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Deutsche Bahn Große Baustellen bei der Bahn

Investitionen in die Infrastruktur Foto: Frank Kniestedt

Die Deutsche Bahn schwächelt. Der Schienenkonzern baut um und muss sein Tafelsilber verkaufen

Das Ergebnis nach Steuern ist im ersten Halbjahr 2015 um deutliche 40 Prozent oder 250 Millionen Euro gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum eingebrochen. Die Gründe sind vielschichtig: Zu Buche schlagen vor allem die ewigen Lokführerstreiks und schweren Unwetter, die den Schienengüter- und Personenverkehr immer wieder lahmlegten. Ausgewirkt  haben sich auch der infolge sinkender Kraftstoffpreise gestiegene Individualverkehr, die gegenüber dem Vorjahr erneut erhöhten Abgaben für den Fahrstrom und höhere Personalkosten. Ganz zu schweigen von der völligen Fehleinschätzung der Fernbus-Konkurrenz.

Schließlich hadert die Bahn mit der Politik. Vor allem auf Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ist sie nicht gut zu sprechen. Sie wähnt sich im Wettbewerb mit der Straße benachteiligt. Für wirklich jeden Kilometer in ganz Deutschland müsse sie "Schienen-Maut" bezahlen, die Fernbusse dagegen  führen mautfrei. Und die Brummis zahlten Maut auch nicht auf dem ganzen Straßennetz, sondern nur auf Autobahnen und einigen Bundesstraßen, so die Klagen aus der Bahn-Chefetage.

Grube musste handeln

Angesichts dieser Gesamtentwicklung sah sich Bahnchef Dr. Rüdiger Grube zum Handeln geradezu gezwungen, wollte er nicht selber in die Schusslinie geraten. Mit einem langfristig angelegten Sechs-Punkte-Programm will er den Konzern umbauen und "schlanker, schneller und kundenorientierter" machen, wie er den "lieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern" in einem viersei­tigen Brief schreibt. Notwendig seien "eine straffere Führung, einfachere Strukturen, höhere Effizienz und mehr Fokus auf Kunde, Qualität und Wachstum". Kritik, er reagiere zu spät, wies der Konzernchef zurück. Der Aufsichtsrat hat seine Vorstellungen in einer Sondersitzung am 27. Juli weitgehend gebilligt.

Die ersten Schritte sind mit dem Umbau des Konzernvorstands bereits vollzogen worden. Vom 1. August an wurde der Vorstand von acht auf sechs Mitglieder verkleinert, "was  25 Prozent weniger bedeutet", wie Grube stolz vorrechnet. Verbunden mit diesem "Startschuss für die neue DB" ist auch eine neue Geschäftsverteilung. Abgeschafft  wird ebenfalls die bisherige doppelte Holdingstruktur von DB und DB Mobility Logistics (DB ML), die seinerzeit mit Blick auf den geplanten Börsengang aufgelegt worden war. Damit sei ein Börsengang "erst einmal vom Tisch", sagt Grube, nicht aber eine Teilprivatisierung von  DB Schenker Logistics und DB Arriva. Sie solle frisches Kapital von außen in das Unternehmen holen "und damit den profitablen Wachstumspfad weiter vorantreiben".

Gesamtkonzept bis Jahresende

Nachdem Grube mit dieser Vorstellung noch vor der Aufsichtsratssitzung am 27. Juli zunächst gescheitert war, soll nun ein konkretisiertes Gesamtkonzept dafür bis Ende des Jahres erarbeitet und dann dem Aufsichtsrat in seiner Sitzung am 16. Dezember zur Billigung vorgelegt werden. Ausdrücklich betont Grube gegenüber seinen Mitarbeitern, dass es dabei lediglich um die Hereinnahme von Minderheiten geht, nicht aber um einen vollständigen Verkauf. "Beide Geschäftsfelder bleiben integraler Bestandteil der Geschäftsfeld- und Führungsstruktur des DB-Konzerns", versucht Grube sein Personal zu beruhigen. Die Bahn werde die Führung der Töchter behalten. Auch an der internationalen Ausrichtung von Arriva und Schenker Logistics werde sich nichts ändern.

Schon jetzt aber gibt es bei Schenker personelle Veränderungen. Wie Grube mittteilt, wird  Dr. Alexander Hedderich sein Mandat als Vorstandsvorsitzender von Schenker Rail zum 31. August niederlegen und aus dem Konzern ausscheiden. Neuer Chef des Schienengüterverkehrs der DB ist Bertold Huber. Und Jochen Thewes, zuletzt Vorstandschef der Region Asien/Pazifik, übernimmt  zum 1. September in der Nachfolge von Dr. Thomas Lieb den Vorstandsvorsitz von DB Schenker und damit die Leitung von Schenker Logistics.

Beide Unternehmen gehören zum Tafelsilber des Bahn-Konzerns. Während der innerdeutsche Personenverkehr im ersten Halbjahr rückläufig war, legte die Auslandstochter Arriva mit ihren Bus- und Regionalverkehrstöchtern in über zehn europäischen Ländern weiter zu. Ihr Gesamtumsatz erhöhte sich in den ersten sechs Monaten dieses Jahres gegenüber dem Vorjahreszeitraum um deutliche 7,5 Prozent auf knapp 2,4 Milliarden Euro.

Boom bei Kontraktlogistik

Ähnlich zeigt sich das Bild im Schienengüterverkehr, der im ersten Halbjahr mit minus sechs Prozent ebenfalls rückläufig war. Wachstum gab es dagegen erneut bei Schenker Logistics. So stieg die Zahl der Sendungen im Landverkehr gegenüber dem ersten Halbjahr 2014 um 3,8 Prozent, bei der Luftfracht gab es ein Plus von 1,2 Prozent und bei der Kontraktlogistik waren es sogar 16,6 Prozent mehr. Einzig die Seefracht sieht mit einem Minus von 3,5 Prozent nicht gut aus. Mit einem Umsatz von knapp 7,8 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2015  hat das Geschäftsfeld Schenker Logis­tics damit zu über einem Drittel zum Gesamtumsatz des Bahn-Konzerns von rund 20  Milliarden Euro beigetragen.

Zu den vielen Neuerungen im Unternehmen gehört schließlich auch ein Optimierungsbeitrag der Konzernleitung in Höhe von insgesamt 610 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren. Weitere Millioneneinsparungen sind geplant, zum Beispiel die Streichung der Zweitbüros für die Vorstände in Frankfurt sowie eine Überprüfung des Immobilienbestandes der Bahn. "All das zusammen", unterstreicht Vorstandschef Grube in seinem Mitarbeiter-Brief, "soll den Bahn-Konzern wieder auf Kurs bringen". Denn: "Nur eine profitable DB  kann die geplanten Milliarden-Investitionen in Infrastruktur, neue Züge und bessere Produkte finanzieren."

Dobrindt unterstützt die Pläne

Verkehrsminister Dobrindt signalisierte grundsätzlich Zustimmung. Grubes Pläne gingen in die richtige Richtung. "Der Bund als Eigentümer der DB AG unterstützt alle Maßnahmen, die die Bahn zukunftsfest machen", sagte er. Entsprechend positiv votierten die vom Bundesverkehrs- und Bundesfinanzministerium gestellten Aufsichtsratsmitglieder, während die von der SPD gestellten  Aufsichtsräte dies eher kritisch sehen.

Weniger überzeugt von den neuen Strukturen zeigen sich auch die Grünen. Straffere Strukturen und mehr Effizienz zu schaffen, das würde die Öffentlichkeit angesichts sinkender Gewinne erwarten. Ein Rettungsprogramm für die Deutsche Bahn sei das allerdings nicht. Stattdessen sollten endlich Fahrgäste und Güter zuverlässig befördert werden und nicht "ausgediente Spitzenpolitiker", erklärte Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Grünen. "Zumal Herr Pofalla seine Qualifikation für das Vorstandsamt noch gar nicht unter Beweis stellen konnte."

Das Sechs-Punkte-Programm

  1. Beendigung der doppelten Holdingstruktur von DB Mobility Logistics (DB ML) und Deutsche Bahn – die DB ML AG wird aufgelöst
  2. Verkleinerung des Konzernvorstands von acht auf sechs Mitglieder
  3. Neue Zuordnung der bisherigen Ressorts Technik und Umwelt
  4. Neue Geschäftsverteilung im Vorstand
  5. Neuordnung der Servicefunktionen und internen Dienstleistungen
  6. Teilprivatisierung von DB Schenker Logistics und Arriva als Option

Das neue Management

Die künftigen Ressorts und ihre Chefs bei der Deutschen Bahn

Vorstandsvorsitzender: Dr. Rüdiger Grube;
Finanzen/Con­trolling: Dr. Richard Lutz;
Personal: Ulrich Weber;
Wirtschaft, Recht und Regulierung einschließlich der Bereiche Compliance und Konzernsicherheit: Ronald Pofalla, bisher Generalbevollmächtigter und Bahn-Cheflobbyist;
Verkehr und Transport, inklusive Schenker Rail: Bertold Huber, bisher Vorstand Fernverkehr;
Infrastruktur, Dienstleistungen und Technik: Dr. Volker Kefer, zugleich neuer stellvertretender Vorstandsvorsitzender.


Die bisherigen Vorstände Dr. Karl-Friedrich Rausch, Ulrich Homburg, Gerd Brecht und Dr. Heike Hanagarth sind zum 31. Juli ausgeschieden.

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