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Gotthard-Basistunnel Jahrhundertbau sucht Besucher

Der Gotthard-Basistunnel Foto: SBB

Der Gotthard-Basistunnel ist fast fertig, die Eröffnung ist absehbar. Nun wirbt das Schweizer Bundesamt für Verkehr in Deutschland dafür, diese Kapazitäten zu nutzen und pocht darauf, die Zulaufstrecken rechtzeitig fertigzustellen.

Ein Jahrhundertbauwerk will gebührend gefeiert werden. Schon jetzt laufen die Planungen zur Eröffnung des Gotthard-Basistunnels – dem mit 57 Kilometern längsten Eisenbahntunnel der Welt. "Die erste Sitzung zur Planung der Feierlichkeiten liegt bereits hinter mir", sagte Dr. Peter Füglistaler, Direktor des Bundesamts für Verkehr (BAV) in der Schweiz, bei der 2. Konferenz seines Hauses rund um den EU-Korridor Nummer 1. Gemeint ist damit die Achse von Rotterdam nach Genua, die durch die Schweiz und in wenigen Jahren auch durch den neuen Gotthard-Basistunnel führen soll.

Im Dezember 2016 gehen die Röhren in Betrieb

Füglistaler hegt keine Zweifel daran, dass die Röhren im Dezember 2016 in Betrieb gehen, ein knappes Jahr vor der Zeit. Also macht der BAV-Chef bereits den nächsten Schritt. "Ich konzentriere mich zurzeit immer stärker darauf, dass der Tunnel auch genutzt wird", sagt er. Doch genau hier tun sich Stolpersteine auf: Denn die Flaschenhälse im Tunnelzulauf auf deutscher Seite werden bis zur Eröffnung nicht behoben sein. Entsprechend deutlich reden die Eidgenossen ihren nördlichen Nachbarn ins Gewissen. "Der Vertrag von Lugano ist einzuhalten", betonte der Schweizer Botschafter in der Bundesrepublik, Tim Guldimann.

Bis 2019 beziehungsweise 2020 müsse Deutschland die erforderlichen Kapazitäten bereitstellen. Die sehen unter anderem zwischen Karlsruhe und Basel den Ausbau auf vier Gleise vor. Der Vertrag verpflichte die Niederlande, Deutschland, Italien und die Schweiz dazu, ihre Kapazitäten schrittweise anzugleichen. "Diese schrittweise Angleichung ist eine völkerrechtliche Verpflichtung zum Ausbau der Strecke Karlsruhe–Basel", betonte der Botschafter.

Rotterdam-Genua ist die wichtigste Güterverkehrsachse in Europa

Die Achse von Rotterdam nach Genua ist für ihn nicht irgendeine Strecke. Es handele sich um die wichtigste Güterverkehrsachse in Europa und die Schweiz sei durch den Bau des Gotthard-Basistunnels nicht ohne Grund solidarisch in Vorleistung getreten. Daher müssten auch die anderen Länder nachziehen.

Eine Alternative, um den wachsenden Güterverkehr durch die Schweiz aufzufangen, gibt es nach Ansicht der Eidgenossen nicht. "Wir haben auf der Straße schlichtweg keine Kapazitäten mehr", sagte BAV-Direktor Füglistaler. Die Staustunden auf den Schweizer Autobahnen seien massiv gestiegen und ein Ausbau der alpenquerenden Straßen sei verfassungsrechtlich nicht möglich.

Füglistaler hat noch ein weiteres Argument für die Schiene: So will er es Spediteuren ermöglichen, vier Meter hohe Fahrzeuge, also Megatrailer, durch die Alpen auf der Schiene zu befördern. Das geht zurzeit nur in begrenztem Umfang auf der Lötschberg–Simplon-Achse.

"Wir wollen das Profil in der Schweiz durchgängig auf vier Meter ausbauen", kündigte Füglistaler an. Einen entsprechenden Entwurf werde das BAV Anfang nächsten Jahres in das Parlament einbringen. Insgesamt eine Milliarde Franken wollen die Eidgenossen mobilisieren, um die Schiene zusätzlich zu den laufenden Großprojekten auf Vordermann zu bringen.

Bei Mailand ist der Bau eines neuen Terminals geplant

230 Millionen Franken davon entfallen auf Projekte in Italien, wo auch der Bau eines neuen Terminals bei Mailand geplant ist. Die Kombi-Operateure Cemat aus Italien und Hupac aus der Schweiz sind nach Angaben von Füglistaler derzeit darüber in Gesprächen.

Die Schweiz will im Übrigen auch dafür Sorge tragen, dass der Güterverkehr auf der Schiene eine höhere Akzeptanz findet. Die Klagen über den Lärm nehmen auch dort zu. Daher macht das Alpenland Ernst und verbietet ab 2020 Waggons mit Grauguss-Bremssohlen die Durchfahrt. Auch der Ausbau des Vier-Meter-Profils soll bis zu diesem Jahr abgeschlossen sein. Botschafter Guldimann bezeichnet 2020 daher als Schlüsseljahr.

Die Hausspitze des deutschen Verkehrsministeriums ist erfreut über die Entschlossenheit der Schweiz, dem Lärm zu Leibe zu rücken. "Ich begrüße das Gesetz zum Verbot von lauten Güterwagen", sagte der neue Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Michael Odenwald. Solche Maßnahmen seien – auch in Zusammenhang mit Korridor 1 – unverzichtbar, damit die Bevölkerung die Güterzüge akzeptiere. Odenwald erklärte, dass die EU-Kommission den Ball aufgenommen habe und ein Verbot von lauten Güterwaggons prüfe. Bis 2014 wolle sie ein entsprechendes Programm erarbeiten. Auch die Bundesrepublik sei im Kampf gegen den Schienenlärm aktiv  und die Umrüstung auf die Flüsterbremse in vollem Gange.

Für einen Lärmschutz wird nicht gespart

100 Millionen Euro gebe man jährlich im Rahmen des Lärmsanierungsprogramms aus. Auch vom jüngsten Haushaltsaufschlag, den der Bundestag Verkehrsminister Dr. Peter Ramsauer (CSU) genehmigt hat, profitiert der Lärmschutz. Die gesamten 40 Millionen Euro, die in die Schiene fließen, kämen dem Lärmschutz zugute.

Die Deutsche Bahn sieht das Lärmproblem ebenfalls mit Sorge. "Es wird immer schwieriger, bei der Bevölkerung die nötige Akzeptanz zu finden", bestätigte Infrastruktur-Vorstand Dr. Volker Kefer. Man wolle ja keine Infrastruktur gegen die Anwohner bauen, also müsse man immer stärker in Dialog treten. Diese Debatten verzögerten das Ausbautempo – von der ungeregelten Finanzierung mancher Projekte oder dem oft fehlenden Baurecht ganz zu schweigen.

Was den letzten Punkt angeht, kann EU-Parlamentarier Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, darüber nur den Kopf schütteln. "Das ist für mich ein Weltwunder: Die Schweiz baut ihren Tunnel schneller als die Deutschen ihr Baurecht bekommen." Auch das ist eine Erklärung, warum die Deutschen an den Gotthard noch keinen Anschluss finden.

Finanzierung neu geregelt

  • Die Schweiz baut ihre Jahrhundertbauwerke mit einer über Jahre gesicherten Finanzierung. Die Finanzierung hängt nicht an schwankenden Haushaltsmitteln, sondern steht auf den stabilen Füßen eines Fonds. Dies ist der 1998 umgesetzte Bundesbeschluss über Bau und Finanzierung von Infrastruktur-Vorhaben des öffentlichen Verkehrs (Finöv).
  • Der Finöv-Fonds umfasst 31,4 Milliarden Euro. Er wird aus einem Promille-Teil der Mehrwertsteuer, einem Fünftel der Mineralölsteuer und der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe gespeist. Die Fondsmittel waren zunächst dazu bestimmt, die großen Infrastrukturvorhaben, also auch den Bau des Gotthard-Basistunnels, zu finanzieren. 
  • Die Eidgenossen sind nun dabei, den Fonds zu reformieren. Denn einerseits ist der Finöv zeitlich befristet, andererseits mögen zwar die Großprojekte finanziert sein, nicht aber der Erhalt des Eisenbahnnetzes. Der Finöv-Nachfolger heißt Bahninfrastrukturfonds und berücksichtigt sowohl die Neubauprojekte als auch den Erhalt der Infrastruktur. 
  • Im Bahninfrastrukturfonds geht das Volumen des bisherigen Finöv-Fonds auf, ferner fließen Haushaltsmittel und weitere Gelder ein. Letztere machen eine Milliarde Euro im Jahr aus. Es handelt sich um Beiträge der Kantone, um Erlöse aus erhöhten Trassenpreisen, eine weitere Mehrwertsteuer-Promille sowie um Finanzen, die sich aus dem Fahrkostenabzug ergeben. Pendler können nicht mehr die kompletten Straßen-Kilometerkosten absetzen, sondern nur noch einen Teil.

Das Bauvorhaben

Lang: Der Gotthard-Basistunnel ist der längste Eisenbahntunnel der Welt. Jede der beiden Röhren ist 57 Kilometer lang, insgesamt beläuft sich das Tunnelsystem zwischen Erstfeld im Norden und Bodio im Süden mit allen Quer- und Verbindungsstollen auf rund 150 Kilometer. Alle 312 Meter sind Verbindungsstollen zwischen den 40 Meter voneinander entfernt verlaufenden Röhren. Nach je einem Drittel der Strecke gibt es sogenannte Multifunktionsstellen. So sind in Sedrun und Faido zum Beispiel Spurwechsel oder Nothalte möglich.

Wichtig: Der Achse kommt in Zusammenhang mit der Schweizer Verlagerungspolitik hohe Bedeutung zu. Sie ist Teil der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (Neat), die zur Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene beitragen soll. Ziel ist es, die Zahl der Transit-Lkw auf jährlich 650.000 zu drücken. Die Achse über den Gotthard ist Teil des Korridors 1 der von der EU definierten Transeuropäischen Netze. Er führt von Rotterdam nach Genua. Jährlich werden 200 Millionen Tonnen Güter auf dieser 1.400 Kilometer langen Strecke befördert.

Kostspielig: Die Baukosten für die gesamte Achse belaufen sich auf rund 24 Milliarden Franken (21 Milliarden Euro). Offizieller Baubeginn war im November 2002, Ende 2016 sollen die ersten Züge durch den Gotthard-Basistunnel fahren. Verantwortlich für das Projekt ist Alptransit, eine Tochter der Schweizerischen Bundesbahnen, die den Tunnel später betreiben. Die Arbeiten erfolgen von fünf Eingängen aus: Das sind Erstfeld und Amsteg im Norden, Sedrun in der Mitte sowie Faido und Podio im Süden. Rund 1.700 Menschen haben in Spitzenzeiten an dem Jahrhundertprojekt gearbeitet.

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