Der Unfall im Gotthard-Basistunnel vom 10. August 2023 war für die Schweiz und die Schweizer Bundesbahn (SBB) ein einschneidendes Ereignis. Der Bahnverkehr war lange eingeschränkt, die Schäden waren mit 150 Millionen Franken (etwa 160,6 Millionen Euro) hoch. Der Abschlussbericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) hat gezeigt, dass ein nicht entdeckter Riss zum Bruch einer Radscheibe geführt hat. Ein solcher Bruch kann sich wieder ereignen. Während alle anderen Protagonisten im Bahnverkehr so weitermachen wie bisher, treten die Eidgenossen nun sozusagen als Korrektiv an den Start.
Beinahe-Unfälle von Güterzügen in Europa zeigen die Gefahr
Verschiedene Beinahe-Unfälle in Europa hätten laut SBB die Risikofaktoren für Risse und mögliche Brüche der Räder mit sogenannten LL-Sohlen (Flüsterbremse) aufgezeigt: zu geringe Durchmesser der Räder, Überhitzung der Räder durch Verbundstoff-Bremssohlen sowie zu lange Intervalle zwischen den Kontrollen.
SBB geht gegen systematisches Problem auf der Schiene vor
Der Güterverkehr auf der Schiene gehört grundsätzlich zu den sichersten Transportsystemen, heißt es seitens der SBB. Durch den Unfall sei jedoch ein systematisches Problem festgestellt worden. Systematische Probleme könnten allerdings nur durch entsprechende Vorgaben der zuständigen Behörden in der Schweiz und in Europa behoben werden. In den letzten Monaten habe sich die SBB daher im Dialog mit der Güterverkehrs-Branche und gemeinsam mit den beteiligten Partnern beim Bundesamt für Verkehr (BAV) eingebracht.
Vorgaben des BAV senken Risiko für erneuten Unfall
„Die SBB begrüßt die Vorgaben des BAV. Sie senken das Risiko für einen erneuten Unfall. Die Vorgaben müssen nicht nur von den Eisenbahn-Verkehrsunternehmen (EVU), sondern auch von den Instandhaltungsfirmen der Güterwagen eingehalten werden“, heißt es in einer Unternehmensmitteilung. Sicherheit stehe für die SBB an erster Stelle. Deshalb habe die SBB Anfang Juni 2025 auch angekündigt, aus dem Transport von Güterwagen mit LL-Bremssohlen auszusteigen. Die nun vom BAV erlassenen Vorgaben setze die SBB um. Sie ermöglichen es, weiterhin alle Güterwagen zu befördern, unabhängig von den verbauten Bremssohlen. Trotzdem setzt die SBB künftig zusätzlich auf verstärkte Kontrollen.
SBB europäischen Behörden zur Übernahme der Maßnahmen
Diese jetzt verfügten Vorgaben des BAV gelten für alle Eisenbahnverkehrsunternehmen und ihre transportierten Güterwagen, welche auf dem Schweizer Schienennetz verkehren. Außerhalb der Landesgrenzen zeigen die Maßnahmen wenig Wirkung. Die SBB ermutigt deshalb die europäischen Behörden, die schweizerischen Maßnahmen zu übernehmen.
SBB: Haftung im Schienengüterverkehr muss angepasst werden
Die SBB sieht darüber hinaus mittel- bis langfristig die Notwendigkeit, das Haftungsrecht im Schienengüterverkehr anzupassen, insbesondere wenn es zu Schäden wie Radbrüchen kommt. Eine angemessene Haftungsbeteiligung der Wagenhalter würde die Sicherheit im Bahnsystem weiter erhöhen: Sie hätten ein Interesse, mehr als nur das Notwendige in Überwachung, Instandhaltung und Modernisierung der Wagen zu investieren.
Diese Maßnahmen hat das BAV erlassen
- Das BAV verfügt, dass die relevanten Radsatztypen, die in der Schweiz unterwegs sind, mindestens einen Durchmesser von 864 Millimeter aufweisen müssen. Auf europäischer Ebene gilt heute ein Wert von 860 Millimeter.
- BAV schreibt kürzere Abstände zwischen den Wagen-technischen Untersuchungen vor. Je nach Typ von Bremssohlen und Durchmesser des Rades hat die Prüfung entweder nach 50.000 Kilometern oder nach 200.000 Kilometern zu erfolgen.
- Zudem wird geprüft, ob die Räder eine Hitze-Überlastung erlitten haben oder andere Schäden aufweisen.
- Schließlich soll noch die sogenannte Klangprobe erfolgen, um defekte Räder auszumachen.
- Zuständig für die Umsetzung dieser Maßnahmen sind die für die Instandhaltung verantwortlichen Unternehmen.