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DHL Express-Chef Markus Reckling "Wir sind Speedjunkies"

Foto: DHL Express

Markus Reckling, seit Anfang des Jahres Chef der Expresssparte von DHL Deutschland, erläutert im Gespräch mit KEP aktuell, wo er Wachstumspotenzial sieht. 

KEP aktuell: Herr Reckling, was haben Sie im ersten halben Jahr geschafft?

Markus Reckling: Mir war es wichtig, zunächst die Mitarbeiter und das Geschäft kennenzulernen. Von den rund 40 Standorten auf meiner Tour de Germany habe ich inzwischen 25 persönlich gesehen und den Anspruch, bis zum Ende des Jahres alle besucht zu haben. Wir sind hier in Deutschland in einer sehr guten Position und ich sehe mich in der Funktion, Gutes noch besser zu machen. Ich bin nicht gekommen, um alles auf den Kopf zu stellen, sondern will das sehr gut laufende Geschäft weiter erfolgreich führen.

Heißt das, alles bleibt, wie es ist?

Sicherlich werden wir in vielen Dingen weitermachen wie bisher. Über den Sommer arbeiten wir aber auch daran, Schwerpunkte für die Zukunft zu definieren. Wir ziehen Zwischenbilanz und reflektieren den Weg nach vorne. Ein Schwerpunkt wird sicherlich das Thema Kundenorientierung, insbesondere auch für den Empfängerkunden, sein.

Was haben Sie konkret vor?

Ein Thema, das uns stark beschäftigt, ist der grenzüberschreitende E-Commerce. Wir wollen die Lieferkette nicht nur für Händler weiter vereinfachen. Das Online-Shoppingerlebnis soll auch für Endkunden noch komfortabler werden. Auch im klassischen B2B-Geschäft wollen wir noch zulegen, mit dem Ziel, kleine und mittelständische Kunden über unser globales Netz noch besser anzubinden. Wir arbeiten außerdem daran, unsere Abläufe weiter zu automatisieren und die Standorte zu modernisieren. Und wir wollen die Freiräume der Standorte weiter erhöhen. Vieles lässt sich am besten entscheiden oder lösen, wenn man nahe am Kunden dran ist.

Sie sehen also im grenzüberschreitenden E-Commerce das größte Wachstumspotenzial?

Im Prinzip schon. Die großen Unternehmen oder Konzerne haben ihre Supply Chain allerdings schon weitgehend aufgestellt, sind gut strukturiert und effizient, sodass ich hier eher Handlungsbedarf im Detail erwarte. Ich sehe den Wachstumsfokus im E-Commerce-Geschäft mehr auf der B2C-Seite – und zwar vor allem auch grenzüberschreitend. Der Anteil ist zwar nicht so groß wie der inländische, er wächst aber doppelt so schnell. Wir rechnen für die nächsten Jahre mit Wachstumsraten von 25 bis 30 Prozent.

Ist das bezogen auf den Express-Bereich?

Das bezieht sich zunächst auf den internationalen E-Commerce in Summe. Der Anteil am Express wird aber international fundamental höher sein als national. Hierzulande kann der normale Paketdienstleister bereits einen guten und integrierten Service anbieten. Im internationalen E-Commerce kann das eigentlich ausschließlich der Expressdienstleister, also Integrator, weil nur er in der Lage ist, die komplette Lieferkette aus einer Hand zu bedienen.

DHL Express Deutschland ist nun 40 Jahre alt. Ist Express überhaupt noch in Mode?

Unser Slogan heißt: "40 Jahre und topfit!" Wir fühlen uns nicht im Seniorenalter, sondern voll im Saft stehend. Wir sind in den vergangenen Jahren immer schneller gewachsen als der Markt, auch national mit zweistelligen Raten – topfit passt also durchaus. Unser Fokus liegt aber, wie gesagt, auf dem internationalen Geschäft – wir nennen das Time Definite International (TDI), bei dem DHL-Sendungen schnellstmöglich über ein globales Netzwerk mit rund 250 eigenen Flugzeugen sowie verschiedenen Partnerairlines auf täglich rund 2.400 Flügen um die Welt reisen. Dafür sind wir mit eigenen Leuten in über 220 Ländern und Territorien tätig. Dazu kommt, dass der Qualitätsanspruch auch im B2C-Segment steigt. Bis vor wenigen Jahren sah der klassische Online-Händler den Versand als notwendiges Übel, heute entdeckt er eine gute Versandqualität als ein positives Wettbewerbskriterium und bietet deshalb mehr Premiumversand an. Das spielt uns in die Hände. Zudem bestellen Express-Kunden oftmals einen größeren Warenkorb. Die Welt wird immer globaler und schnelllebiger. Express ist also voll im Trend. Wir verstehen uns als Speed- und Qualitätsjunkies.

Sie haben kürzlich in Hamburg-Allermöhe einen neuen DHL Express-Standort eröffnet. Welche Märkte sollen von dort aus bedient werden?

Das ist leicht zu beantworten: die ganze Welt. Dabei unterscheiden sich unsere Standorte aber in der Regel durch ihre Kundenstruktur. In Hamburg sind das Gros sicherlich die Luftfahrt­industrie und Reedereien wie Hapag-Lloyd und Airbus. Für diese Branchen sind vor allem im Bereich Ersatzteile kurze Laufzeiten gefordert. Aber Hamburg ist auch Banken-Standort und so erledigen wir auch den Versand von Dokumenten. Die Konsumgüterindustrie ist ebenso ein großes Thema.

Der neue Standort gilt als Teil eines Infrastrukturprogramms. Was unterscheidet ihn von bisherigen Servicestationen?

Alle unsere neuen Standorte – davon haben wir bereits eine Handvoll in Betrieb genommen – zeichnen sich durch hochmoderne Sortieranlagen aus, die rund 6.000 Packstücke pro Stunde bearbeiten können. Sie verfügen über zahlreiche Zustellfinger, an die die Vans andocken und wir mit den Förderbändern fast bis ins Fahrzeuginnere fahren können. Damit steigern wir nicht nur die Effizienz, sondern entlasten die Kuriere auch beim Be- und Entladen. Zudem sind die Standorte sehr gut an die Infrastruktur angebunden. Im Fall von Hamburg über die A 1 und A 25 an das deutschlandweite Autobahnnetz und somit an unser Luftfrachtdrehkreuz in Leipzig.

Die neue Anlage in Hamburg ist seit März in Betrieb. Ist sie bereits voll ausgelastet?

Wäre sie das, hätte ich jetzt Schweißperlen auf der Stirn. Nein, sie ist darauf ausgelegt, dass sie ohne zu großen Aufwand erweitert werden kann und somit das erwartete Sendungswachstum in den nächsten 10 bis 15 Jahren abdeckt. Wir haben derzeit eine gute Auslastung und sind gleichzeitig für die Zukunft bestens gerüstet.

Sie waren in den vergangenen vier Jahren in der Türkei als Chef der Expresssparte tätig. Was ist dort anders – außer der Sprache?

Die Sprache dort ist tatsächlich ganz anders. Als ich in der Türkei ankam, habe ich nicht ein einziges Wort verstanden. Das war eine echte Herausforderung und ich habe es mir einfacher vorgestellt, eine gänzlich andere Sprache zu lernen. Mit länderspezifischen Klischees tue ich mich allerdings schwer. Ich denke, die Grundbedürfnisse der Menschen rund um die Welt sind gar nicht so unterschiedlich.

Also lief in der Türkei alles so wie hier?

Nein, ganz so ist es nicht. In der Türkei liegt das Durchschnittsalter bei rund 30 Jahren, hierzulande bei deutlich über 40. Jüngere Menschen sind in der Regel risikofreudiger und stehen neuen Dingen etwas offener gegenüber, andererseits fehlt ihnen gelegentlich die Nachhaltigkeit, Aufgaben und längerfristige Projekte erfolgreich zu Ende zu führen. Türkische Kollegen reagieren oft emotionaler als Deutsche, die meistens mehr Wert auf Fakten legen. In der Türkei funktioniert Mitarbeitermotivation sehr gut. Das will ich hier noch stärker vorantreiben, aber es ist mir auch schon etwas gelungen. Ich spüre eine Aufbruchsstimmung.

Zur Person

  • Markus Reckling ist seit Januar 2017 Chef der Expresssparte von DHL Deutschland
  • Zuvor war der studierte Marketingexperte vier Jahre für DHL Express Türkei verantwortlich
  • Reckling ist mit den Schwerpunkten Strategie, Qualität und Mitarbeitermotivation seit mehr als 15 Jahren für die Deutsche Post DHL tätig
  • Seine professionelle Karriere startete er bei der Otto Versand Gruppe und Tengelmann

Go Green

  • DHL hat sein Ziel, die CO2-Effizienz um 30 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2007 zu verbessern, bereits 2016 erreicht, anstatt wie geplant 2020
  • Im Rahmen der Konzernstrategie, bis 2050 carbon-neutral zu produzieren, will DHL seine CO2-Emission auf der letzten Meile bereits bis 2025 um 70 Prozent senken – und das trotz der hohen Wachstumsraten
  • Dazu setzt das Unternehmen in der Zustellung unter anderem vermehrt Lastenräder ein, das Parcycle mit unterschiedlich großen Transportboxen sowie das Cubicycle mit einem großen Transportcontainer und City-Hub-Konzept
  • Zunehmend sollen auch Elektroautos verstärkt zum Einsatz kommen, wie die Eigenmarke Streetscooter und andere zugekaufte E-Fahrzeuge
  • Derzeit fahren in Deutschland rund 3.000 Streetscooter und 10.500 Pedelecs
  • Bis 2050 soll der gesamte Geschäftsbetrieb komplett emissionsfrei erfolgen
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