Die Ampel-Koalition ist zerbrochen und die wirtschaftliche Lage Deutschlands bedenklich. Die Vertreter aus der Wirtschaft fordern nun einen klaren Neuanfang – aber auch Verlässlichkeit mit Blick auf frühere Zusagen.
BPEX hofft auf bessere Rahmenbedingungen für Mittelstand
„Das Aus der Ampel-Koalition bietet eine Chance, die Rahmenbedingungen für den Mittelstand in Deutschland substanziell zu verbessern. Aktuell stehen viele Unternehmen vor enormen Herausforderungen“, sagt Marten Bosselmann, Vorsitzender des Bundesverbandes Paket- und Expresslogistik (BPEX). Steigende Energie- und Personalkosten, wachsende Finanzierungshürden, eine stetig wachsende Bürokratielast sowie zusätzliche Berichtspflichten bremsen seiner Ansicht nach die wirtschaftliche Entwicklung und damit auch die Konsumfreude in Deutschland. Das zeige sich auch am Paketversand als Indikator. „Eine neue, handlungsfähige Regierung könnte den dringend benötigten Neustart für den Mittelstand bedeuten – vorausgesetzt, sie verfügt über eine stabile parlamentarische Mehrheit und die Entschlossenheit, die Wirtschaftspolitik aktiv zu gestalten“, erklärt Bosselmann. Notwendige Reformen, etwa zur Senkung der Energiekosten oder zur Förderung von Investitionen, bleiben wirkungslos, wenn sie nur angekündigt und nicht umgesetzt werden können. „Deshalb wäre eine schnelle Neuwahl der sinnvollste Schritt, um zügig politische Handlungsfähigkeit wiederherzustellen“, ist sagt der BPEX-Vorsitzende. Die Entscheidung von Verkehrsminister Wissing, im Amt Kontinuität zu sichern, findet er bemerkenswert und verbinden dies mit der Erwartung, dass die verbleibende Amtszeit für konkrete Fortschritte, die ohne parlamentarische Abstimmung umgesetzt werden können, genutzt wird.
BGA: Fortschrittskoalition erleidet Schiffbruch
Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) spricht vom Schiffbruch der Ampel. „Deutschland steckt fest, mitten in einem grundlegenden strukturellen Umbruch. Zugleich justieren sich die Pole der Weltwirtschaft zwischen den USA und China neu. Die Welt ist in Bewegung, doch wir bleiben stehen“, sagt BGA-Präsident Dr. Dirk Jandura. Aus der tiefen wirtschaftlichen Krise sei nun mutwillig eine politische Krise gemacht worden. „Diese Art von Führung hat niemand bestellt und niemand verdient. Statt unser Land durch diese schwere See zu lenken, gibt der Bundeskanzler das Steuerrad aus der Hand. Die selbst ernannte Fortschrittskoalition hat Schiffbruch erlitten. Jeder weitere Tag mit dieser Bundesregierung ist ein verlorener Tag. Wir fordern Neuwahlen, und zwar so schnell wie möglich“, kommentiert Jandura.
DVF: Investitionspakt für Planungssicherheit
„Das gestrige Aus der Ampel-Koalition bringt Unsicherheit in den Mobilitäts- und Wirtschaftsstandort, der aber gerade jetzt auf Planungssicherheit angewiesen ist“, sagt Dr. Florian Eck, Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums (DVF). Die angekündigten zusätzlichen Zukunftsinvestitionen im Nachtragshaushalt 2024 und im Bundeshaushalt 2025 würden dringend benötigt. Die Vertreterinnen und Vertreter der Bundespolitik stünden in der Verantwortung und in der Pflicht, im Sinne eines Investitionspaktes gemeinsam eine Lösung zu finden, wie diese Mittel verbindlich fließen können. Andernfalls drohe eine vorläufige Haushaltsführung in 2025, die Wirtschaft und Gesellschaft über viele Monate im Ungewissen lässt, wie es mit unserer Verkehrsinfrastruktur, dem Energie- und Digitalstandort, aber auch bei den Fahrzeug- und Gebäudeinvestitionen weitergeht. „Diese Unsicherheit bei Schlüsselinvestitionen können wir uns angesichts der globalen Situation schlichtweg nicht leisten. Die Situation zeigt auch, dass die Finanzierungsstrukturen dringend reformiert werden müssen, an planungssicheren Finanzierungsvereinbarungen und Fonds führt kein Weg vorbei. Das wird dann eine der ersten Aufgaben in der neuen Legislaturperiode sein“, erklärt Eck.
Güterbahnen: Finanzminister Kukies muss Nachtragshaushalt prüfen
Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) setzen in der Regierungskrise auf das Interesse aller Beteiligten, die Versorgung der Wirtschaft und die Verminderung der Treibhausgasemissionen mithilfe des Schienengüterverkehrs nicht zu gefährden. Stattdessen sollten die Ziele unter anderem des Koalitionsvertrages noch ernsthafter als bisher ins Visier genommen nehmen. Finanzprobleme, die durch einen fehlenden Haushalt 2025 und die Spätfolgen des KTF-Urteils des Bundesverfassungsgerichts auf die gesamte Schienenbranche zukommen könnten, stehen nach Ansicht des Verbands jetzt besonders im Fokus. Geschäftsführer Peter Westenberger, warnt vor kollektivem Stillstand und fordert vom designierten Bundesfinanzminister Jörg Kukies zu prüfen, ob mit einem Nachtragshaushalt bereits vereinbarte Ziele und Maßnahmen gesichert werden können. „Was wir nicht brauchen, ist ein monatelanger Stillstand. Die überwiegend mittelständische Güterbahnen-Branche könnte dabei unter die Räder kommen“, sagt Jandura.
BWIHK fordert Schlussstrich und klaren Fahrplan
Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) fordert einen Schlussstrich und einen klaren Fahrplan für die Zukunft: „Viel zu lange wurde sich eher darüber Gedanken gemacht, wie Geld verteilt wird. Viel zu lange wurde vernachlässigt, unter welchen Rahmenbedingungen das Geld erst erwirtschaftet werden muss“, erklärt BWIHK-Präsident Christian Erbe. Genau diese Rahmenbedingungen gehören für ihn wieder in das Zentrum politischen Handelns gerückt. Denn die deutsche Wirtschaft sei in die Rezession gerutscht, auch weil sich die Ampel nicht auf einen gemeinsamen Weg aus der Krise verständigen konnte. „Ich verlange nun einen klaren Fahrplan, wie das Land bis wann weiter regiert werden soll und welche Maßnahmen noch umgesetzt werden. Eine Hängepartie können wir uns schlicht nicht leisten – die politische Vertrauenskrise ist längst in der Breite unserer Betriebe angekommen“, sagt Erben.
BEM fordert: Klimaschädliche Subventionen abschaffen
Der Bundesverband eMobilität (BEM) sieht den Bruch der Ampel-Koalition hingegen als Chance: „Viele notwendige Maßnahmen im Bereich der Elektromobilität und emissionsfreien Mobilität wurden zuletzt durch Kompromisse innerhalb der ehemaligen Ampel-Koalition und eine veraltete Haushaltsplanung ausgebremst. Das Festhalten an der Schuldenbremse ohne Berücksichtigung der notwendigen Investitionen hat die Entwicklung stark behindert“, sagt Markus Emmert, Vorstand des BEM. Besonders das Zögern beim Abbau klimaschädlicher Subventionen wirke kontraproduktiv und widerspreche den Klimazielen. Eine progressive und entschlossene Wirtschafts-, Umwelt- und Standortpolitik könne Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Sicherheit nachhaltig fördern und Investitionsbereitschaft sowie Unternehmensansiedlungen im Einklang mit Klima- und Umweltzielen begünstigen.