Auf dem Weg zum automatisierten Fahren Fahrerassistenzsysteme sind nur die Vorstufe

Foto: BMW

Der Fokus der Veranstaltung "Fahrerassistenzsysteme – von der Assistenz zum automatisierten Fahren" lag auf dem Thema automatisiertes Fahren – inklusive aller Vorstufen und noch zu bewältigenden Herausforderungen.

Dr. Elmar Frickenstein, verantwortlich für das hoch automatisierte Fahren bei BMW, brachte es gleich zu Beginn auf den Punkt: "Wir sind 100 Jahre selbst gefahren – und morgen?" Darauf habe noch niemand eine verlässliche Antwort. Auch wenn er selbst beim neuen 7er-Modell des Münchner Autobauers einige wichtige Neuerungen sieht, wie etwa die Spurführung.

"Das ist ein erster guter Einstieg", sagte er. Doch vieles, was derzeit in Konzeptautos getestet werde, sei in der Serie noch nicht denkbar. Selbst die Navigation steckt hinsichtlich der Verkehrszeichenerkennung erst in den Kinderschuhen.

Frickenstein geht von einem disruptiven Wandel aus. So gebe es immer mehr Player. Als Beispiele nannte er Google, das größte Software-Unternehmen, das aber selbst kaum eine der Apps selbst programmiert oder aber Uber, der größte Taxi-Anbieter der Welt, der selbst aber gar keine Fahrzeuge sein Eigen nennt. 

IT und Autoindustrie nähern sich an

Bei der Automobilindustrie und der IT sieht er daher eine zunehmende Annäherung. Die anstehenden Herausforderungen könne die Autoindustrie nicht ohne die IT bewältigen. Für die Gegenseite gilt dies genauso. Bei der weiteren Entwicklung werde es aber keinen Big Bang geben. Frickenstein rechnet mit vielen kleinen Schritten, bis hin zum autonomen Fahren. Dafür müssten allerdings ein paar Voraussetzungen erfüllt sein. So brauche es die sogenannte Schwarmintelligenz ebenso wie auch hochgenaues Kartenmaterial. 

"Wir brauchen ganz dringend eine HD-Karte, diese ist überlebenswichtig", erklärte Frickenstein. Deshalb hätten Audi, BMW und Daimler zusammen den Kartendienst Here von Nokia gekauft. Dieses offene, unabhängige Kartenmaterial stehe natürlich allen zur Verfügung und nicht nur den drei OEMs.

Künstliche Intelligenz lernt mit

Ein weiteres entscheidendes Schlagwort ist für den BMW-Mann die künstliche Intelligenz. Denn ohne Machine Learning sei das autonome Fahren ebenfalls nicht möglich. Nur Anlernen allein führe nicht zum gewünschten Erfolg. So sei der neue BMW 7er so ausgelegt, dass er mittels Machine Learning die Verkehrszeichen erkennt. 

Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Onboard und Offboard. Daher gibt es laut Frickenstein auch eine Diskussion darüber, welche Dienste im Auto und welche außerhalb – in der Cloud – erfolgen müssen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der kommende Datenfunk-Standard 5G – und dass alle zusammen arbeiten "damit wir nichts vergessen".

Ob der Fahrer damit zum Passagier wird, dieser Frage ging Gerhard Steiger, Bereichsvorstand Bosch Chassis Systems Control, nach. Denn gerade beim automatisiertes Fahren schwirren ganz unterschiedliche Bilder und Zeitverläufe durch die Köpfe der Menschen, so die Einschätzung von Steiger.

Zahlreiche Faktoren beeinflussen Mobilität

Keine Frage der Einschätzung sind hingegen Fakten wie eine alternde Gesellschaft und eine zunehmende Urbanisierung. Aber auch der Klima- und der Energiewandel sind Treiber der aktuellen Entwicklung. All das habe Auswirkungen auf die Mobilität von morgen. Nicht zu vergessen die Verkehrssicherheit. Seit 2010 ist statt einem weiteren Rückgang eine Stagnation bei den Unfällen und den Verkehrstoten zu beobachten – zum Teil sogar eine Erhöhung. "Diese Stagnation zeigt, dass es neue Lösungen braucht", erläuterte Steiger.

Oft sei bei Unfällen dann von Unterforderung die Rede. Der Fahrer schaltet buchstäblich ab. Oder aber er war mit der Situation tatsächlich überfordert. Folglich müssten alle Systeme die richtige Balance finden, um entsprechend genutzt zu werden. Darüber hinaus ist der Fahrer selbst beim automatisierten Fahren eben nicht nur Passagier, sondern er kann, wenn er die Freude am (Selbst-)Fahren erleben möchte, zum Lenkrad greifen. In dem Fall gibt es noch immer die Assistenzsysteme, die etwa dann eingreifen, wenn plötzlich ein Hindernis auftaucht.

Aus Sicht der Sachverständigen, Versicherer und Werkstätten betrachtete Helge Kiebach, Projektingenieur beim KTI Kraftfahrzeugtechnisches Institut, die aktuelle Entwicklung. Kein Wunder, sind doch unter anderem mehrere Versicherer - aber auch die Sachverständigenorganisation DEKRA – Gesellschafter beim KTI.

Empfindliche Sensorik

Dabei steht vor allem eine Frage im Fokus: Was geschieht, wenn die Systeme aussetzen? Die Umfeldsensorik ist die Grundlage für jedes Fahrerassistenzsystem. Diese Sensoren sind aber natürlich stoßgefährdet. Erschwerend hinzu kommt, dass die Sensoren möglichst Design-neutral, also unsichtbar, verbaut werden. Oft sei daher gar nicht klar, wo diese sitzen und ob sie bei einer Kollision beschädigt wurden.

Ein typischer Schaden ist ein leichter Parkrempler. Da reiche es schon, mit vier km/h gegen einen Poller zu fahren. Dann ist der Sensor zwar noch unbeschädigt, aber er weicht von seiner zulässigen Einstellungen ab. Selbst ein verkratzter Stoßfängers kann dazu führen, dass das System nicht mehr ordnungsgemäß funktioniert. Wird der Schaden dann noch ausgebessert – mit Spachtelmasse und Lack - ist der Sensor und damit das Assistenzsystem womöglich unbrauchbar. "Im besten Fall gibt das System dann eine entsprechende Rückmeldung. Das ist aber nicht immer der Fall", berichtete Kiebach.

Aufwändige Kalibrierung nach Parkrempler und Steinschlag

Selbst wenn in der Folge ein neuer Stoßfänger verbaut wird, ist das nicht voraussetzungslos. Denn dann muss das ganze System neu eingestellt werden. "In der Werkstatt herrschen aber gänzlich andere Bedingungen als in der Produktion", sagte Kiebach. Alles muss manuell ausgerichtet werden und es braucht entsprechende Diagnosegeräte. "Eine halbe bis eineinhalb Stunden braucht es, bis so ein System richtig ausgerichtet ist."

Gleiches gilt übrigens bei dem Wechsel der Windschutzscheibe. Hier muss die Kamera neu kalibriert werden. Die Werkstätten müssen entsprechend für verschiedene Hersteller und Modelle die richtigen technischen Helfer haben, um alles einstellen zu können. Trotzdem rechnet Kiebach mit insgesamt sinkenden Werkstattkosten, da viele Unfälle vermieden werden. Selbst wenn gerade der Steinschlag auf der Windschutzscheibe nicht beeinflussbar ist. Da werde es immer einen gewissen Sockel an Fällen geben.

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