Rüdinger: Sagen wir so: Es war hart. Ich war als Wahlhelfer ja nah am Geschehen dran. Als CDU-Ortsverbandsvorsitzender war ich anschließend auf der Wahlparty des Landrats. Da war Zittern angesagt, weil der CDU-Direktkandidat aus dem Wahlkreis Hohenlohe temporär an zweiter Stelle lag. Für den Direkteinzug in den Landtag hat es mit einem Vorsprung von 0,9 Prozent der Stimmen am Ende dennoch gereicht.
Doch. Ich hatte die AfD auch auf 15 Prozent geschätzt. Das liegt daran, dass man die Ängste der Bürger nicht wahrgenommen hat. Wir haben viele Übersiedler im Betrieb. In Künzelsau und Öhringen gibt es Wohnbau-schwerpunkte für Übersiedler und in den entsprechenden Wahllokalen Ergebnisse von rund 50 Prozent für die AfD. Der Hohenloher AfD-Kandidat Anton Baron ist gebürtiger Kasache und trifft die Stimmung der Übersiedler.
CDU und SPD haben hier ein gemeinsames Problem. Die SPD erreicht Linksintellektuelle und einfache Arbeiter. Die CDU hat ebenfalls Übersiedler in ihrer Klientel, die traditionell aus Anerkennung für Helmut Kohl CDU wählen. Die Übersiedler haben Angst, dass sie in ihrer Position von den Neuankömmlingen verdrängt werden, die häufig nicht über die nötigen deutschen Sprachkenntnisse oder eine hinreichende Schulbildung verfügen.
Ganz einfach: Für Flüchtlinge gibt es öffentliche Fördertöpfe, die früher vielleicht mal den Übersiedlern vorbehalten waren. Die Übersiedler haben Angst, dass sie sich ihre Wohnungen nicht mehr leisten können. Kurzum: Sie haben brutale Verdrängungsängste. Wenn man dieser Klientel dann noch die innere Sicherheit wegnimmt, handeln sie irrational. Derjenige, der Pfefferspray kauft, neigt dazu, AfD zu wählen. Und wenn man das Gefühl hat, dass die etablierten Partien die innere Sicherheit nicht mehr gewährleisten können, bleibt man entweder der Wahl fern oder wählt eine nicht etablierte Partei. Der AfD ist es gelungen, in ganz großem Stil die Nichtwähler zu mobilisieren.
Das sind demokratisch legitimierte Kandidaten. Wenn wir deren Wähler nicht ernst nehmen, nehmen wir die Demokratie nicht ernst. Wir können doch nicht sagen: Das waren 15 Prozent Verrückte. Wie unterscheidet man dann unter unseren Mitmenschen, wer verrückt ist und wer nicht? Ich finde es jedenfalls nicht in Ordnung, jemanden gleich in eine rechte Ecke zu stellen, wenn er sagt, er fühle sich in Deutschland unsicher. Dieses Gefühl sollte man thematisieren – das hat man bisher nicht.
Ich habe kein Problem damit, mich mit der AfD zu unterhalten. Mit deren Wählern unterhalte ich mich täglich, da muss ich mich nur mit meinen Mitarbeitern unterhalten. Bei einem Übersiedleranteil von 40 Prozent in der Belegschaft kann man sich ausmalen, wie viele davon AfD gewählt haben.
Erstens ist es ihm wahrscheinlich relativ egal, was ich ihm rate. Zweitens wird es nicht viele andere Lösungen geben – wenn SPD und FDP nicht wollen. Man kann dann doch nicht in totale Realitätsverweigerung gehen.
Schnittmengen gibt es unter demokratischen Parteien immer. Nachdem ein grüner Verkehrsminister in einer kompletten Legislaturperiode kein Güterverkehrskonzept hinbekommen hat, wird ihm das vielleicht mit schwarzer Nachhilfe gelingen. Wo ein Vakuum ist, kann man leicht etwas füllen. Ernsthaft: Ich habe es mir im Staatsministerium bestätigen lassen, dass es kein Konzept der Landesregierung zum Güterverkehr gibt.
Erstens: Wir brauchen Logistikflächen in Stadtnähe. Sonst geht der Verkehr ungebündelt auf die Stadt zu. Das können wir an der A 81 beobachten, wo ein großer Logistikdienstleister seinen Fernverkehr in Richtung Stuttgart ab Ilsfeld komplett auf Kleinfahrzeuge zerlegt. Zweitens: Wir benötigen zusätzliche Straßen. Entweder erklärt man den Bürgern, dass sie ihre Mobilität einschränken müssen oder man baut Straßen. Am besten wären neue Autobahnen. Weil man die aber politisch nicht durchsetzen kann, braucht man breitere. Drittens: Es bedarf weiterer Ortsumgehungen. Wir müssen die Leute in der Stadt versorgen, aber wir brauchen doch keinen Durchgangsverkehr. Die Bürger wollen keinen Lkw in der Stadt und der Lkw will ebenfalls nicht in die Stadt.
Dazu gäbe es ein einfaches Konzept: Der Gewerbetreibende in der Stadt müsste verpflichtet werden, im Außenbezirk ein Warenpostfach zu unterhalten, an das die jeweiligen Lieferanten mit befreiender Wirkung anliefern können. Wir hätten den ungebündelten Verkehr dann bis zum Warenpostfach, und der jeweilige Betrieb müsste schauen, wie er seine Sendungen gebündelt und umweltverträglich zu sich in die Stadt bekommt.
Genau, wobei das nur funktioniert, wenn es auch beim Baurecht Bewegung gibt, der jeweilige Logistikdienstleister also am Stadtrand die nötigen Flächen bekommt. Bei Filialisten funktioniert das Konzept schon: Sie betreiben außerhalb der Stadt ihre Zentralläger, von denen die Ware gebündelt in die Stadt kommt.
Die Gewerbetreibenden in der Stadt haben bei der Logistik bisher ein Rundum-Sorglos-Paket. Es reicht ein Doppelklick und das Paket kommt direkt auf die Ladentheke. Deshalb dürfte es manch einer als unangenehm empfinden, wenn er seinen Warenfluss selbst organisieren müsste.
Aber ja. Der Einzelhändler könnte sich doch mit seinem Nachbarn zusammenschließen und den Citylogistiker beauftragen, ihn zum Beispiel morgens um 9 und nachmittags um 17 Uhr aus seinem Warenpostfach zu beliefern. So wie man einen Briefkasten einrichtet, damit der Postbote nicht bis in den siebten Stock steigen muss, so müssten die Gewerbetreibenden ein Warenpostfach einrichten. Nur so lässt sich in einer Wettbewerbswirtschaft der Güterverkehr in die Stadt bündeln.
Zur Person
Roland Rüdinger (53) ist seit 1999 Geschäftsführer der Rüdinger Spedition in Krautheim, er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Gewerbepolitisch engagiert sich der Unternehmer als Vorsitzender des Verkehrsausschusses der IHK Heilbronn-Franken, als Vizepräsident des Verbands Spedition und Logistik Baden-Württemberg, als stellvertretender Vorsitzender im Fachausschuss Landverkehre des Deutschen Speditions- und Logistikverbands und als Mitglied des DIHK-Verkehrsausschusses
Lang-Lkw im Einsatz
Standard gibt es im Fuhrpark der Rüdinger Spedition nicht – maximal den gemeinsamen Anspruch an die Fahrzeuge, damit XXL-Stückgut zu befördern. Die rund 140 eigenen Lkw umfassen Planentieflader ebenso wie Ultraleichtfahrzeuge mit zwölf Tonnen oder verlängerte Sattelauflieger mit 14,90 Meter Länge. Vor Jahren schon hatte sich Geschäftsführer Roland Rüdinger bemüht, die Flotte um den einen oder anderen Lang-Lkw anzureichern und bereits eine entsprechende Masterarbeit in Auftrag gegeben. Durch die Freigabe der A 81 in Baden-Württemberg nimmt Rüdinger seit 2. März am Feldversuch teil. Auf der noch nicht freigegebenen Zufahrt vom Firmensitz Krautheim zur Autobahn– eine Entfernung von 18 Kilometern – ist der Lang-Lkw konventionell unterwegs, aufgeteilt als Motorwagen und Sattelzug. Auf einem Parkplatz an der Autobahn wird zusammengesattelt. Die Streckenfreigabe dürfte in Bälde erfolgen. Rüdinger hat die Strecke von Krautheim zum Kombiterminal Schweinfurt zur Aufnahme ins Positivnetz beantragt.