25 Jahre Lkw-Technik Abgasgesetzgebung prägte die Lkw-Geschichte

Volvo 1992, Daimler 2017, 25 Jahre Lkw Foto: Karl-Heinz Augustin, Daimler, Montage: Monika Roller

Die Fortschritte und Meilensteine aus 25 Jahren Lkw-Geschichte im Überblick. Vor allem die Abgasnormen waren maßgeblich für die Entwicklung.

Der Blick zurück scheint wie ein Besuch in einem Museum. Denn aus heutiger Sicht wirkt die Lkw-Technik jener Jahre irgendwie antiquiert und es ist kaum vorstellbar, dass damals alles so einfach war und das Ganze, also der Lkw, trotzdem funktionierte – fast ganz ohne Elektronik und die dazu nötige Software. Aber mit viel Zutun des Fahrers. Denn anders wäre es nicht gegangen.

Ganz gemütlich und rein mechanisch geregelt schickte die damals übliche Reiheneinspritzpumpe den Diesel durch die großen Öffnungen der Einspritzdüsen. Ganz arg plagte sich der Fahrer mit teilweise sehr "luftigen" Schaltgestängen und musste zudem selbst entscheiden, welcher Gang jeweils der richtige war. Ganz sachte musste der Fahrer mit den Bremsen umgehen. Die Trommelbremsen jener Jahre hatten die unangenehme Eigenschaft, sich auszudehnen, je wärmer sie wurden.

Der Verstellweg der Bremsbeläge reichte dann allenfalls für eine leichtes Reiben an der Trommel, nicht aber für ordentliche Verzögerung. Die damals übliche Staudruck-Motorbremse versprach in einer solchen Situation kaum Verbesserung. Ihre Leistung erreichte maximal die Saugleistung des Motors, was in der gängigen Leistungsklasse für 150 bis 200 Kilowatt Bremsleistung sorgte. Kaum der Rede wert.

Früher war Lkw fahren deutlich weniger bequem

Ganz zu schweigen von der Ergonomie: Schalter waren da, wo Platz war, aber nicht, wo der Fahrer sie hätte erreichen können. Und überhaupt: Mehr als heute war der Fahrer gefordert, um einen Lkw sicher und wirtschaftlich zu lenken. Oder am Wochenende darunter zu kriechen, um die vielen Schmiernippel mit Fett zu vorsorgen. Ganz in den Kinderschuhen steckte zu dieser Zeit das Thema Abgase. Wer in den frühen 1990er Jahren vorausgesagt hätte, was die Abgasgesetze heute vorgeben würden, wäre nicht für voll – allenfalls im Sinne von voll für betrunken – genommen worden.

Beim Fahrkomfort oder anderen Annehmlichkeiten für den Fahrer sah die Sache ähnlich aus. Klimaanlagen, elektrisch verstellbare und beheizbare Spiegel standen zwar zumeist in den seitenlangen Aufpreislisten, doch kaufen wollten diese Extras nur wenige. Ähnliches galt für Komfortsitze, zusätzliche Geräuschdämmung oder bequeme Liegen.
Das also war der Stand der Dinge vor 25 Jahren als trans aktuell an den Start ging. Heute gelten jene frühen 1990er Jahre wohl als Zäsur in der Lkw-Entwicklung, weil die aufkommenden Abgasgesetze die Schwerpunkte der Weiterentwicklung trefflich beeinflusst haben. Mehr noch: Die Lkw-Entwicklung seit 1950 lässt sich in zwei Zeiträume fassen: vor und nach den Abgasvorschriften. Das freilich war damals noch nicht zu vermuten.

Nach 100.000 Kilometern gab's die metallene Plakette

Bis zur Abgasgesetzgebung hatten sich die Hersteller vor allem um Haltbarkeit und Verbrauch gekümmert. Und tatsächlich riesige Fortschritte gemacht. Damals bekam ein Lkw, wenn er denn 100.000 Kilometer geschafft hatte, eine metallene Plakette an die Haube. "Ein guter Wagen, ein guter Fahrer" war darauf zu lesen. Und wenn er Glück hatte, bekam der gute Fahrer sogar eine Uhr. Heute sind die Ölwechselintervalle länger als jene 100.000 Kilometer, die in jener Zeit Langzeitqualität versprachen.

Richtig große Sprünge (und zwar in die richtige Richtung) machte der Verbrauch. Als lastauto omnibus, die Schwesterzeitschrift von trans aktuell, in den 1960er Jahren mit vergleichenden Verbrauchsmessungen auf einer rund 800 Kilometer langen Messstrecke startete, schluckte ein Lastzug mal locker 55 Liter auf 100 Kilometer. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 55 km/h.

Es ist zwar physikalischer Unsinn, diese beiden Werte zu addieren. Wer es trotzdem tut, kommt auf 110. Bei dieser Zahl blieb es gut 25 Jahre. Mit dem Unterschied, dass sich die beiden Summanden  deutlich veränderten: Auf  35 (für den Verbrauch) und 75 (für die Durchschnittsgeschwindigkeit) im Jahr 1990. Die treibenden Faktoren hießen: Direkteinspritzung, Turboaufladung, Ladeluftkühlung, Dachspoiler, rollwiderstandsoptimierte Reifen und niedrigere Marschdrehzahlen.

Letzteres setzte kräftigere Motoren voraus, die dank Turboaufladung jetzt auch endlich verfügbar waren. Den Bestwert beim Verbrauch markierte vor der Abgasgesetzgebung der Scania R113 mit seinem Turbocompound-Triebwerk – einer zweiten Turbine im Abgasstrang, die via Hydrokupplung auf die Kurbelwelle wirkte und bei Vollast bis zu 40 kostenlose (mit Blick auf den Energieeinsatz) PS produzierte.

Euro 1 erschreckt die Entwickler

Und dann kam Euro 1. Und erschreckte die Lkw-Entwickler mit Vorgaben, deren Schärfe aus heutiger Sicht lächerlich gering erscheint. Die meisten Motoren-Entwickler hatten keine schlüssige Antwort, um die bestehenden Motoren zu säubern. Weil das Problem weniger den Ruß, dessen Entstehung sich mit Mehrlochdüsen und hohem Einspritzdruck weitgehend verhindern ließ, sondern die Stickoxide betraf, die umso mehr entstehen, je höher die Verbrennungstemperatur steigt, machte der Begriff Zielkonflikt die Runde.

Oder anders: Die bis dato übliche (und bewährte) Methode, mit hohen Verbrennungstemperaturen den Verbrauch zu senken, führte unweigerlich zu mehr Stickoxiden (NOx). In dieser Sackgasse blieb ein einziger Ausweg: nämlich jene halbseidene Maßnahme, den Förderbeginn (Einspritzzeitpunkt) in Richtung spät, also näher an den oberen Totpunkt des Kolbens zu legen. Drei, vier, fünf manchmal auch mehr Kurbelwellengrade waren nötig, um die Verbrennungstemperatur auf jenes Maß zu drücken, das die Stickoxide auf Euro 1-Vorgabe reduzierte.

Die Kehrseite: Ein vor allen Dingen bei hoher Motorlast deutlich steigender Verbrauch. Bis zu zehn Prozent mehr Diesel verlangten die Motoren bergauf fortan. Und die Kunden mussten es schlucken, getröstet davon, dass sich der Mehrverbrauch bei Teillast noch gnädig zeigte. Ein, zwei Prozent Zuschlag, mehr nicht. 14,4 g/kWh hieß die erste Obergrenze für NOx, die sich die Lkw-Hersteller noch Ende der 1980er Jahre selbst auferlegt hatten. Euro 1 schrieb wenig später jedoch nur 9,0, Euro 3 gar 5,0 g/kWh vor. Wie sollte das überhaupt machbar sein? Ganz zu schweigen von jenen, später festgelegten 0,4 g/kWh bei Euro 6.

Glück in dieser Situation hatte Volvo. Denn just zur Einführung von Euro 1 hatten die Schweden eine komplett neue Lkw-Generation parat – mit neuen Motoren, neuer Einspritzung und erstmals konsequent auf Aerodynamik getrimmt. Volvo FH hieß dieser Neuling, der – erstmals in Europa – mit einer elektronischen Einspritzung samt Pumpe-Düse-Elementen antrat. Nicht nur die immer noch gebauten Mercedes SK sahen daran gemessen arg alt aus. Euro 1 hatte quasi alle Lkw-Hersteller (außer Volvo) auf dem falschen Fuß erwischt. Und die machten sich jetzt an die Arbeit.

Alle wissen, dass noch schärfere Abgasregelungen kommen

Noch war von Euro 6 nicht die Rede, aber allen Beteiligten war klar, was auf sie zukommt: immer schärfere Vorschriften in Sachen Abgas (hauptsächlich NOx) und der daraus folgende Spagat, die saubereren Abgase und gute Verbräuche unten einen Hut zu bringen. Sie setzten dabei auf innermotorische Maßnahmen, statt auf eine Nachbehandlung der Abgase, die aufwändig und teuer erschien. Und tatsächlich reichten die neuen elektronischen Einspritzanlagen (Pumpe-Düse-Elemente, Einzelsteckpumpen), weiterentwickelte Turbolader, optimierte Verbrennung oder viele andere Verbesserungen, um die Euro 2- und Euro 3-Vorgaben zu erfüllen. Die damaligen Messverfahren – unter anderem der sogenannte 13-Stufen-Test – ließen auch reichlich Spielraum.

Letztlich mussten die Motoren nur an wenigen Betriebspunkten die Vorschriften erfüllen, also Euro 2-gerecht laufen. Was der Motor jenseits davon durch den Auspuff schickte, das interessierte wenig.Letztlich begann in jener Zeit ein zwei Jahrzehnte währender Kampf mit dem Ziel, die immer strengeren Abgasvorschriften zu erfüllen, ohne den Verbrauch zu erhöhen. Diese Vorgabe diktierte die Weiterentwicklung der Lkw.

Eine dieser Entwicklungsschritte war damals die Automatisierung der Getriebe. Halbwegs intelligente Rechner sorgten dafür, dass der Motor so weit und so lange wie möglich im optimalen Drehzahl- und Lastbereich arbeitete. Ein Getriebe, das dies besonders gut konnte, hieß I-Shift und stammte von Volvo. I-Shift war zugleich das erste Getriebe mit der heute allgegenwärtigen Eco-Roll-Funktion. Hinzu kamen Verbesserungen der Aerodynamik und letztlich Triebstrangoptimierungen mit längeren Achsübersetzungen, um die Marschdrehzahlen zu senken. Overdrivegetriebe und Außenplanetenachsen verschwanden aus den Fernverkehrsfahrzeugen und zogen sich auf ihr originäres Feld, die Baustelle, zurück.

Die Euro 4-Vorschriften zeigen: Nur innermotorische Maßnahmen reichen nicht mehr

Als dann die Euro 4-Vorschriften auf dem Tisch lagen, war schnell klar, dass innermotorische Maßnahmen alleine nicht mehr reichen, obwohl die aufkommende Common Rail-Einspritzung mit ihren flexiblen Möglichkeiten nochmals leichte Verbesserungen versprach. MAN setzte mit der Motorenbaureihe D20 bereits 2004 auf diese Einspritztechnik. Was dann auch  MAN und mehrere andere Lkw-Hersteller veranlasste, es doch noch einmal mit innermotorischen Maßnahmen, also hauptsächlich mit einer Abgasrückführung, zu versuchen.

Eine solche Abgasrückführung schickt einen Teil der Abgase zurück in den Brennraum. Weil sich dadurch der Sauerstoffgehalt der Verbrennungsluft reduziert, läuft die Verbrennung wenig heiß ab – mit positiven Auswirkungen auf die NOx-Entstehung. Aber auch mit negativen Auswirkungen auf den Verbrauch. Es war dieses lange Festhalten an der Abgasrückführung, die weitere Fortschritte beim Verbrauch vorerst verhinderten.
In Gang gekommen und quasi von der Abgasdiskussion diktiert waren zuvor schon heftige Aktivitäten bei der Entwicklung von neuen Motoren.

Bei Mercedes mussten die altgedienten Motoren der Baureihe 400 abtreten (später sogar die für den Actros entwickelte neue Baureihe 500), MAN brachte den neuen D20, Scania den DC13, Iveco die Cursor-Motoren und so weiter. Obenliegenden Nockenwellen und Vierventiltechnik etablierten sich im Lkw. Die Drehmomente stiegen kräftig, was wiederum längere Achsübersetzungen ermöglichte.

Ganz gestorben war die Sache mit den innermotorischen Maßnahmen selbst bei Euro 4 noch nicht. Bis Daimler sich vorwagte und den SCR-Kat für Euro 4 präsentierte. Die Triebfeder dafür mag gewesen sein, dass Euro 4 und Euro 5 zeitlich nur drei Jahre auseinander lagen. Warum also nicht gleich eine Technik für Euro 4 entwickeln, die dann auch für Euro 5 noch taugt? Die Überraschung gelang, die Wettwerber zürnten ob des Stuttgarter Sonderwegs.

Aber Daimler lag mit dieser Einschätzung goldrichtig. Hauptsächlich deshalb, weil sie den Zielkonflikt zwischen NOx und Verbrauch endlich auflöste. Die Motoren durften damit wieder heißen arbeiten, die dabei entstehenden Stickoxide verwandelt der SCR-Katysator mithilfe einer Harnstofflösung (Adblue) in harmlose Stoffe um. Aus heutiger Sicht war dies einer der wichtigsten Meilensteine in Sachen Abgasentwicklung. Erstmals seit Euro 1 ging der Dieselverbrauch merkbar zurück. Zu Ehren kam die Abgasrückführung erst wieder 2011 mit Euro 6. Quasi alle Lkw-Herstellern in Europa (Ausnahme: Iveco) setzen auf die Kombination von SCR, Abgasrückführung und Partikelfilter, um die nochmals verschärften Grenzwerte zu erreichen. Mittlerweile vollzieht sich eine schleichende Abkehr von der Abgasrückführung, die sich mit einem etwas höheren Adblue-Einsatz durchaus ersetzen lässt. 

Euro 6 als letzter großer Schritt

Euro 6 war dann auch der letzte große Schritt in Sachen Abgasreinigung, die bei den Herstellern jede Menge Kapazitäten gebunden hatte. Jetzt – auf einmal – war der Weg frei, sich richtig um den Verbrauch zu kümmern. Mit Erfolg, wie die Testergebnisse von lastauto omnibus und trans aktuell zeigen. Um gut zehn Prozent, teilweise sogar mehr, sind die Verbräuche seit der Einführung von Euro 6 gesunken.

Hauptsächlich dafür verantwortlich sind neue Fahrzeugkonzepte mit deutlich besserer Aerodynamik. Aber noch mehr sind es die vielen elektronischen Systeme, die an allen Fronten in Sachen Verbrauch tätig sind. Ein Beispiel der jüngsten Zeit: prediktive Tempomaten, die mit der Bewegungsenergie des Lastzugs "spielen". Dabei weicht das Tempo um einen vom Fahrer wählbaren Bereich vom eingestellten Tempomatwert ab und lässt einen Lastzug beispielsweise mit 78 statt mit 85 über eine Kuppe schieben.

Kombiniert sind diese klugen Tempomaten heute zudem mit der Getriebeautomatik und der Eco-Roll-Funktion. Und so profan es klingt – auch die gute alte Antriebstechnik trägt ihren Teil zum Dieselsparen bei. Viel Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen, Achsübersetzung in der Größenordnung von 2,5 zu 1 oder länger, optimierte Getriebe und Achsantriebe helfen, um dieses Ziel zu erreichen.

Es sind also die Abgasvorschriften, welche die Lkw-Entwicklung in den vergangenen 25 Jahren geprägt hat. Dazu zählen auch alternative Antriebe wie CNG/LNG, Hybridlösungen (Diesel-/Elektroantrieb) selbst im schweren Lkw. Diese Alternativen bleiben allerdings speziellen Einsätzen vorbehalten, auch wenn CNG-Pionier Iveco bereits tausende von Gas-Lkw verkauft hat.

Die Fahrerhäuser haben eine große Entwicklung durchgemacht

Eine gewaltige Entwicklung haben in jenen 25 Jahren auch die Fahrerhäuser durchgemacht – mit dem Ziel, dem Fahrer die Arbeit zu erleichtern und das Leben im Fahrerhaus zu verbessern. Von Belastung von Geräuschen, schlechtem Federungskomfort, mangelhafter Bedienung und schlechter Übersicht kann heute keine Rede mehr sein. Das Volumen der Fahrerhäuser wuchs bis an die Grenzen der möglichen Maße.  Hinzu kommen die vielen Sicherheitseinrichtungen vom Antiblockiersystem (eines der ersten Systeme) bis zum alles erkennenden automatischen Bremssystem.

Wie es weiter geht? Der Verbrauch, so viel ist klar, wird weiter sinken (müssen). Der Fahrer wird weiter entlastet – bis hin zum selbstfahrenden Lkw, in dem der Fahrer quasi nur noch die Funktion des Aufpassers hat. Und noch mehr Sicherheitssysteme werden im Lkw Einzug halten.

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