Nach der Krise ist ein Risikomanagement wichtiger als zuvor. Eine Studie zeigt, wo es häufig in Speditionen noch hakt.
Die Wirtschafts- und Finanzkrise der vergangenen Jahre hat viele Unternehmer zum Handeln gezwungen. Die Reaktionen der Speditions- und Logistikbranche ähnelten sich, wie eine Studie der Hochschulen Fulda und Heilbronn zeigt: Fast die Hälfte der befragten Firmen reagierte mit personellen Maßnahmen, 44 Prozent passten ihre Kostenfaktoren an. Aber lediglich 22 Prozent gaben an, nach der Krise auch ihr Risiko-management neu aufgestellt zu haben. Dabei haben sich die Risiken 2011 im Vergleich zu 2008 nochmals deutlich geändert. "Im Vergleich zu 2008 ist heute das Personalrisiko für die meisten Unternehmen viel gravierender und daher von Platz vier auf Platz eins gerutscht", sagt Prof. Dr. Michael Huth. Der Dekan des Fachbereichs Wirtschaft an der Hochschule Fulda stellte eine Studie zusammen mit Handlungsempfehlungen auf dem dritten Kewill Zoll- und Logistikforum in Frankfurt vor. Schätzten die Unternehmen 2008/2009 vor allem die Themen Kunden und Energiekosten als Risiko ein, sind es heute Personal und operationelle Risiken. "Auch bei den zukünftigen Risiken bleibt Personal an erster Stelle", sagt der Wirtschaftsexperte.
64 Prozent der Befragten wollen Risikomanagement einführen
Als logische Folge wollen demnach 64 Prozent der Befragten ein Risikomanagement einführen. Rund ein Viertel jedoch will damit noch länger als zwei Jahre warten oder plant einen solchen Schritt erst gar nicht. Und das, obwohl mit 76 Prozent der Großteil der Befragten vom Nutzen überzeugt ist. "Geringere Forderungsausfälle und sichere Geschäftsabläufe sind nur zwei Punkte", betont Huth. Typisch für die Branche sei, dass bei den meisten Firmen das Risikomanagement in die Geschäftsführung eingebettet sei. Lediglich sieben Prozent der Unternehmen gaben an, dafür eine eigene Stabsstelle zu haben. "Die Ansiedlung in der Geschäftsleitung ist auch empfehlenswert, da die Vorgehensweise beim Risikomanagement ähnlich wie beim Controlling ist", erklärt Huth. Was draufsteht, muss nicht immer drin sein: Nachholbedarf hat die Branche demnach bei der Auswahl der betrieblichen Funktionen, auf die das Risikomanagement angewendet wird. "Es besteht eine Lücke zwischen den identifizierten Risiken und dem, was durch das Risikomanagement abgedeckt wird", sagt Huth. So sind Buchhaltung beziehungsweise Controlling, die Geschäftsführung und der Transportbereich bei den meisten im Fokus. Aber die von den Unternehmen selbst erkannten Risiken Personal und Einkauf - sprich: Energiekosten - werden längst nicht so regelmäßig betrachtet. Sogar im Lagerbereich findet das Risikomanagement häufiger Anwendung.
Risikomanagement ist selten durch IT unterstützt
Ein Manko ist laut Huth auch, dass innerbetriebliches Risikomanagement selten durch eine entsprechende IT unterstützt werde. Stattdessen nutzen die Firmen Tabellenkalkulation und selbst entworfene Datenbanken - "immerhin ein erster Schritt", sagt der Experte. Auch in puncto Unterstützung favorisieren die Unternehmen der Studie zufolge einige wenige Methoden, etwa Checklisten, Brainstorming oder die Mitarbeiterbefragung. Instrumente wie Risk Maps oder Risiko-Inventar verwenden die wenigsten: "Es existieren ausreichend Methoden, die derzeit kaum genutzt werden", kritisiert Huth. Unternehmen empfiehlt der Wirtschaftsprofessor auch das System FMEA (Failure Mode and Effects Analysis), das aus der Automobilindustrie stamme und ebenfalls in der Automobillogistik benutzt werde. "Das ist ein einfaches Tool, das alle Phasen des Risikomanagements unterstützt." Es ist also viel zu tun für die Speditions- und Logistikbranche. Huth empfiehlt, das Thema Risikomanagement aus Eigeninteresse anzugehen und es als regelmäßigen, strukturierten Prozess umzusetzen: "So hat man in der Zukunft einen Plan B in der Tasche."
DIE STUDIE
2008/2009 und 2011 befragten die Hochschulen Heilbronn und Fulda im Auftrag des Speditions- und Logistikverbands Hessen/Rheinland-Pfalz (SLV) und des Verbands Spedition und Logistik Baden-Württemberg (VSL) 70 Unternehmen der Speditions- und Logistikbranche in Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden Württemberg. Demnach verzeichnete als Auswirkung der Krise mehr als die Hälfte der Befragten einen teilweise erheblichen Auftragsrückgang, bei rund 30 Prozent verringerten sich Umsatz und Gewinn. Als Reaktion setzten 46 Prozent personelle, 44 Prozent finanzielle Maßnahmen ein, etwa die Anpassung von Kostenfaktoren. 27 Prozent führten operative Änderungen durch, um beispielsweise eine bessere Auslastung zu bekommen. Nur 22 Prozent gaben an, auch beim Risikomanagement etwas geändert zu haben, beispielsweise an der Frequenz, wie häufig Risiken gesichtet und bewertet werden.