30 Jahre Liebe zum Detail Supertrucks - kultige Kisten

30 Jahre Liebe zum Detail, Wiesenhof Foto: © Sigi Reil 16 Bilder

Die Geschichte der Supertrucks: Was in Hinterhofwerkstätten begann, hat sich mittlerweile zu einer internationalen Profiszene entwickelt.

Ende der Siebzigerjahre wandelte sich in einigen Bereichen das Gesicht der damals noch westdeutschen Transportbranche. Eine kleine, überschaubare Gruppe von Fernfahrern begann, ihr Lebensgefühl und ihren Berufsstolz nach außen zu tragen. Für jedermann sichtbar, veränderte sich in der Folgezeit auch das Aussehen ihrer Nutzfahrzeuge. Mit ein paar Wimpeln hinter der Frontscheibe, Michelin-Männchen auf dem Dach sowie aufgeklebten oder auflackierten Zierstreifen ging’s los. "T.I.R.-Schilder", "fern-schnell-gut-Schriftzüge" und sämtliche Marken- und Typenbezeichnungen waren Kult. Chromblitzende Pressluftfanfaren und zahlreiche Anbauteile galten als Muss. Beeinflusst wurde die damals noch junge Szene natürlich auch durch die langen "Road Trains" aus Australien und die "Trucks" und "Trucker" aus den Vereinigten Staaten.

Truckertreffen belebten die Szene

Alsbald schossen in so kleinen Örtchen wie Geiselwind, Berg oder Nittenau die ersten Festivals aus dem Boden. Zur damaligen Zeit vermochten diese Truckertreffen samt Fahrzeugkonvoi noch wirklich jeden Einwohner hinter dem Ofen hervorzulocken. Der brave Bürger konnte ein paar Tage lang den Duft der weiten Welt schnuppern. Für gewöhnlich war an derartigen Wochenenden immer der ganze Ort in Aufruhr. Die kleinen Städtchen, über die die Fahrer mit ihren bunten Boliden hereinbrachen, standen Kopf.

Die Trucker bogen, schweißten und bemalten die Metallrohre und -bleche in den heimischen Werkstätten noch selbst. Spitzendeckchen oder Vorhangstoffe mussten als Schablonen für kunstvolle Lackierungen herhalten – professionelle Airbrush-Künstler gab es kaum. Im Übrigen wurde damals noch alles selbst an die Trucks geschraubt, was gerade so "in" und "notwendig" war. Am Ende seines Daseins erinnerte ein ehemaliger "Supertruck" oftmals mehr an einen löchrigen Schweizer Käse als an ein Nutzfahrzeug.

Fernfahrer: Männer wie Hünen

Aber waren es denn nur diese zwanglosen und oftmals unbedarften Anfänge, die den Trucks ihren besonderen Charme verliehen? Als elf- oder zwölfjähriger Bub schaute ich damals selbst mit meinen kindlichen Augen zu diesen stets wie Hünen wirkenden Fernfahrern auf. Mit verklärtem Blick bewunderte ich diese gestandenen Männer, die tagtäglich weitab von zu Hause und in fremden Ländern ihren Job verrichteten. Filme wie "Convoy" und "Auf Achse" hatten ja schließlich gezeigt, wie’s draußen zugeht.

Aber letztendlich nehmen die Achtzigerjahre nicht nur bei mir einen ganz besonderen Platz in der Erinnerung ein. Auch jeder, der damals mit dabei war, blickt noch gerne – teilweise sogar wehmütig – auf diese Zeit zurück. Komischerweise können sich viele an jedes noch so kleine Detail erinnern. Kurz angedachte Gespräche entwickeln sich hier meist zu nicht enden wollenden und herzlichen Fachsimpeleien.

Gestern noch Container, heute eine Bar

Die Trucks waren wilder und sie waren chaotischer. US-amerikanische Schlafkabinen nahmen hinter europäischen Fahrerhäusern Platz. Container wurden zu Schlafräumen oder zu gut bestückten Bars umfunktioniert. Manch herausragender Truck wurde sogar bis fast zur Unkenntlichkeit aufgerüstet und umgestaltet. Aber genau das machte den Reiz dieser Fahrzeuge aus. Neuigkeiten erfuhren die Bastler zu dieser Zeit nur aus persönlichen Gesprächen, durch einen Blick ins mitgebrachte Fotoalbum oder aus Nutzfahrzeug-Magazinen, die sich ebenfalls frisch auf dem Markt etablierten. Bisweilen wurde man auf Truckertreffen aber regelrecht von den Fertigkeiten und dem Fleiß der Kollegen überrascht. Viele Umbauten ereigneten sich noch im verborgenen Kämmerlein. Mangels Spezialwerkstätten und Zubehörlieferanten wurde zwangsläufig mehr in den eigenen Werkstätten gebastelt und gedengelt. Außerdem gab es noch kaum Mobiltelefone und schon gar kein Internet, wo man schnell hätte Informationen sammeln, eine Bestellung tätigen oder einen Kollegen um Rat fragen können. Gerade deswegen besaßen die Fahrzeuge wohl auch diesen besonderen und liebevollen Touch.

Unerreichter Scania 143H von Blondie

In der ersten Liga spielten von Anfang 
an die Trucks aus dem hohen Norden. Der Scania 143H von Blondie Logistic AB aus Kungsbacka ist bis heute unerreicht. Ein unendlich langes Fahrgestell, eine riesige Schlafkabine und Flügeltüren machten ihn einzigartig. Die Persönlichkeiten dieser Epoche – wie zum Beispiel Sven-Erik "Svempa" Bergendahl aus Schweden oder Henrik Guldager aus Dänemark – sind bis heute in der Szene tätig und drücken ihr immer noch fleißig ihren Stempel auf. Das gilt übrigens auch für unseren Sigi Reil aus dem Örtchen Bruck in der Oberpfalz.

Einen gehörigen Schub bekamen die bunten Nutzfahrzeuge noch einmal in den Neunzigerjahren, als auch die Industrie den Lkw als Werbefläche für sich entdeckte. Es folgte die Zeit der aufwendigen und komplett lackierten Lastzüge. Traumhafte Sattelzüge wie der "Bayerntruck" der Spedition Culina aus Aretsried oder der bunt bemalte Mercedes-Benz des fränkischen Kloßteigfabrikanten Henglein werden wohl für immer unvergessen bleiben. Gleichzeitig drängten diese Gesamtkunstwerke aber die "kleineren Schrauber" immer mehr in den Hintergrund. Heutzutage geht fast nichts mehr ohne Sponsoren oder Werbepartner.

Miniatur-Trucks sind ebenso gefragt

Doch nicht nur im echten Leben, auch in der Miniaturwelt sind die Supertrucks eine feste Größe geworden. Niemand konnte sich vor 30 Jahren vorstellen, dass sich einmal Fans und Sammler um die 87-, 50- oder 24-mal kleineren Miniaturen der bunten Kisten reißen würden. Hier entstand im Laufe der Zeit ein komplett neuer Industriezweig.
Trotz aller Perfektion ist bei den meisten Fahrern der Geist aus der Anfangszeit noch immer vorhanden. Die älteren Fahrer, die einst den Grundstein für die heutige Szene gelegt haben, geben ihre Begeisterung an die jüngeren Kollegen weiter. Sofern sich diese nicht schon selbst mit dem Supertruck-
Fieber infiziert haben.

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