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Containertransport Maritime Fracht

Der Weg maritimer Fracht geht häufig über ein Hinterland-Terminal auf die Schiene. trans aktuell-Redakteur Carsten Nallinger verfolgte eine Sendung von Duisburg zum Rotterdamer Hafen.

Der letzte Lkw rollt gegen 13 Uhr auf das Gelände der Duisburger Container Terminalgesellschaft De-Ce-Te. Bereits 15 Minuten später heißt es: Nichts geht mehr. Denn dann ist Annahmeschluss. »Schließlich tritt der Betuwe-Express, der zwischen dem Terminal hier und dem Hafen Rotterdam pendelt, um 14 Uhr seine Reise an«, sagt Robert Breuhahn, Geschäftsführer von Kombiverkehr – begleitet von dem Piepsen der Krananlage. Die ist nämlich gerade dabei, die für den Überseetransport bestimmten Container auf die Tragwagen zu setzen. Rund 670 Meter misst der Zug von der Diesellok bis Ende, als er sich um 14 Uhr erstaunlich leise in Bewegung setzt. Der nächste Stopp ist bereits wenige Kilometer später: der sogenannte Vorbahnhof. Einzig ein unscheinbares Gebäude, das von der DB Netz betrieben wird, verrät zumindest auf den zweiten Blick, was dort geschieht. Ansonsten zeugen lediglich eine Vielzahl an Gleisen und Weichen vom regen Güterverkehr. »Die Diesellok hat einen zu großen Durst und ist daher aus betriebswirt­schaftlicher und ökologischer Sicht für lange Strecken schlichtweg ungeeignet«, so Breuhahn. Deshalb werde an dieser Stelle eine E-Lok vorgespannt. Und tatsächlich: Wenige Minuten später erscheint das schwarze Kraftpaket. Über 6.400 kW entwickelt der Motor und damit weit mehr, als er für die ­bisher maximal zulässige Zuglänge ­benötigt.  Die E-Lok ist eine von zwei, die Kombiverkehr für die Eigentraktion angemietet hat. »Die Verbindung nach Rotterdam gibt es eigentlich bereits seit 2006. Damals war die Traktion allerdings noch fremd vergeben – und voller Probleme«, sagt Heiko Krebs, Produktionsleiter bei Kombiverkehr. Nur alle 14 Tage sei ein Zug pünktlich gewesen und damit nur zehn Prozent des Gesamtaufkommens. »Streng genommen bringt uns die Traktion auf dieser kurzen Strecke nur eine sehr geringe Rendite. Für das Netzwerk ist diese Leistung aber außerordentlich wichtig«, so Krebs weiter. Innerhalb kürzester Zeit habe sich das Verhältnis umgekehrt, denn bereits nach acht Wochen Eigentraktion waren lediglich 8,5 Prozent nicht ganz pünktlich. Ende 2008 konnte der Zug dann auf die Betuwe-Linie ausweichen, also die 160 Kilometer lange Schienenverbindung, die vom Rotterdamer Hafen bis ins kleine Städtchen Zevenaar an der deutsch-niederländischen Grenze verläuft. »Heute haben wir auf dieser Strecke vier Fahrten pro Tag – zwei hin und zwei zurück«, sagt Krebs. Die Züge sind dabei auf 100 Standardcontainer, Twenty-foot Equivalent Unit (TEU), ausgelegt. Normal sind ansonsten 84 TEU. »Um den Takt halten zu können, arbeiten wir mit drei Wagengarnituren fürs ­Umladen«, erklärt der Produktionsleiter.

Mit bis zu 100 km/h braust der Zug mit seinen rund 2.000 Tonnen Gewicht über die Ebene. Nicht nur auf niederländischer Seite, wo die Geschwindigkeit selbst auf der Autobahn nicht selten auf 80 km/h begrenzt ist, ein Pluspunkt. Wer als Lkw-Fahrer auf der A 15 Richtung Rotterdam unterwegs ist, kommt zumindest in den Stoßzeiten wie etwa gegen
19 Uhr abends kaum über Schrittgeschwindigkeit hinaus. Gelangweilte bis genervte Gesichter prägen daher das Bild. Die vierspurige Autobahn ist unbestritten der Flaschenhals des größten europäischen Hafens. Zwar ist der Ausbau auf jeweils drei Streifen pro Fahrtrichtung bereits beschlossene Sache – aber gleichzeitig rechnen die Verantwortlichen mit einem noch höheren Güteraufkommen. Sogar so hoch, dass auch die dann erweiterte Autobahn keine Besserung bringt, sollte der Löwenanteil der eintreffenden maritimen Sendungen weiterhin per
Lkw ins Hinterland transportiert werden.
An all dem braust der Zug von Kombiverkehr gleichmäßig vorbei. So gleichmäßig drehen sich ansonsten nur die unzähligen Windräder, die das Bild der Provinz Südholland prägen.
Abends, kurz nach 19.30 Uhr, erreicht der Güterzug seinen ersten Bestimmungsort: den Vorbahnhof der Maasvlakte, zu Deutsch Maasebene. Dabei handelt es sich um ein großes Industrie- und Hafen­gebiet, das südlich der Maasmündung am Rand der Nordsee als künstliche Insel angelegt wurde und Teil des Rotterdamer Hafens ist. Bis die E-Lok
abgekoppelt ist und die Diesellok des Dienstleisters Rotterdam Rail Feeding die Waggons ins Terminal zieht, wird es bereits dunkel.
Gegen 20.30 Uhr ist der vorläufige Bestimmungsort der Sendungen erreicht: das Delta-Terminal von Europe Container Terminals (ECT), dem größten Betreiber von Container-Terminals im Rotterdamer Hafen. Dieser wiederum gehört zur chinesischen Hafengruppe Hutchinson Port Holdings. Mittlerweile ist es Nacht geworden. Die Temperaturen liegen nur knapp im Plusbereich. Doch von beschaulicher Stille kann dort keine Rede sein. Die gleißenden Strahler der Verladekräne auf dem Delta-Terminal bringen Licht ins Dunkel. Es piept und blinkt allerorten. Doch auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht – hinter der ganzen Verlade­prozedur steckt ein ausgeklügeltes System.
Das wiederum wirkt erst mal gespenstisch: Die unbemannten Flurförderfahrzeuge, kurz AGV für Automatic Guided Vehicles, bringen die Container wie von Geisterhand zu ihrem Einlagerungspunkt. Rund 200 dieser mittels Transponder gesteuerten AGV schwirren auf dem Gelände des ECT umher. Sechs Millionen TEU wurden so allein im Jahr 2009 bewegt. 2010 sind es aufgrund der anziehenden Konjunktur sogar noch mehr. Das ECT dient sozusagen als Hub für Zentral- und Osteuropa. »Schon wegen des steigenden Frachtaufkommens, aber auch hinsichtlich des Flaschen­halses A 15 müssen wir den Modal Shift verändern«, sagt Wando Boevé, Marketingdirektor und Vorstandsmitglied bei ECT. Dabei führt er folgende Zahlen ins Feld: Im Jahr 2005 lag der Anteil des Straßenverkehrs bei 59 Prozent, der Seefracht bei 31 Prozent und auf der Schiene wurden zehn Prozent befördert. 2035 sollen es dann nur noch  35 Prozent Lkw, 45 Prozent Schiff und 20 Prozent Güterzug sein. »Allerdings bei insgesamt wachsenden Zahlen für alle Verkehrsträger«, so Boevé.

Der Ausbau der A 15 ist dabei nur ein Mosaikstein im Plan. »Für den Zu- und Ablauf müssen darüber hinaus die Binnenschifffahrtswege und das Schienennetz erweitert werden.« So kommen zu den bislang 16 Gleisen des Rail-Terminals auf der Maasvlakte bis 2012 noch einmal zehn dazu. »Wobei man ganz klar sagen muss, dass die Verkehrsproblematik auf der A 15 ein Pkw-Problem ist. Von den 300.000 Fahrzeugen am Tag sind es gerade einmal 19.000 Lkw«, erklärt der Niederländer. Trotzdem seien entsprechende Lösungen gefragt, wenn der Rotterdamer Hafen weiter wachsen soll.
Dass dies das erklärte Ziel der Verantwortlichen ist, verdeutlicht ein bauliches Großprojekt. Die Rede ist von Maasvlakte 2, also jenem bereits weit fortgeschrittenen Jahrhundertbauwerk, bei dem die traditionsreiche Seefahrernation durch Sandaufschüttung dem Meer rund 2.000 Hektar Wasserfläche abtrotzt – von denen dann die Hälfte des neu gewonnenen Lands als Gewerbegebiet nutzbar ist. Durch die Vergrößerung der Maasvlakte um 20 Prozent auf dann rund 6.000 Hektar verdreifacht der neue Hafen seine Umschlagskapazität für Container. Rund drei Milliarden Euro sind für die Baumaßnahmen veranschlagt. Mittlerweile ist es 21.30 Uhr und das Entladen des Zugs aus Duisburg beginnt. »Theoretisch könnte das alles noch schneller gehen«, sagt Heiko Krebs. Doch allein schon die Abstimmung der Schienennetzbetreiber beim Grenzübertritt sei überarbeitungswürdig. Für eine höhere Auslastung und damit sowohl ein wirtschaftlicheres als auch ökologisch sinnvolleres Arbeiten setzt sich Kombiverkehr für Zuglängen bis 1.000 Meter ein. »Die Loks können das mit Leichtigkeit bewältigen«, so Krebs. Lediglich bei den neuen Rangierbahnhöfen gelte es, entsprechende Gleisabschnitte einzuplanen. Ihr Ziel ist den Verantwortlichen von Kombiverkehr jedenfalls klar vor Augen: noch mehr Hinterlandverkehre von der Straße auf die Schiene zu bekommen.

Die Betuwe-Linie
Die Betuwe-Linie ist eine 160 Kilometer lange Eisenbahn­strecke in den Niederlanden für den Güterverkehr. Die Route reicht vom Rotterdamer Hafen bis nach Zevenaar nahe der deutsch-niederländischen Grenze. Ihr Name stammt vom niederländischen Landstrich Betuwe, den sie teilweise durchquert. Die Strecke führt von der Maasvlakte über eine bestehende Hafenstrecke zum Rangierbahnhof Kijfhoek und von dort entlang der niederländischen A 15 in östliche Richtung bis Zevenaar, wo die Betuwe-Linie in die vorhandene Hollandstrecke Arnheim–Oberhausen einmündet.

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