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BWVL "Die Herausforderungen sind riesig"

Jochen Quick, Christian Labrot, BWVL Foto: Bilski

Jochen Quick ist seit einem halben Jahr Präsident des Bundesverbands Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL). Zusammen mit Christian Labrot, dem Hauptgeschäftsführer des Verbands, zieht er ein Zwischenfazit und spricht über die weiteren Herausforderungen des Verbands.

trans aktuell: Herr Quick, wie erging es Ihnen während der ersten sechs Monate in Ihrem neuen Amt?

Quick: Die Arbeit ist wirklich hoch spannend und sehr interessant, ich staune immer wieder aufs Neue, was da alles auf mich einprasselt. Auch  mein persönlicher Zeitaufwand  für die Verbandsarbeit ist natürlich gestiegen.

Welches sind die Prioritäten für die nächsten Monate?

Quick: Die Herausforderungen sind riesig. Ich finde es unter anderem sehr wichtig, den Verband zusammen mit der Geschäftsführung auf die Zukunft vorzubereiten – hier möchte ich die Arbeit meines Vorgängers fortführen.

Können Sie dabei konkreter werden?

Quick: Ich kann mir vorstellen, unseren Mitgliedern neue Anreize und Angebote im Rahmen der Mitgliedschaft zu bieten.  Hinsichtlich der Politik ist es wichtig, dass Verbände stärker kooperieren und dort  gemeinsam Probleme präsentieren und Lösungen durchsetzen können.

Sie denken sowohl an Speditions- als auch an Transpor­teursverbände?

Quick: Alle, die im Wesentlichen mit Logistik und Güterkraftverkehr auf der Straße zu tun haben, haben ähnliche Probleme, Herausforderungen und Aufgaben. Jeder Verband hat unterschiedliche Schwerpunkte zu vertreten, aber es gibt viele Bereiche mit gemeinsamen Interessen.

Welches sind denn die größten Herausforderungen im ­Güterkraftverkehr?

Quick: Logistik auf der Straße umzusetzen ist heute nicht mehr so planbar wie vor einigen Jahren. Das liegt am Zustand der Infrastruktur, aber auch an Kostensteigerungen. Der Fahrer- und Fachkräftemangel ist nach wie vor ein Riesenthema, das die ganze Logistikbranche bewegt. Es gilt, attraktive Arbeitsplätze für die Zukunft zu schaffen.

Ist der Fahrermangel im Werkverkehr genauso brisant wie im gewerblichen Güterkraftverkehr?

Quick: Meiner Meinung nach muss sich jedes Unternehmen, das im Güterkraftverkehr tätig ist, der Problematik stellen. Gute Fahrer müssen gut bezahlt werden – egal ob im Werk- oder im gewerblichen Verkehr. Aber wir wissen alle auch, dass in der gesamten Transportbranche extrem knapp kalkuliert werden muss. Das steht im krassen Widerspruch zu einer höheren Entlohnung der Fahrer. Knappheiten müssen durch entsprechende Preis-, also Lohnsteigerungen, kompensiert werden – anders geht es nun mal nicht.
Labrot: Im Werkverkehr haben wir schon den kleinen Vorteil, dass wir im Vergleich zum gewerblichen Verkehr oft bessere Arbeitsbedingungen bieten.

Die Vorhersagen gehen dahin, dass der Werkverkehr zukünftig tendenziell abnimmt …

Labrot: Der Eigenverkehr ist auch eine Frage der Unternehmensphilosophie. Die Grenzen zwischen Werk- und gewerblichem Verkehr wurden, denke ich, fließender: Manche Firmen gründen beispielsweise ein Tochterunternehmen, das die Logistik übernimmt. Das sind immer noch dieselben Menschen und Maschinen, aber statistisch gesehen betreibt diese Tochter dann keinen Werkverkehr mehr.

Wie positionieren Sie sich in dieser Hinsicht als Verband?

Labrot: Wo und wie die Logistik durchgeführt wird ist eine strategische Entscheidung der Unternehmen. Letztendlich ist es uns als Verband gleichgültig, ob unsere Mitglieder die Logistik selber organisieren oder auslagern. Hauptsache, sie betreiben sie effizient. Sagen wir so: Das typische Mitglied hat immer noch seinen eigenen Fuhrpark.

Hängt die Entscheidung für oder gegen den eigenen Fuhrpark von der Branche ab?

Labrot: Im Lebens- und Genussmittelbereich ist der eigene Fuhrpark am stärksten vertreten. Dort möchte man dem Kunden das Gefühl geben, die Logistik kommt vollkommen aus einer Hand. Ein gewisser Teil an Eigenlogistik bedeutet auch Planungssicherheit – man denke nur mal an Pleiten von großen Dienstleistern.
Quick: Gerade das hat wohl vielen gezeigt: Gib die Logistik lieber nicht aus der Hand – eben weil sie auch ein Schlüssel zum Erfolg ist. In der Baubranche hingegen gab es beispielsweise vor einigen Jahren den Trend, zunehmend Werkverkehr in Güterkraftverkehr umzuwandeln. In meinen Augen wurde das nun aber nicht nur gestoppt, es entwickelt sich sogar wieder zurück. In anderen Branchen, wie zum Beispiel der Großindustrie, ist man vollkommen darauf eingestellt, mit Dienstleistern zu arbeiten.

Sie haben rund 1.400 Mitglieder. Ist dieser Wert über die vergangenen Jahre konstant geblieben?

Labrot: Wir haben leider Rückgänge zu beklagen. Das hängt auch mit einer zunehmenden Konzentration in der Branche zusammen. Die Mitgliederzahl von Verbänden zu halten ist heutzutage generell sehr schwer, neue Mitglieder zu finden ist noch viel schwerer. Man muss einen stark bezifferbaren Mehrwert bieten, um Firmen zu gewinnen. Interessenvertretung und Lobbyarbeit alleine ziehen nicht mehr.

Was wird 2013 zu Ihrem größten Thema?

Quick: Die wichtigsten Themen in diesem Jahr werden zweifelsohne die Mauthöhe-Verordnung und Mautspreizung. Hier muss ein guter Dialog zwischen Verbänden und Politik weitergeführt werden.

Labrot: Das übergeordnete Thema hierzu lautet: Mobilität muss bezahlbar bleiben. Sowohl für Industrie und Handel als auch für den Privatmann – auch wenn Letzteres nicht unbedingt unser primäres Thema ist. Wir leben in Deutschland schließlich von unserer Logistikinfrastruktur.

Betrifft Euro 6 Sie genauso stark wie den gewerblichen Verkehr? Ihr Autobahnanteil dürfte ja teilweise geringer ausfallen.

Quick: Das muss man differenziert sehen. Wir haben eine sehr heterogene Mitgliederstruktur aus unterschiedlichen Branchen. Unter bestimmten Bedingungen macht es durchaus Sinn, bereits vorab in Euro  6 zu investieren. Einige Unternehmen haben dies bereits getan. Auf der anderen Seite müssen aber auch längerfristige Anreize durch die Politik geschaffen werden, um Euro 6 vorzeitig für eine breite Masse interessant zu machen.

Labrot: Für uns ist es wichtig, dass eine Mautspreizung zugunsten von Euro 6 kommt. Zusammen mit der Politik sind wir hier auf einem guten Weg. Dabei wissen wir alle, dass Geld in die Kassen kommen muss, um die Verkehrsinfrastruktur zu erhalten. Wir werden daher auch nicht wegen eines Cents einen Aufstand machen. Viel wichtiger ist es aus Sicht der Unternehmen, eine langfristige Planbarkeit sicherzustellen. Die Maut sollte für einige Jahre festgeschrieben werden – so wird es für unsere Mitgliedsunternehmen einfacher zu kalkulieren und sie müssen nicht ständig ihre Planungen anpassen.

Hat, von Edeka mal abgesehen, der eine oder andere Werkverkehr schon Lang-Lkw in den Startlöchern stehen?

Quick: Es gibt viele Unternehmen aus unseren Reihen, die bei diesem Thema gerne mitmachen würden, aber nicht dürfen, weil ihr Bundesland den Feldversuch nicht unterstützt. Grundsätzlich stehen wir dem offen gegenüber und sind auch hier an einer offenen Diskussion interessiert. Was uns stört ist, dass hier von den Gegnern mittlerweile nur noch emotional getriebene Argumente vorgebracht werden. Wenn der Lang-Lkw unter wirtschaftlichen und umweltbezogenen Gesichtspunkten sinnvoll ist, muss man die Ideologie auch mal beiseiteschieben. Denn das Problem von überlasteten Straßen ist unbestritten und wenn wir drei Lkw durch zwei ersetzen können, ist das doch positiv zu bewerten.

Zu den Personen

Christian Labrot, Jahrgang 1953, studierte Volkswirtschaft mit Schwerpunkt Verkehrswirtschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität. 1979 schloss er seine Studien als Diplomvolkswirt ab. Seit 1990 ist Labrot Geschäftsführer des Bundesverbands Werkverkehr und Verlader (BWV), 1995 wurde er Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL). Labrot ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Jochen Quick, Jahrgang 1968, absolvierte eine Ausbildung zum Speditionskaufmann bei Rhenus in Köln. Ab 1990 studierte er an der Deutschen Außenhandels- und Verkehrsakademie in Bremen Verkehrswirtschaft und schloss 1992 als Betriebswirt ab. Seit 1997 ist er Geschäftsführer der Bauwirtschaftsspedition Quick und seit 2003 Mehrheitsgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer. 2002 wurde er Vizepräsident des BWVL, seit Mai 2012 ist er BWVL-Präsident.

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