Datenbusse im Nutzfahrzeug Flaschenhals CAN-Bus

Entwicklung, Datenbusse im Nutzfahrzeug Foto: Andreas Wolf

Hat der CAN-Bus ausgedient? Um autonom fahren zu können, sind echtzeitfähige Datenbusse mit höherer Bandbreite nötig. Es zeichnen sich bereits Lösungen ab.

Eine Vielzahl von Fahrerassistenzsystemen (FAS) ermöglicht erst das viel zitierte autonome Fahren. Viele der dafür notwendigen FAS gibt es schon. Aber erst in intelligenter Kombination miteinander ermöglichen sie teilautonom oder vollautonom fahrende Automobile. Die Vernetzung von Sensorik hat beispielsweise vom ABS zum ESP geführt oder Abstandssensoren in Kombination mit einer elektrisch angesteuerten Lenkung zum autonom funktionierenden Parkpiloten aufgewertet.

FAS beziehen Informationen aus einer Vielzahl unterschiedlicher Sensoren, interpretieren diese Daten und setzen sie in Steuerbefehle für weitere Systeme wie die Lenkung oder die Bremsen um. Dazu fließen eine Menge Daten über Leitungen, die Datenbusse, durchs Fahrzeug.

Controller Area Network - der CAN-Bus

Je mehr der Fahrer durch FAS entlastet werden soll, desto mehr Daten müssen erfasst, verteilt und berechnet werden. Zugleich werden hierbei immer höhere Anforderungen an die Regelgüte, die Robustheit und auch Verfügbarkeit der Systeme und Daten gestellt. Das autonome Fahren stellt also besonders hohe Anforderungen an eine sichere Datenkommunikation in einem Fahrzeug. Heute schon sind auch in Nutzfahrzeugen die unterschiedlichsten Datenbusse untergebracht. Es kommen je nach Anwendung unterschiedliche Typen mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen zum Einsatz. Der bekannteste davon dürfte der CAN-Bus (Controller Area Network) sein. Vor allem Systeme im Bereich des Antriebs wie Getriebe- und Motorsteuerung kommunizieren über ihn und er dient unter anderem der Werkstatt zur Fahrzeugdiagnose und zum Auslesen des Fehlerspeichers. Aber auch Systeme des Fahrzeuginnenraums wie Klimaanlage und Zutrittskontrolle sowie Systeme im Chassisbereich tauschen Informationen über den CAN-Bus aus. "Grundsätzlich können alle in einem Fahrzeug vorhandenen Signale via CAN-Bus übermittelt werden", sagt Fachreferent Martin Traub vom Entwicklungspartner ITK Engineering.

Local Interconnect Network - der LIN-Bus

Dieser "Alleskönner" ist aber dennoch nicht allein im Nutzfahrzeug. Kleinere Steuergeräte für weniger komplexe Funktionen kommunizieren über den LIN-Bus (Local Interconnect Network). Komfortfunktionen wie Fensterheber, Schiebeverdeck und Sitzverstellung lassen sich darüber betätigen. Der LIN-Bus ist ein recht kostengünstiges System.

Media Oriented Systems Transport - der MOST-Bus

Für Multimedia-Funktionen des Infotainments wird wiederum der MOST-Bus (Media Oriented Systems Transport) verwendet. Im Bereich des Fahrwerks kommt häufig Flex-Ray zum Einsatz. Dieser Bus ist zwar verhältnismäßig teuer bei der Integration ins Fahrzeug, bietet dafür aber eine hohe Bandbreite. Das heißt: Viele Informationen lassen sich in kurzer Zeit übertragen. Flex-Ray bietet Echtzeitfähigkeit. Es ist also genau definiert, zu welchem Zeitpunkt ein Steuergerät eine bestimmte Nachricht schickt. Dieser Datenbus kommt daher vor allem in Bereichen zum Einsatz, in denen eine schnelle Regelung mit hoher Genauigkeit und Güte gefordert wird, zum Beispiel im Fahrwerksbereich. Und eben diese Echtzeit-Übertragung wird wohl in Zukunft immer häufiger benötigt, etwa um FAS mit hoher Präzision und Zuverlässigkeit zu steuern.

Der CAN-Bus arbeitet dagegen probabilistisch. Das heißt: Das Steuergerät versucht zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Botschaft zu übertragen, sofern nicht gerade andere Busteilnehmer über diesen CAN-Bus kommunizieren. Ansonsten steht  die Botschaft in der Warteschlange hinten an und das Steuergerät versucht ein wenig später  noch einmal, die Botschaft zu übertragen. Es ergibt sich aber in diesem Fall eine Verzögerung bei der Datenübertragung. Die Experten sprechen von Jitter. Bei zu großem Zeitverzug bleibt die Botschaft womöglich ganz aus.

"Die Auslastung der Bandbreite sollte beim CAN-Bus nicht über 60 Prozent betragen", sagt Traub. Sonst würde der Jitter bei der Datenübertragung zu groß und die Regelqualität entsprechend abnehmen. Eine Option zur Reduktion der Buslast wäre die Aufteilung des Datenverkehrs durch Einführung eines weiteren CAN-Busses. Doch die Integration ins Fahrzeug wird dadurch zunehmend aufwendiger, es kostet zusätzlich. Für die hohen insbesondere sicherheitsrelevanten Anforderungen des autonomen Fahrens reicht der CAN-Bus laut  dem Experten von ITK Engineering Traub ohnehin nicht aus.

Ein leistungsfähigerer Bus ist demnach die sinnvollere Lösung. Flex-Ray scheint zu teuer. Das Ethernet, wie es heute in Computer-Netzwerken oder in der Automatisierungstechnik verwendet wird, kann in einer modifizierten Variante laut Traub Abhilfe schaffen. Es bietet zugleich eine hohe Bandbreite und ist noch dazu in speziellen Varianten echtzeitfähig. "Die Umstellung auf ein neues Bussystem kann aber nicht auf einen Schlag erfolgen", erklärt Traub. Aufgrund der Verwendung von Steuergeräten in verschiedenen Fahrzeugreihen muss die Umstellung auf ein anderes Bussystem schrittweise erfolgen. Hierbei müssen die Entwickler der in der Fahrzeugtechnik Bustopologie genannten IT-Struktur Rücksicht auf Modellzyklen nehmen. Und gerade beim Nutzfahrzeug sind die Modellzyklen langfristig ausgelegt und überlappen sich wegen der modularen Plattformstrategie auch mit denen anderer Modelle.

Flexible Data Rate - der CAN-FD-Bus

Eine Zwischenlösung, um die Buslast zu verringern, die aber keine zusätzlichen Datenleitungen benötigt und daher schon in bestehenden Modellen Einzug halten könnte, ist der CAN-FD-Bus (Flexible Data Rate). Hierbei wird "nur" das Kommunikationsprotokoll geändert. Für einen Einsatz sind zwar Änderungen der Software und Hardware am Steuergerät nötig, nicht aber an der Bustopologie und den physikalischen Datenleitungen. Im autonom fahrenden Future Truck von Mercedes kommt dieser Bus schon zum Einsatz, um die Radardaten zu übertragen, während die Stereokamera über Flex-Ray kommuniziert.

Das Kommunikationsprotokoll von CAN-FD ermöglicht es, Botschaften mit mehr Nutzdaten zu senden – nämlich bis zu 64 Byte statt maximal 8 Byte. Dabei dauert es laut Traub abhängig von den eingesetzten Datenraten nicht länger, die 64-Byte-Botschaften zu übertragen als vergleichbare 8-Byte-Botschaften auf dem CAN-Bus. Das heißt: Der Informationsgehalt einer Botschaft ist acht Mal so groß, der Bus aber wird nicht länger belegt als zuvor.

Zudem wurde CAN-FD in die Autosar-Spezifikation (AUTomotive Open System ARchitecture, eine Entwicklungspartnerschaft unter anderem aus Automobil-, Steuergeräte- und Entwicklungswerkzeuge-Hersteller) aufgenommen und es gibt zudem Überlegungen CAN-FD an das im Nutzfahrzeugbereich vorherrschende J1939-Protokoll zu adaptieren. "Daher gehe ich davon aus, dass CAN FD in den nächsten Jahren Einzug hält", erläutert Traub.

Ein komplettes Update der Steuergeräte im Fahrzeug braucht Stunden

Neue Technologien für FAS und Multimedia-Anwendungen bieten aber auch Risiken. Die Kommunikation von Fahrzeug zu Fahrzeug (Car-to-Car), etwa für einen Stauassistenten oder die nächste Generation eines Notbremssystems, und die Kommunikation von Fahrzeugen mit der Infrastruktur (Car-to-X) für Stauwarn- und Verkehrsleitsysteme gelingen nur dann, wenn auch von außen ins Fahrzeug hinein Daten übermittelt werden. Das Fahrzeug wird dadurch zum offenen System. Das bietet auch Einfallstore für Manipulationen. "Hier müssen die Entwickler Sorge tragen, dass solche Systeme durch abgesicherte Kommunikationswege geschützt werden", erklärt Traub. Auch bisher wurden schon Daten von außen aufs Fahrzeug übertragen, etwa bei der Fahrzeugproduktion und in der Werkstatt. Und hier liegt ein weiteres Optimierungspotenzial durch neue Datenbusse. Bei niedriger Datenrate dauert das Flashen eines Steuergeräts, also das erstmalige Beschreiben oder die Aktualisierung der vorhandenen Software, länger. In der Werkstatt kann der Serviceplatz schneller wieder freigegeben werden und auch bei der Fahrzeugproduktion bietet es Vorteile, denn beim Flashen der Steuergeräte wird Zeit gespart. "Wir sprechen von mehreren Stunden für ein komplettes Update der Steuergeräte im Fahrzeug", sagt Traub.

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