebswende bei Kraftfahrzeugen lässt auf sich warten. Kritiker gehen davon aus, dass die von der Bundesregierung vollmundig angekündigten neuen Lösungen, wie Elektro- oder Wasserstoffantriebe, noch viele Jahre nur eine Nebenrolle spielen werden.

In acht Jahren soll es eine Millionen Elektrofahrzeuge in Deutschland geben, mehr als die Hälfte aus deutscher Produktion, so das ehrgeizige Ziel der Bundesregierung. Doch 2010 wurden gerade mal 2.000 Modelle verkauft. Dabei werden unter der Rubrik  Elektromobilität sämtliche Verkehrsmittel zusammengefasst, die sich auf irgendeine Art mithilfe von Strom, bewegen – also auch etwa Fahrräder. Hybridfahrzeuge ohne Lademöglichkeit aus dem Stromnetz gehören dagegen nicht dazu.

Befürworter und Gegner

Wie immer im Leben gibt es Befürworter und Gegner: Zu der ersten Gruppe gehört der Bundesverband E-Mobilität, eine Interessengruppe aus Industrie und Politik. Er ist überzeugt, dass Elektromobilität auf Basis erneuerbarer Energien bereits heute alltagstauglich ist. Daraus folge, so der Verband, dass mit steigendem Anteil erneuerbarer Energien im deutschen Strommix alle Elektrofahrzeuge – im Gegensatz zu konventionellen Fahrzeugen – automatisch und kontinuierlich weniger CO2-Emissionen produzieren. Mit steigender Nachfrage und erhöhten Produktionszahlen fielen dann auch die Kosten aufgrund der Skaleneffekte deutlich – und das nicht erst in zehn Jahren. Die Zeit des Systemwechsels habe somit bereits begonnen.

Das ist der wirklich optimistische Ansatz. Opel-Technikvorstand Rita Forst verweist aber darauf, dass Kunden von den hohen Kaufpreisen für Elektrofahrzeuge abgeschreckt würden. Wie in anderen europäischen Ländern müsse die Elektromobilität über Subventionen gefördert werden. Das sieht die Bundesregierung ähnlich. Nach über 100 Jahren Entwicklungsgeschichte des Verbrennungsmotors zeichne sich mit dem Vormarsch der Elektromobilität eine Zeitenwende im Verkehrsbereich ab. Sie will nun  dazu beitragen, die Elektromobilität aus ihrem Nischendasein in den Markt und zu den Kunden zu bringen. Deutschland soll bis zum Jahr 2020 zum Leitmarkt für Elektromobilität auf- und ausgebaut werden.

500 Millionen Euro Fördergelder

Dies kann man durchaus auch unter dem Gesichtspunkt eines "konjunkturellen Motors oder Antriebs" sehen. Denn die Bundesregierung förderte etwa von 2009 bis 2011 mit insgesamt 500 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket zwei den Ausbau und die Marktvorbereitung der Elektromobilität. Die jetzt erfolgreich gestarteten Maßnahmen bei Forschung und Entwicklung seien in Anspruch und Inhalt derzeit einmalig in Europa, heißt es dazu aus Berlin.

Aus einer jüngst von Daimler veröffentlichten Studie "Elab – Elektromobilität und Beschäftigung" geht zudem hervor, dass es für die Elektromobilität "keinen Königsweg" geben kann. Auf mittlere Sicht würden verschiedene Antriebskonzepte parallel am Markt existieren. Allerdings sei der Technologiewandel in vollem Gang, alle Konzepte, die konventionellen eingeschlossen, würden weiter entwickelt. Im Jahr 2030 sei somit mit einem Mix verschiedener Antriebskonzepte zu rechnen.

Um Komponenten für den elektrifizierten Antriebsstrang der Fahrzeuge produzieren zu können, müssen die Hersteller nach Angaben der vom Daimler-Gesamtbetriebsrat initiierten Studie bislang im Automobilbau nicht eingesetzte und auch gänzlich neue Fertigungsverfahren integrieren. Dies habe auch positive Auswirkungen auf die Beschäftigung im Automobilsektor.

Sechs zukunftsträchtige Antriebskonzepte

Von den Forschern wurden sechs unterschiedliche Antriebskonzepte und deren Komponenten als maßgeblich für die Zukunft definiert und näher betrachtet: der Mild-Hybrid, der Full-Hybrid inklusive seiner Plug-In-Variante, der so genannte Range Extender, reine Elektrofahrzeuge mit Batterie oder Brennstoffzelle sowie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Eine eindeutige Prognose über die reale Marktentwicklung der zukünftigen Antriebsarten bis 2030 ist nicht möglich. Aber alle Szenarien prognostizieren einen steigenden Anteil alternativer Antriebe und trotzdem einen weiterhin bedeutenden Anteil der Verbrennungsmotoren.

Die Bundesregierung hat im April weitere Mittel bereitgestellt und für innovative Ansätze bei der Elektromobilität in Deutschland vier Projekte ausgewählt. So soll etwa in Baden-Württemberg mit "Living Lab E-mobil BW (Baden-Württemberg)" eine sogenannte Schaufensterregion entstehen, die sich auf die Region Stuttgart und die Stadt Karlsruhe konzentriert. Dann soll es ein "Internationales Schaufenster der Elektromobilität (Berlin/Brandenburg)" geben, in Niedersachsen heißt es "Unsere Pferdestärken werden elektrisch". In Bayern und Sachsen gilt das Motto "Elektromobilität verbindet" mit fünf thematischen Schwerpunkten.

Kritik an Schaufensterregionen

Kritisiert wird allerdings, dass diese Schaufensterregionen eben zu regional, zumeist nur im direkten Umfeld der Produktionsstätten großer Automobilkonzerne und deswegen zu einseitig ausgerichtet sind. So könne das Große und Ganze der Elektromobilität eben nicht im ganzen Land verbreitet werden.

Bei der Elektromobilität geht es dem ersten Anschein nach vor allem um den Pkw. Doch tut sich auch im Transportgewerbe so einiges, das aber in der Öffentlichkeit nicht so große Beachtung findet.  Alternative Antriebe rücken hier eher selten ins Rampenlicht.

So unterstützt das Bundesverkehrsministerium den Technologiekonzern Siemens bei der Entwicklung elektrisch angetriebener Lkw auf einer Versuchsstrecke im brandenburgischen Groß Dölln. Diese sogenannten "O-Lkw" beziehen wie Straßenbahnen und Busse Strom aus Oberleitungen und könnte sogar auf Autobahnen eingesetzt werden. Schon serienreif ist ein von Mercedes entwickelter Hybrid-Lastwagen mit Start-Stopp-Automatik, Bremsenergie-Rückgewinnung, einem Elektromotor sowie einem Lithium-Ionen-Akku. Auch DAF hat einen serienreifen Sattelschlepper mit Hybrid-Antrieb im Programm, Volvo bietet einen Hybrid-Antriebsstrang an. Auch können Lkw-Motoren natürlich mit Erdgas oder Methan betrieben werden.

Elektromotor als Alternative für die Stadt

Im städtischen Lieferverkehr ist der Elektromotor schon dabei. Citroën hat das Modell Berlingo First Electric, ein Kastenwagen mit 500 Kilogramm Nutzlast und 56 PS starker E-Maschine mit einer Reichweite von rund 120 Kilometern mit einer geladenen Batteriefüllung. Renault zeigt den weltweit größten Elektro-Lkw: den Elektro-Midlum mit 16 Tonnen. Er beliefert schon französische Lebensmittelmärkte – und ist neuerdings auch bei Nestlé in der Schweiz im Einsatz. Er soll eine Nutzlast von 5,5 Tonnen transportieren können.

Allerdings ist auch klar, dass es schwerere Elektro-Lkw auf absehbare Zeit wohl nicht geben wird. Allein die Batterie kostet selbst im günstigsten Fall rund 300.000 Euro und hätte ein Mehrgewicht von etwa sechs Tonnen. Neben dem geringeren Ladevolumen bekommen die schweren Trucks auch ein Reichweitenproblem. Ein E-Lkw müsste seine Batterie jeden Tag nach zehn Stunden Fahrt wieder 26 Stunden lang aufladen.

Um die gleiche Transportleistung erbringen zu können, würde dies also eine Verdoppelung des Lkw-Bestands erfordern. Reine Elektrofahrzeuge werden deshalb nicht – zumindest nicht für schwere Modelle als Lösung angesehen. Höchstens der Hybridantrieb könnte eine Alternative sein, weil er die ausgereifte Technik des Dieselmotors und die Emissionsfreiheit und Geräuschlosigkeit des Elektroantriebs bieten kann.

Das Schaufenster-Konzept

Die "Schaufenster Elektromobilität" sind eine Maßnahme aus dem Regierungsprogramm Elektromobilität von Mai 2011 – die Bundesregierung greift damit eine Empfehlung der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) auf. Zuvor gab es das Förderprogramms "Elektromobilität in Modellregionen", das zwei Jahre lief.

Dabei wurde in acht Modellregionen Elektromobilität in allen Spielarten im Alltag getestet. Das Programm setzte in München, Hamburg, Rhein-Main, Stuttgart, Bremen/Oldenburg, Berlin/Potsdam, Rhein-Ruhr und Sachsen verschiedene Schwerpunkte. Sie reichten vom gewerblichen Güterverkehr über Elektrobusse oder Pkw bis hin zu Elektrorollern oder elektrisch unterstützten Fahrrädern (Pedelecs). Zugleich wurden kommunale und regionale Mobilitätskonzepte unter Einbeziehung der Elektromobilität getestet. Beteiligt waren insgesamt 220 Projektpartner; es wurden 2.476 Fahrzeuge eingesetzt, davon 881 Pkw, 693 Zweiräder, 600 Pedelecs, 243 Transporter und Lkw sowie 59 Busse.

Unter den derzeitigen Schaufenstern gilt "Living Lab E-mobil BW" als Pionier  – sowohl was die Forschung angeht, als auch was die praktische Umsetzung in Projekten betrifft. Denn neben dem Erfolg als "Schaufenster für Elektromobilität" schaffte die Landesagentur für Elektromobilität und Brennstoffzellentechnologie, E-mobil BW, die den Cluster Elektromobilität Süd-West organisiert, die Ernennung zum Spitzencluster durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Gefördert werden Forschungsprojekte, welche die Entwicklung großserienfähiger Elektrofahrzeuge, deren Produktion, Ladetechnologien und IT-Lösungen vorantreiben sollen.

Das sind die Schaufensterregionen

37 Projekte in Niedersachsen

In Niedersachsen heißt es "Unsere Pferdestärken werden elektrisch". Die Aktion umfasst 37 Projekte. Unter dem Dach der Metropolregion versammelten sich über 200 Partner, darunter Großunternehmen wie Volkswagen, Continental und Johnson Controls. Zu der  Allianz gehören auch Hochschulen, Kammern und Verbände, Gewerkschaften und Kommunen.

41 Projekte im Südwesten

Baden-Württembergs Schaufensterregion heißt "Living Lab E-mobil BW", die sich auf die Region Stuttgart und die Stadt Karlsruhe konzentriert. Rund 120 Partner haben sich in 41 Einzelprojekten zusammengeschlossen. Das gesamte Projektvolumen beträgt 153 Millionen Euro. Bis Ende 2015 werden mehr als 3.100 Elektrofahrzeuge eingesetzt.

Bayern und Sachsen vereint

In Bayern und Sachsen gilt das Motto "Elektromobilität verbindet" mit fünf thematischen Schwerpunkten. Die Themen "Langstreckenmobilität", "Urbane und Ländliche Mobilität« sowie »Internationale Verbindungen" und "Aus- und Weiterbildung" bilden ein umfangreiches Gesamtkonzept. Es werden 30 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

74 Projekte in Berlin und Brandenburg

Ein "Internationales Schaufenster der Elektromobilität" gibt es in Berlin/Brandenburg, das 74 Projekte umfasst, darunter 35 Kernprojekte mit einem Gesamtvolumen von rund 165 Millionen Euro. Davon stammen rund 75 Millionen Euro aus privaten Mitteln; das Land Berlin unterstützt mit bis zu 25 Millionen Euro. 14 globale Automobilmarken aus neun Automobilunternehmen sind beteiligt.

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