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Deutscher Telematik Preis 2018 Im Telematiklabor geht's ans Eingemachte

Im Telematiklabor der DHBW Ravensburg, Campus Friedrichshafen Foto: Carsten Nallinger

Der Deutsche Telematik Preis 2018 ist in der Phase zwei: Im Telematiklabor der Hochschule Ravensburg Campus Friedrichshafen kommen die Nominierten dazu auf den Prüfstand. Dort wird unter anderem geprüft, ob die im Fragebogen gemachten Angaben der Hersteller stimmen.

Der Deutsche Telematik Preis geht in die zweite Runde – und das gleich doppelt. Zum einen vergibt der ETM Verlag, in dem die TeleTraffic erscheint, diese Auszeichnung zum zweiten Mal. Zum anderen ist die Auswertung der Fragebögen aus Phase eins abgeschlossen. Die anhand der Ergebnisse nominierten Lösungen müssen nun in Phase zwei beweisen, dass sie nicht nur auf dem Papier eine gute Figur machen. "Nur Häkchen zählen bei den Fragebögen ist für eine tatsächliche Einschätzung allerdings zu wenig", erklärt Tele­ma­tik­experte Prof. Dr. Heinz-Leo Dudek, der auch Juryvorsitzender des Deutschen Telematik Preises ist.  Selbst wenn die dortigen Antworten natürlich einem Plausibilitätscheck unterzogen wurden.

Im Telematiklabor der DHBW Ravensburg – genauer gesagt am Campus Friedrichshafen – herrscht daher höchste Konzentration. Studenten der Dualen Hochschule testen abwechselnd Telematiklösung um Telematiklösung. "Es handelt sich dabei um technikaffine Nutzer, die allerdings bewusst noch keine Erfahrung mit Telematiksystemen haben", erklärt Versuchsleiter Christoph Brosig. Dem Gründer des Webportals Telematikwissen.de geht es dabei vor allem um Unvoreingenommenheit. Denn "waschechte Disponenten" würden sich in der Software, mit der sie arbeiten, zwangsläufig hervorragend auskennen. Und dabei die eine oder andere Unzulänglichkeit eines Systems umschiffen, weil sie den "praktischen Workaround" kennen.

Gleiche Startvoraussetzungen für alle Telematiksysteme

"Genau das wollen wir aber vermeiden. Jede Telematiklösung hat auf diese Weise die gleichen Startvoraussetzungen", erläutert Brosig. Darüber hinaus testen immer drei Probanden ein System – und jeder testet seinerseits drei Telematiklösungen. Der Test wiederum umfasst fünf Aufgaben: Ein Fahrzeug orten, einen Geofence anlegen, einen Transportauftrag anlegen, den Kraftstoffverbrauch auslesen sowie die Arbeitszeit auswerten.

Bei den einzelnen Arbeitsschritten werden sowohl die Zahl der benötigen Klicks als auch die Zeit gemessen. Hinzu kommt  die zurückgelegte Wegstrecke des Cursors. Ziel dieses Parameters ist es, die Ergonomie einer Bedienoberfläche zu ermitteln. "Auf diese Art erhält man bereits einen guten Eindruck, wie übersichtlich ein Portal gestaltet ist und ob Funktionen so implementiert sind, wie man es erwartet", sagt Brosig. Das klappt mal besser – mal weniger gut. "Manche Portale sind mit Buttons geradezu überfrachtet", berichtet Dudek.

Eyetracker kommt für den Test zum Einsatz

Bei dieser ersten qualitativen Einschätzung  soll es aber natürlich nicht bleiben. Denn auch bei der Neuauflage des Deutschen Telematik Preises kommt der sogenannten Eyetracker zum Einsatz. In diesem Fall sitzt die futuristisch aussehende Brille auf der Nase von Wolfgang Stark vom Institut für Weiterbildung, Wissens- und Technologietransfer, einem Unternehmen der DHBW. Stark ist der Proband, der im nächsten Schritt den Expertentest umsetzt. Bei dieser qualitativen Einschätzung dreht sich alles um allgemeine Funktionen, Fehlerrobustheit, Komfortfunktionen sowie Individualisierbarkeit. Ihm gegenüber sitzt Versuchsleiter Brosig, ein Laptop mit der entsprechenden Spezialsoftware vor sich. Die zeigt, wo beim Probanden mit dem Eyetracker der Blick hingeht, und zeichnet das Ganze zudem für eine detaillierte Auswertung auf.

Dem Zufall wird folglich nichts überlassen. Allein der Eyetracker mit der zugehörigen Analysesoftware schlägt übrigens im Normalfall mit rund 30.000 Euro zu Buche. Ein solcher Telematik-Vergleichstest ist folglich etwas ganz besonderes – und im deutschspachigen Raum auf jeden Fall einzigartig.

Dabei ist der Test weitaus mehr als ein subjektiver Eindruck. Für den Probanden mit der Eyetracking-Brille muss zunächst das Gerät kalibriert werden. Dazu hält er lediglich den Kopf still und fixiert vier vorgegebene Punkte im Sichtfeld. Beim Einrichten des Messgeräts werden zwei Kameraobjektive auf die Pupillen des Experten fokussiert. Im Zusammenspiel mit einem Objektiv, das auf den Bildschirm blickt, wird dann die Testsituation vorbereitet.

Entscheidend ist die sogenannte Erwartungskonformität

Mit dem Eyetracker auf der Nase erschließt sich, wie logisch die Software aufgebaut ist und wie schnell die Arbeitsschritte in Fleisch und Blut übergehen. "Wichtig ist dabei vor allem die sogenannte Erwartungskonformität", erklärt Brosig. Die wiederum sei natürlich auch dem Zeitgeist unterworfen. "Wenn ich heute bei Anbietern wie beispielsweise Google Maps auf die Karte klicke, kann ich sie verschieben. Dann erwartet der Nutzer das auch auf einem Telematikportal", sagt Brosig. Manche Lösungen kämen allerdings "furchtbar altbacken" oder auch "total überfrachtet mit nervigen Pop-ups" daher, so das Urteil der Probanden. In diesen Fällen führe an einer Neukonzeption des Portals eigentlich kein Weg vorbei. 

Bewertungen orientieren sich an ISO-Norm 9241-110

Die für die Bewertung verwendeten Annahmen sind übrigens nicht aus der Luft gegriffen, sondern orientieren sich an der Norm ISO 9241-110, die die Richtlinien der Mensch-Computer-Interaktion beschreibt (siehe Kasten). Für die einzelnen Aufgaben gibt es Schulnoten von 1 bis 6. Unter anderem anhand des Blickverlaufs sowie der Bearbeitungszeit ergeben sich zusammen mit qualitativen Kriterien – wie etwa der Farbgebung – insgesamt mehr als 20 Teilnoten, die dann unterschiedlich gewichtet in eine Gesamtnote eingehen.

Eine umfangreiche Arbeitsthesensammlung hilft dabei, die gemessenen Daten richtig zu interpretieren. Einfach ausgedrückt bedeutet das: Je ­geringer die Suchaktivität, desto besser ist es um die Übersichtlichkeit bestellt. Um außerdem die ­Zusammenhänge einzelner Metriken, beispielsweise zwischen vertikalen und horizontalen Blickverläufen, entsprechend einzuordnen, wurden zahlreiche Korrelationsanalysen vorgenommen. Wobei die Korrelationen nicht immer so einfach auf der Hand liegen. Und schon geht es wieder voller Konzentration zum nächsten Telematiksystem.

Auflösung gibt es beim Zukunftskongress Nutzfahrzeuge

Welche der nominierten ­Lösungen sich im Telematiklabor der DHBW Ravensburg, Campus Friedrichshafen, durchsetzen konnten, zeigt sich dann auf dem Zukunftskongress Nutzfahrzeuge in Berlin. Wobei die Veranstaltung auch sonst jede Menge in Sachen Telematik zu bieten hat. Es lohnt sich folglich doppelt, sich auf den Weg nach Berlin zu machen.

Die ISO-Norm

Die Grundsätze der Dialoggestaltung nach ISO-Norm 9241-110 lauten:

  • Aufgabenangemessenheit
  • Selbstbeschreibungsfähigkeit
  • Lernförderlichkeit
  • Steuerbarkeit
  • Erwartungskonformität
  • Individualisierbarkeit
  • Fehlertoleranz

Die DHBW Ravensburg

  • Die DHBW Ravensburg besteht aus dem Campus Ravensburg und dem Campus Friedrichshafen
  • Es gibt zwei Fakultäten: die für Wirtschaft und die für Technik
  • An der DHBW Ravensburg gibt es rund 3.800 Studierende, 36 Prozent davon am Campus Friedrichshafen
  • Für die Lehre zeichnen rund 90 Professoren sowie etwa 1.000 Lehrbeauftragte aus anderen Hochschulen und der Praxis verantwortlich
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