CO2 "Wir brauchen starke CO2-Grenzwerte"

Brüssel, Christophe Pavret, Michael Cramer, Thomas Rosenberger, Eveline Lemke, August Altherr, John Deere, Dr. Manfred Schuckert Foto: Landesverband Rheinland-Pfalz 7 Bilder

In einer vom Cluster Commercial Vehicles Südwest gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium Rheinland-Pfalz organisierten Podiumsdiskussion argumentierten Politiker mit Vertretern der Fahrzeugindustrie das Pro und Kontra einer Verbrauchsregulierung von schweren Nutzfahrzeugen.

Die EU meint es Ernst. Wie bei Pkw und Transportern soll es künftig auch für schwere Nutzfahrzeuge Regeln für den CO2-Ausstoß geben. Das ist beschlossene Sache, was auch Christophe Pavret de la Rochefordière, Mitglied der Generalddirektion Klima (DG Climate Action), im Rahmen einer Podiumsdiskussion „CO2-Emissionsreduzierung durch den EU-Gesetzesrahmen – Herausforderungen und Chancen für die Nutzfahrzeugindustrie“ bestätigte. Die hochkarätige Runde kam auf Einladung des Commercial Vehicle Cluster Südwest (CVC) und des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Rheinland-Pfalz zustande und wurde maßgeblich von CVC-Geschäftsführerin Dr. Barbara Jörg organisiert. Vertreter aus Landes- und Europapolitik sowie der Fahrzeugindustrie folgten ihr und diskutierten am Abend des 26. Novembers in der Landesvertretung von Rheinland-Pfalz in Brüssel, während am Vormittag die Europaparlamentarier sich die Köpfe über die CO2-Grenzwerte für Pkw heiß redeten. Das Gespräch leitete lastauto omnibus-Chefredakteur Thomas Rosenberger.

Mit Euro 6 sind Schadstoffe und Rußpartikel nahezu auf Null reduziert

"Mit der Euro-6-Einführung zum 1. Januar 2014 für Lkw hat die Branche den Ausstoß von Schadstoffen und Partikeln fast auf Null reduziert. Diese technologische Leistung verdient Anerkennung und Respekt", erklärte Eveline Lemke, Wirtschaftsministerin von Rheinland-Pfalz und Mitglied der Grünen. Angesichts festzulegender ambitionierter Klimaziele auf EU-Ebene dürften die Innovationsanstrengungen aber nicht nachlassen. Nun müsse der CO2-Ausstoß reduziert werden, forderte sie. "Die Industrie muss sich rechtzeitig darauf vorbereiten, die Leitprojekte im CVC seien ein gutes Beispiel dafür", sagte Lemke. Die Unternehmen aus Rheinland-Pfalz seien ganz weit vorn. "Wir müssen alle Technologien untersuchen – Aerodynamik, alternative Antriebe, rollwiderstandsarme Reifen, Leichtbau und mehr." Und es gehe auch um einen schonenden Umgang mit Ressourcen. Ein Thema das beim nächsten Industriegipfel der EU ganz oben auf der Agenda stünde.
Soweit wie bei den Pkw ist die CO2-Diskussion bei Lkw, Bussen und schweren Transportern sowie Sonderfahrzeugen aber noch nicht gediehen. "Bislang fehlte es uns an der Bezugsbasis. Aber mit Vecto haben wir nun ein Mittel dazu", erklärte Pavret de la Rochefordière. Vecto ist eine Software, die – grob gesagt – aus technischen Daten der Fahrzeuge und einer simulierten Route Verbrauchswerte ermittelt. Erste Tests haben laut dem EU-Kommissionsvertreter gezeigt, dass die so ermittelten Werte höchstens zwei bis drei Prozent von der Realität abweichen. Das sei ein sehr gutes Ergebnis. Auch Dr. Manfred Schuckert, Leiter der Abteilung Strategie Emissionen und Sicherheit der Nutzfahrzeugsparte von Daimler, bestätigte, dass es sich bei Vecto um ein sinnvolles und auch taugliches Werkzeug handle. "Wir haben die Entwicklung unterstützt, begleitet und mitgestaltet."

Europa kann nicht auf eine Verbrauchsregulierung verzichten

Jedenfalls könne Europa auf eine CO2-Regulierung auch bei Nutzfahrzeugen nicht verzichten, argumenteirte Pavret de la Rochefordière. Denn das erklärte Ziel der EU, den Treibhausgas-Ausstoß innerhalb ihrer Grenzen bis zum Jahr 2050 um mindestens 60 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 1990 zu reduzieren, lasse sich sonst nicht erreichen. Und dazu soll der Straßengüterverkehr beitragen, der etwa 23 Prozent der Treibhausgas-Emissionen im EU-Raum verursache. Für ein Viertel dieser Emissionen seien wiederum schwere Nutzfahrzeuge verantwortlich.

Zunächst einmal strebt die EU Transparenz bei der Beschaffung und dem dazugehörigen Fahrzeugvergleich an. "Wir geben den Kunden mit den CO2-Werten aus Vecto schon beim Fahrzeugkauf nachvollziehbare und realistische Verbräuche an die Hand", erklärte der DG-Klima-Vertreter. Das könne schon ab 2015 geschehen. Damit erklärte sich auch Michael Cramer, der für die Grünen im Europäischen Parlament sitzt und Sprecher der Partei im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr ist, einverstanden. "Wir brauchen unbedingt diese Transparenz", sagte er.

Schuckert wandte sich entschieden gegen verbindliche Grenzwerte wie sie bei Pkw und Transportern schon ausgemachte Sache sind. "Unsere Kunden entscheiden ohnehin nach betriebswirtschaftlichen Aspekten. Emotionen spielen anders als bei Pkw beim Lkw-Kauf fast keine Rolle!" "Mit verbindlichen Grenzwerten, die vielleicht auch noch überambitioniert beziehungsweise unrealistisch sein könnten, würden den Kunden aber erneut zusätzliche Kosten bei der Beschaffung auferlegt", kritisierte der Daimler-Experte.

Vorgaben der Politik nicht zu erreichen

"Diese Diskussion kennen wir doch schon. Das war doch bei Einführung der Katalysatoren für Pkw schon so. Die Industrie erklärt dann immer, dass die Vorgaben der Politik nicht zu erfüllen seien und dann klappt es doch", widersprach Cramer. Und forderte: „Wir brauchen starke Grenzwerte!“. Schuckert konterte: "Aber wir brauchen keine Überregulierung!"


Der Daimler-Mann widersprach Cramer auch, als dieser darauf verwies, dass die Industrie seit 1990 zwar die emittierten Schadstoffe reduziert habe, nicht aber den Verbrauch. Der Daimler-Stratege verwies auf objektive Verbrauchsmessungen von lastauto omnibus, die nachweisen, dass die Verbräuche über alle Marken hinweg seit 1990 um fünf bis sechs Prozent gesunken sind – zuletzt auch durch die neuen Euro-6-Modelle, und erläuterte, dass man den dort ermittelten Verbrauch zudem in Relation zu transportiertem Gewicht beziehungsweise Volumen setzen müsse. Und beides habe sich deutlich verbessert. Die Transporteffizienz sei also deutlich gestiegen und damit auch der Verbrauch pro Tonnenkilometer oder pro transportiertem Volumen.

Cramer fordert strenge CO2-Limits

Cramer will sich jedenfalls in einem zweiten Schritt auch für verbindliche CO2-Grenzwerte einsetzen. Pavret de la Rochefordière erachtet das auch als möglich, dank der Bezugspunkte, die Vecto nun darstelle. Der DG-Klima-Vertreter erachtet es zudem als machbar, für jede Art von Nutzfahrzeug einen Verbrauchswert anzugeben – zumindest nach einer gewissen Zeit. Von Anfang an werde das aber wegen der ungeheuren Vielfalt nicht machbar sein. "Bei der Einführung von Verbrauchsgrenzen werden wir auch Augenmerk auf ein geeignetes Kosten-Nutzen-Verhältnis haben", versprach er. Zudem sollen alle Antriebsarten in ihrer CO2-Bilanz von der Entstehung bis zum Betrieb und Entsorgung betrachtet werden – gerade bei Batterie-elektrisch-betriebenen Fahrzeugen ein spannendes Thema, da die Herstellung der Energiespeicher und die Beschaffung der dazugehörigen Rohstoffe wie Lithium sehr aufwändig ist.

Schuckert warnte, dass die möglichen zusätzlichen finanziellen Belastungen bei den Kunden und den Fahrzeugherstellern durch Verluste an Arbeitsplätzen bei Flottenbetreiber und Hersteller bezahlt werden müssten. Eveline Lemke, die auch für die Metropolregion Rhein-Neckar spricht, wo etwa ein Viertel der deutschen Nutzfahrzeugproduktion angesiedelt sind, erwartet einen Arbeitsplatzverlust allerdings nicht. "Eine gut gemachte Regulierung sorgt hier vor", argumentierte sie. Auch für sie gilt: "Die Innovationsanstrengungen dürfen nicht nachlassen!"

Die Schiene darf gegenüber der Straße nicht benachteiligt werden

Cramer, offen ein Befürworter des Gütertransports auf der Schiene, sieht ohnehin die Bahn gegenüber den Lkw im Hintertreffen. Nach seinen Aussagen wird der Lkw aktuell bevorzugt durch eine günstige Steuer- und Abgabenregelung. Er würde befürworten, die Schiene gegenüber der Bahn noch zu unterstützen. "Wir dürfen den Modal Split nicht zugunsten des Lkw verändern", sagte er. Wenn auch die Bahn ihren Strommix weiter zugunsten regenerativen Energien, die derzeit nach eigenen Angaben von 2012 24 Prozent wohingegen Kohle und Atomstrom zusammen knapp 66 Prozent ausmachten, ausbauen müsse.

Von derlei Diskussion etwas fern ist Podiumsteilnehmer August Altherr. Der Direktor des John Deere European Technology and Innovation Center ETIC wies darauf hin, dass es keine passenden Kategorien für Landmaschinen gibt. Denn hier sei nicht der Fahrantrieb entscheidend, sondern die Arbeit die an den Nebenabtrieben verrichtet wird. Und die falle sehr unterschiedlich aus. Ein Düngemaschineneinsatz sei beispielsweise kaum vergleichbar mit dem schweren Pflugbetrieb. Diese Fahrzeuge stehen aber laut Pavret de la Rochefordière nicht im Fokus der EU-Politik.

Dennoch hat sich Landmaschinenhersteller John Deere einige Gedanken um die Reduktion von CO2 gemacht. Smart-Energy-Farm nennt sich das Ergebnis der Gedankenspiele. Bei diesem Energiemanagementsystem stellt der Landwirt die Kraftstoffe und elektrische Energie für seinen Betrieb und seine Maschine selbst her. Das kann durch Solarzellen auf den Dächern der Betriebsstätte geschehen sowie durch die Herstellung von Diesel aus Rapsöl oder mithilfe von anderen biogenen Energieträgern wie Biogas. Eine zentrale Rolle spielen hierbei auch aufeinander abgestimmte Energiespeicher, die in vollständig oder teilweise elektrifizierten Landmaschinen zum Einsatz kommen. "Das Ziel ist ein CO2-neutraler Betrieb", erklärte Altherr. Das wäre sicherlich auch für alle Verkehrsträger im Güterverkehr ein hehrer Anspruch. 


 

Das Commercial Vehicle Cluster Südwest (CVC)

Das 2008 gegründete CVC ist vereint Fahrzeugindustrie, Zulieferer, Ingenieursdienstleister und Wissenschaft der Region Südwest einschließlich der Metropolregion Rhein-Neckar. Die Mitglieder tauschen sich über Ideen und Ergebnisse von Forschung und Entwicklung aus. Insgesamt zählt das Netzwerk 80 Partner. Die angeschlossene TU Kaiserslautern mit mehr als 150 Wissenschaftlern dient dem CVC als Denkfabrik. Seit 2011 setzt das CVC Leitprojekte um, die der Reduzierung des CO2-Ausstoß dienen. Ergebnisse dieser Arbeit sind unter anderem ein Müllsammelfahrzeug, das im Sammelbetrieb die CO2-Emissionen halbiert, elektrifizierte Nebenaggregate sowie CO2-Einsparungen bei landwirtschaftlichen Maschinen. Derzeit stellt sich das CVC auf den Wechsel vom europäischen Forschungsförderprogramm FP7 hin zu Horizon 2020 ein. Geschäftsführerin ist seit Gründung des CVC die promovierte Volkswirtin Dr. Barbara Jörg.

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