ACEA-Gipfel in Brüssel Alternative Antriebe im Fokus

Foto: Illustration: Florence Frieser

Es gibt nicht eine CO2-arme Antriebslösung, sondern eine Vielzahl davon – abgestimmt auf den jeweiligen Einsatz. Dabei muss auch auf die wirtschaftlichen Anforderungen der Fahrzeugbetreiber Rücksicht genommen werden, die EU soll CO2-Vorgaben daher technologieneutral formulieren. So lautet das Fazit des ACEA-Gipfels in Brüssel.

Es gibt nicht das eine Nutzfahrzeug, es gibt nicht den einen perfekten Antrieb in Hinsicht auf CO2-Effizienz. Diese Botschaft hat der europäische Dachverband der Automobilhersteller im Rahmen der Veranstaltung "Powertrain Options for Commercial Vehicles" in Brüssel den anwesenden Vertretern aus Politik, Verbandswesen und Medien überbracht. Eine Phalanx von leichten und schweren Nutzfahrzeugen und Omnibussen mit unterschiedlichen Antriebslösungen vom batterie-elektrischen Antrieb über Dieselmotoren, die für den Betrieb beispielsweise mit Bio-Kraftstoffen freigegeben sind, bis hin zu Gasantrieben vor dem Tagungsraum untermauere diese Aussage, betonte der ACEA-Generalsekretär Erik Jonnaert.

Transportunternehmen müssen Geld verdienen

Der DAF-Chef und Vorsitzende des Nutzfahrzeugausschusses im ACEA, Preston Feight, betonte, dass die Vielfalt von Nutzfahrzeugen die der Pkw um ein Vielfaches übersteige. Deswegen müsse die Dekarbonisierungsstrategie für den Güter- und Personentransport auf der Straße mit Bedacht erstellt werden. Damit wolle er aber nicht bestreiten, dass die Dekarbonisierung richtig ist, erklärte Feight. "Es gibt wegen der Diversifikation der Nutzfahrzeuge und ihrer jeweiligen Einsätze aber kein Allheilmittel", argumentierte er. Nutzfahrzeuge seien Werkzeuge, die den Ansprüchen der Transportindustrie genügen müssten. "Nutzfahrzeuge müssen ihre Aufgabe kraftstoffeffizient und wirtschaftlich erbringen", betonte er. Das bedeute: vertretbare Betriebskosten und einen angemessenen Kaufpreis. "Die Transportunternehmen müssen am Ende Geld verdienen", sagte der DAF-Chef.

Dazu gehöre auch, dass ihre Antriebe nicht nur genügsam sind, sondern auch standfest. Sie müssten sich zudem für die Reichweiten im jeweiligen Einsatzsegment eignen. Das seien die Voraussetzungen für die Auswahl eines alternativen Antriebs beziehungsweise eines alternativen Kraftstoffs zum vorherrschenden Dieselantrieb, der für mehr als 90 Prozent der Antriebslösungen im Nutzfahrzeugsegment steht.

So kommt laut Feight der Elektroantrieb aktuell aufgrund seiner begrenzten Reichweite nur für den Lieferverkehr auf der letzten Meile zum Einsatz. Für den Fernverkehr brauche es andere Lösungen. Auch müsse auf die Nutzlast geachtet werden. Ein alternativer Antrieb dürfe diese nicht komplett aufzehren. Weiterhin brauche es eine flächendeckende Lade- beziehungsweise Tankinfrastruktur. Gibt es diese nicht, werde keine Flotte in den entsprechenden Antrieb investieren.

CO2-Ziele technologieneutral formulieren

Feight wies darauf hin, dass auch der Faktor Zeit eine große Rolle spielt und die Strategie kurz-, mittel-  und langfristige Ziele bestimmen muss. Um diese zu entwickeln, wolle die Fahrzeugindustrie eng mit den EU-Generaldirektionen (DG) Move (Transport) und Grow (Industrie) zusammenarbeiten. Bei alledem sei eines wichtig: Die CO2-Ziele müssen laut Feight technologieneutral formuliert werden. Bedeutet: Die EU soll nicht vorschreiben, welcher Antrieb wo zum Einsatz kommt. Das müsse vielmehr der Markt regeln.

Feight wies außerdem darauf hin, dass die Politik berücksichtigen muss, dass es neben dem Antrieb noch weitere Stellschrauben gibt, die es erlauben, den CO2-Ausstoß zu senken. Etwa: Fahrerschulungen in kraftstoffeffizienter Fahrweise, die Digitalisierung, um beispielsweise Leerfahrten zu vermeiden, und Zugkonzepte wie den Euro-Combi beziehungsweise Lang-Lkw, um pro Zugmaschine mehr Ladung zu transportieren. Mit einem Nebensatz wandte sich Feight gegen den E-Lkw mit Oberleitung. Die Errichtung der dazugehörigen Infrastruktur sei zu teuer.

Der Lkw muss seinen Beitrag leisten

Henrik Hololei, Generaldirektor der DG Move bestätigte, dass die Vorschläge der EU-Kommission zu einer möglichen CO2-Gesetzgebung technologieneutral erfolgen müssten. "Auch die DG Move weiß nicht, welcher Antrieb in Zukunft der Beste sein wird." Zugleich verwies er darauf, dass eine Dekarbonisierung mithilfe von alternativen Energieträgern eine Unabhängigkeit von Ölimporten bedeutet. Fest  stehe zudem: "Die Schadstoffemissionen im Güter- und Personenverkehr müssen gesenkt werden, der CO2-Ausstoß muss ebenfalls verringert werden. Der Lkw muss seinen Beitrag zu den CO2-Zielen der nächsten Dekaden leisten!" Der Anteil alternativer Antriebe in diesem Segment müsse gesteigert werden. Dazu gehöre der Gasantrieb genauso wie Elektrofahrzeuge.

Hololei betonte die Bedeutung von Bio-Kraftstoffen einschließlich Bio-Methan wie auch die sogenannten E-Fuels – synthetische Kraftstoffe, die mit Hilfe von Stromeinsatz erzeugt werden. Die EU dürfe auch nicht tatenlos zusehen, wie neue weltweite Player von außen in den Markt für Antriebslösungen einsteigen und womöglich das Rennen machen. Deswegen müsste die Kompetenz in der Batterieentwicklung und -fertigung nach Europa kommen. Es geht also um europäische Arbeitsplätze und damit um Wählerstimmen. "Hier muss die nächste Generation an Stromspeichern entstehen!"

Vielversprechende Ergebnisse der Platooning-Fahrten

Der Generaldirektor sagte zu, dass die EU für belastbare Vorgaben stehen muss, so dass sowohl für die Fahrzeughersteller wie auch die -betreiber Investitionssicherheit bestehe. Ein innovatives Anreizprogramm müsse den Umstieg flankieren. "Dazu gehört, dass die EU beim Ausbau der Versorgungsinfrastruktur unterstützt", erläuterte Hololei insbesondere mit Blick auf den Kraftstoff LNG (verflüssigtes Erdgas), der gerade im Fernverkehr in Mode kommt. "Die Antriebslösungen müssen sich am Ende ideal ergänzen, so dass für jedes Nutzfahrzeug, für jeden Bus und für die dazugehörigen Einsätze eine CO2-günstige Alternative zur Verfügung steht", schloss der Kommissionsmann. Darüber dürfe man aber nicht die Digitalisierung und Automatisierung vergessen. Insbesondere die Ergebnisse der ersten Platooning-Fahrten bezeichnete er als vielversprechend und überaus positiv. Er bezeichnete sich zudem als Verfechter des Euro-Combis.

Iveco: Wettbewerber ziehen bei LNG nach

In der folgenden Podiumsdiskussion mit Vertretern aller Lager (Fahrzeugindustrie, Politik, Verbände und Transportwesen) betonte Michele Ziosi von CNH, wozu Iveco gehört, die Bedeutung von Gasantrieben – insbesondere LNG – für schwere Lkw im Fernverkehr. Schon mit fossilem Erdgas sänke der CO2-Ausstoß um 20 Prozent, mit Biomethan gar um bis zu hundert Prozent – und die Betriebskosten seien ansprechend. "Wir freuen uns, dass inzwischen die Wettbewerber nachziehen und ebenfalls solche Fahrzeuge entwickelt haben", sagte er, wobei er damit auf die jüngsten Produktentwicklungen von Scania und Volvo anspielte. Er lobte auch die Iveco-Kunden, die in Vorleistung treten und mit eigenen finanziellen Mitteln LNG-Tankstellen gebaut haben. Sergio Barbarino, zuständig für die Forschung bei Procter & Gamble, ergänzte seine Erfahrungen aus dem EU-Projekt Transformers: "Würden wir alle unsere Transporte mit Distanzen von mehr als 300 Kilometern auf Schiffe und Züge verlagern, so blieben immer noch 60 Prozent auf der Straße übrig. Hierfür brauchen wir eine Lösung." Er forderte einen Durchbruch bei den alternativen Antrieben in den kommenden zehn Jahren, weil sonst das CO2-Ziel 2030 niemals erfüllt werden könnte. Er stellte in Aussicht, die Transportaufträge für Transporteure so zu gestalten, dass sie Freiraum für entsprechende Investitionen gäben.

Nach Meinung von Matthias Maedge, General Delegierter der IRU, wird der Dieselantrieb im Fernverkehr auch in ein, zwei Dekaden noch vorherrschend sein. "Wir brauchen also Dieselkraftstoffe, die eine günstigere CO2-Bilanz ausweisen als fossiler Diesel", argumentierte er. Für Maedge ist zudem LNG eine vernünftige Alternative zum Diesel. Die E-Mobilität sieht auch er nur als Alternative auf der letzten Meile. Maedge beschwerte sich bei Antti Peltomäki, Stellvertretender Generalsekretär der DG Grow, über die geringen Investitionen in die Straße. Dagegen ging das Gros der Mittel in die Schiene.

Unterschiedliche Einsatzprofile auch im ÖPNV

Die Redner der zweiten Diskussionsrunde befassten sich mit dem ÖPNV und leichten Nutzfahrzeugen. Auch hier war der Tenor: "Es gibt nicht die eine Lösung!" Auch auf der letzten Meile und im ÖPNV gibt es die unterschiedlichsten Einsatzprofile, wofür es auch unterschiedliche Antriebe brauche.

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