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Dash-Cam Keine einheitliche Rechtsprechung

Foto: Jan Bergrath

Immer mehr Lkw-Fahrer wappnen sich mit einer Dash-Cam an der Windschutzscheibe. Doch Vorsicht: Es gibt keine einheitliche Rechtsprechung, unter welchen Voraussetzungen die Verwendung erlaubt ist.

Der Film auf YouTube zeigt einen spektakulären Lkw-Unfall auf einer deutschen Autobahn aus der Sicht einer Dash-Cam. Auf dem Standstreifen steht ein liegengebliebener Sattelzug. Ein blauer Lkw nähert sich, driftet nach rechts, streift das Pannenfahrzeug und rauscht in den Graben. Kurze Zeit danach bleibt der Lkw mit der Kamera stehen, der Fahrer steigt aus und kümmert sich um den Kollegen, der zum Glück unverletzt am Straßenrand steht.

Als Beweismittel für die Klärung der Schuldfrage wäre die Aufzeichnung ideal, denn hier hat der Fahrer das Pannenfahrzeug nicht gesehen und war im entscheidenden Moment unaufmerksam oder abgelenkt. Ein Indiz. Doch wäre die gerichtliche Verwertung überhaupt legal? "Es gibt derzeit keine einheitliche Rechtsprechung zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Dash-Cam erlaubt ist", sagt ­Matthias Pfitzenmaier, Fachanwalt für Verkehrsrecht. "Insbesondere muss zwischen zivilrechtlichen Verfahren und strafrechtlichen Prozessen unterschieden werden."

Die getroffenen Urteile zu dieser Frage gehen zum Teil weit auseinander, sodass es den Rahmen dieses Berichts sprengen würde, sie alle aufzuführen. "Konkrete Einzelfälle kann ich gerne über das FERNFAHRER-Expertenportal einordnen", sagt Pfitzenmaier. Eines sei den urteilenden Gerichten jedoch gemein: Sie fordern für die Frage, ob die Dash-Cam zum Beweismittel erhoben werden kann, also ob die Szene überhaupt gefilmt werden darf, eine Abwägung zwischen den Rechten des Gefilmten und den Rechten des Filmenden.

Was war der Anlass für die Aufnahme?

Vor Gericht geht es dann um die Frage, was der Anlass für die Aufnahme war. "Hier hat sich noch keine abschließende Meinung in der Rechtsprechung gebildet", sagt Pfitzenmaier. "Es wird sich im Nachhinein nur schwer feststellen lassen, ob der Videoausschnitt anlassbezogen gedreht wurde oder ein entsprechender Videoschnitt vorab erfolgt ist und lediglich die Behauptung der Anlassbezogenheit vorgetragen wird. Auch ist sich die Rechtsprechung darin nicht einig, ob das bloße Herumfahren mit eingeschalteter Dash-Cam bereits unzulässig ist oder nicht."

Das Amtsgericht München, so ein Beispiel, ziehe denVergleich zu zulässigen Urlaubsfotos und Filmen. Das Landgericht Heilbronn hingegen ziele auf das Heimlich-Gefilmt- Werden des Betroffenen ab und erachte dieses grundsätzlich als nicht zulässig. In einem Strafverfahren dürfte die Verwertbarkeit der Videos jedenfalls eher zulässig sein als in einem Zivilverfahren. "Das ist aber lediglich eine vorläufige Tendenz", erläutert Pfitzenmaier.

Ob man Lkw-Fahrern den Einsatz einer Dash-Cam raten soll, lässt sich also noch nicht abschließend beurteilen. Teile der Rechtsprechung sehen allein die Benutzung der Dash-Cam als rechtswidrig an, wofür Bußgelder verhängt werden können. Auf der anderen Seite ist die Dash-Cam bei einem Verkehrsunfall oder Verkehrsverstoß für den Betroffenen oft die einzige Möglichkeit, stichhaltige Beweise zu sichern. "Es ist daher die vorsichtige Prognose erlaubt, dass eine Benutzung der Dash-Cam jedenfalls anlassbezogen zulässig sein dürfte und nicht ohne Weiteres mit einem Bußgeld gerechnet werden muss – zumindest dann, wenn nur persönliche ­Zwecke mit der Aufnahme verbunden sind und nicht etwa eine Weitergabe an Dritte oder eine Veröffentlichung geplant ist", argumentiert Pfitzenmaier.

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