Deutsche Mittelständler geraten unter die Räder: Spediteure beklagen Kontrollverlust

Deutsche Mittelständler geraten unter die Räder
Spediteure beklagen Kontrollverlust

Die Logistikunternehmer Köppen und Schaaf geißeln Missstände und Verwerfungen auf dem deutschen Transportmarkt. Das sind ihre Forderungen für mehr Fairness.

Spediteure beklagen Kontrollverlust
Foto: Köppen GmbH/Bay Logistik

Der eine bezahlt für seinen Parkplatz, der andere nicht. Der eine begleicht sein Bußgeld für zu schnelles Fahren, der andere bleibt straffrei. Der eine entlohnt nach Tarif, der andere im besten Fall nach Mindestlohn, was aber nicht hinreichend kontrolliert wird. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, wie im Gespräch mit den beiden auf Chemielogistik spezialisierten Unternehmern Michael Schaaf (53), Geschäftsführer von Bay Logistik aus Waiblingen bei Stuttgart, und Jochen Köppen (57), Geschäftsführer des Unternehmens Köppen aus Duisburg, deutlich wird.

Was die Unternehmer eint, ist einerseits ihr Engagement in der Chemielogistik und im Kombinierten Verkehr (KV) und ist andererseits ihr Kampf für faire Wettbewerbsbedingungen, eine Aufwertung der hiesigen Transport- und Logistikbranche und für vernünftige Löhne der dort Beschäftigten. Beide sind überzeugt, dass sich die Bedingungen für Ost und West im Jahr 17 nach der großen EU-Erweiterung nicht angeglichen, sondern sich die Verwerfungen und Missstände auf dem Transportmarkt weiter verschärft haben. Eindringlich fordern sie die Politik daher zu einer Kurskorrektur auf, die ihrer Ansicht nach durch geeignete ordnungspolitische Instrumente erfolgen sollte. „Wir haben durch die offenen Grenzen die Kontrolle verloren“, kritisiert Schaaf. Einmal habe Deutschland die eigene Interessenslage zugunsten des EU-Anschlusses vernachlässigt und hier die Regie abgegeben. Zum anderen sei auch die Kontrolle im direkten Sinne nicht gegeben – nämlich eine ausreichende Dichte an Checks von Sozialvorschriften, Kabotage und Mindestlohn. Das öffne illegalen Marktpraktiken Tür und Tor, weil das Risiko, erwischt zu werden, gering sei.

Einen Kontrollverlust prangert auch Unternehmer Köppen an. Es fehle nicht nur an Kontrollen, sondern auch an der Ahnung. „Ob die osteuropäischen Fahrer zu schnell unterwegs sind, den Anschnallgurt nicht anlegen oder an Baustellen auf der Mittelspur fahren – Ordnungswidrigkeiten können sorglos begangen werden, es droht kein Fahrverbot“, moniert er. Das Verhalten einiger Fahrer aus den Beitrittsländern auf Deutschlands Straßen gleiche fast schon einer Wild-West-Mentalität.

Die beiden Logistikunternehmer wollen diesen Zuständen ein Ende setzen. Köppen hat hierzu bereits einen konkreten Ansatz: Er fordert bei Verkehrsverstößen die Ablösung der Fahrer- zugunsten der Halterhaftung. „Wir müssen sie rigoros auch auf Unternehmer aus Osteuropa anwenden und die Ordnungswidrigkeiten ahnden“, erklärt der Wirtschaftsingenieur, dessen Unternehmen dieses Jahr 150 Jahre alt wird. Es könne nicht sein, dass geltendes Recht nur für 60 Prozent der Transportunternehmen gelte und der Rest außen vor bleibe. So hoch ist aktuell der Anteil der deutschen Lkw bei den Mautkilometern. Es gelte, alte Gesetze an die Zeit anzupassen. „Sie stammen aus den 50er-Jahren, seitdem hat sich der Schwerverkehr aber massiv verändert.“

Vor- und Nachläufe im KV der Kabotage unterwerfen

Um die Kontrolle zurückzugewinnen und um die Bedingungen für hiesige Unternehmen zu verbessern, ist nach Ansicht der beiden Praktiker ein ganzes Bündel an Maßnahmen notwendig. Handlungsbedarf sehen sie auch mit Blick auf den KV, der ihr Steckenpferd ist – für das Unternehmen Köppen mit Blick auf Vor- und Nachläufe und für Bay Logistik auch mit Blick auf die Hauptläufe. Der Unternehmer aus Nordrhein-Westfalen (NRW) beklagt die Zustände an den Terminals, wo Fahrer osteuropäischer Flotten unter fragwürdigen Bedingungen wochenlang campierten. Er schätzt, dass allein in NRW entlang der Rheinschiene dauerhaft 1.000 Zugmaschinen ausländischer Flotten stationiert sind. Das könnte sich allerdings nun ein Stück weit durch die Rückkehrpflicht für Lkw im Rahmen des EU-Mobilitätspakets ändern.

Der Unternehmer aus Baden-Württemberg wiederum ist auch in anderer Hinsicht alarmiert, was den KV angeht. Angesichts des niedrigen Frachtenniveaus auf der Straße verliere die Schiene in großem Stil Verkehre. „Wir haben allein im vergangenen Jahr rund 15 Prozent der Schienenanteile verloren“, berichtet Schaaf. In den vergangenen Jahren hatte sich Bay Logistik konsequent auf den Intermodalverkehr ausgerichtet und einen Pool von mehr als 1.000 Containern aufgebaut. „Selbst auf der Bahn-Rennstrecke Köln–Busto Arsizio sind osteuropäische Unternehmen auf der Straße tätig geworden“, sagt der Spediteur – zu Kilometerkosten, die keiner mehr nachvollziehen könne.

Dieser Entwicklung wollen die beiden Praktiker nicht mehr länger zusehen. Der Wettbewerbsdruck und die Missstände haben sich laut dem Wirtschaftsingenieur aus Duisburg und dem Diplom-Betriebswirt aus Waiblingen so stark zugespitzt, dass sie sich als Unternehmer zu Wort gemeldet und das Gespräch mit der Politik gesucht haben. Jochen Köppen veröffentlichte im Juni vorigen Jahres ein Positionspapier, in dem er die Schattenseiten des Kombinierten Verkehrs deutlich benannte und unter anderem die Behandlung der Vor- und Nachläufe als Kabotage forderte. Aktuell werden diese in Verbindung mit dem Hauptlauf als internationaler Intermodalverkehr angesehen und unterliegen nicht den Kabotage-Regeln.

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