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Arbeitsrecht Bruchpilot ade

Lkw und Pkw auf einer Autobahn Foto: Alev Atas/ETM

Wenn alles Schadenmanagement im Fuhrpark nichts mehr hilft, bleibt als letztes Mittel oft nur die Kündigung des Fahrers, der ständig Schäden verursacht. Dabei gibt es einiges zu beachten.

Vor dem Jahreswechsel wird Bilanz gezogen – auch im Hinblick auf die Schäden im abgelaufenen Jahr. Unternehmen, die die Zahl ihrer Schäden verringern wollen, können mit gezieltem Risk Management einige Stellschrauben zu ihren Gunsten drehen. Wenn aber ein Mitarbeiter ein ausgemachter Bruchpilot ist, der scheinbar keinen Spiegel ganz lassen und keine Rampe sicher anfahren kann, wird es vielleicht Zeit, sich zu trennen.
Wann man in so einem Fall an eine Kündigung denken kann und wie man diese im Vorfeld vorbereiten sollte, darüber referierte Elisabeth Schwartländer-Brand, Rechtsanwältin und Mediatorin beim Arbeitgeberverband Spedition und  Logistik (AVSL) Baden-Württemberg, beim trans aktuell-Symposium Risk Management.

Verhaltensbedingte Kündigung

Will ein Unternehmen seinem Mitarbeiter wegen zu vieler Schäden kündigen, so bedeutet dies eine verhaltensbedingte Kündigung. Es stellt sich daher die Frage, ob das Fehlverhalten des Fahrers ein Kündigungsgrund ist. Ein guter Anhaltspunkt dafür ist die Frage der Fahrlässigkeit. Unter grobe Fahrlässigkeit fallen etwa das Tanken von Benzin statt Diesel, das Überfahren einer roten Ampel, ein Motorschaden, weil der Ölstand nicht überprüft wurde. Keine grobe Fahrlässigkeit hingegen ist, wenn der Fahrer bei Regen ohne überhöhte Geschwindigkeit von der Straße abkommt  oder eine Brücke beschädigt, weil er den Ladekran nicht ganz eingefahren hat.

Mehrere gleiche Fälle sind ein Kündigungsgrund

"Ein Kündigungsgrund kann es geben, wenn die Mitarbeiterakte mehrere gleich gelagerte Fälle mit Abmahnungen enthält oder ein besonders gravierendes Fehlverhalten nachzuweisen ist", erklärt die Rechtsanwältin. Wurden aber keine Abmahnungen erteilt, sondern nur mündliche Ermahnungen ausgesprochen, wäre eine Kündigung rechtswidrig.
"Ganz klar muss es hier immer eine Einzelfallprüfung geben", sagt die Rechtsanwältin. Wie schwer war der Verstoß? Wie hoch war der Schaden? Zudem seien bei der Kündigungsfrage auch Dinge mit in Betracht zu ziehen, die mit dem Arbeitsrecht eigentlich nichts zu tun hätten, wie die Zahl der Kinder oder die Dauer der Betriebszugehörigkeit.

Bei Fehlverhalten lässt sich Abmahnung erteilen

Was bei Fehlverhalten immer schon zu prüfen ist, ist das Thema Abmahnung. "Viele fürchten eine Abmahnung, weil sie unbequem ist", sagt Schwartländer-Brand. Sie plädiert aber dafür, bei jedem Fehlverhalten mit entsprechendem Schaden zu prüfen, ob sich eine Abmahnung erteilen lässt. Das sei für den Arbeitnehmer ein Signal, dass es so nicht weitergehe. Das habe den Vorteil, dass man vielleicht ein halbes Jahr später besser vorbereitet ist, sich  zu trennen. Wer in solchen Fällen aber keine Abmahnung erteile, sende das Signal aus, dass das Verhalten des Arbeitnehmers akzeptiert werde.
Was gehört in eine Abmahnung und wie muss sie aussehen? Laut Schwartländer-
Brand muss sie unbedingt darüber informieren, welches vertragswidrige Verhalten beanstandet wird. Zudem muss sie die Aufforderung zu künftigem vertragsgerechtem Verhalten enthalten. Als Warnfunktion dient die Androhung von Kündigung im Wiederholungsfall. Drei Elemente, die man sich für jede Abmahnung einfach merken kann. "Wenn man das nicht beachtet, hat man keine rechtlich brauchbare Abmahnung für eine spä­tere Kündigung."

Bei einer Abmahnung auf die Schriftform achten

Bei der Form plädiert Schwartländer-Brand für die Schriftform – denn nur sie enthalte den Beweis für die Hinweis-, Ermahnungs- und Warnfunktion. Befugt zur Abmahnung sind der Arbeitgeber und der Vorgesetzte, auch wenn er keine Kündigungskompetenz hat. Bei der Frist räumt Schwartländer-Brand mit einem Vorurteil auf: Auch vier Wochen nach dem Vorfall ist es nicht zu spät für eine Abmahnung. "Es gibt keine bestimmte Frist, aber natürlich macht es mehr Sinn, eine Abmahnung möglichst schnell auszusprechen."

Zahl der Abmahnungen für Kündigung nicht festgelegt

Auch über die Anzahl der Abmahnungen für eine Kündigung gibt es der Arbeitsrechtsexpertin zufolge viele Mutmaßungen. Tatsächlich ist aber für eine Kündigung keine Zahl vorgegeben. Als Faustregel gehe man bei leichteren Verstößen von zwei bis drei, bei schweren Verstößen von nur ein bis zwei Abmahnungen aus.
Aber Achtung: Die Chancen auf eine arbeitsrechtlich nicht anfechtbare Kündigung verringern sich bei einem Mitverschulden des Arbeitgebers. Das macht Schwartländer-Brand anhand eines Beispiels aus ihrer Anwaltstätigkeit deutlich: In dem Fall stellte ein Fahrer fest, dass die Anhängerkupplung nicht richtig funktioniert, und meldete dies beim Disponenten. Dieser gibt die Anweisung, schnell danach sehen zu lassen – aber die dringende Terminladung unbedingt heute noch zuzustellen. Der Fahrer entscheidet daher, die Sendung erst zuzustellen und gleich am nächsten Tag in die Werkstatt zu fahren. Auf der Bundesstraße aber verliert er den Hänger, was einen erheblichen Sachschaden zur Folge hat.

Die Firma kündigt dem Fahrer daraufhin. Der aber wehrt sich gegen die Kündigung – mit Erfolg: Zwar sieht das Gericht in dem Vorgehen des Fahrers ein gravierendes Fehlverhalten, das auch ohne Abmahnung ein Kündigungsgrund wäre. "Für das Gericht ist das Verhalten des Fahrers aber verständlich, weil er so unter Druck stand." Dadurch und durch die Anweisungen des Disponenten trage der Arbeitgeber ein Mitverschulden. Die Kündigung wurde als rechtswidrig abgewiesen.

Beispiele für das Mitverschulden des Arbeitgebers seien daher wie in dem angegebenen Fall der hohe Druck auf die Fahrer, eventuell gekoppelt mit Androhung von Konsequenzen wie Lohn- oder Prämienabzug. Oder die Anweisung des Disponenten zu rechtswidrigem Verhalten, die billigende Kenntnis, dass Vorschriften nicht eingehalten werden (etwa die unterlassene Fahrzeugkontrolle vor Abfahrt) sowie die mangelhafte Ausstattung des Fahrzeugs, wenn etwa eine Freisprechanlage für den Fahrer fehlt. "Das sind alles Dinge, die dem Arbeitgeber auf die Füße fallen können – selbst wenn sich der Fahrer grob fahrlässig verhalten hat."

Drei Tipps der Anwältin

Wer sich von einem Mitarbeiter trennen muss, dem gibt die Anwältin drei Tipps mit auf den Weg: 1. Bei Schadenverursachung prüfen, ob man eine Abmahnung erteilen will.  2. Die internen Anweisungen etwa im Fuhrpark überprüfen. 3. Sollte ein Rechtsstreit anstehen, sich darauf vorbereiten, alle Unterlagen sammeln! Dann stehen die Chancen besser, den Bruchpiloten loszuwerden und die Schäden zu verringern.

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Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
Rechtsanwalt Matthias Pfitzenmaier Matthias Pfitzenmaier Fachanwalt für Verkehrsrecht
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