Braucht sein Mitarbeiter einen Actros mit 625 PS? Auf der Fahrt von Künzelsau (Hohenlohekreis) zu den deutschen Seehäfen eigentlich nicht. Weil gute Fahrer aber rar sind, müssen Unternehmer mehr denn je auf ihre Wünsche eingehen, weiß Rolf Hamprecht, Geschäftsführer der Spedition Hamprecht aus Künzelsau. Sechs seiner 26 Fahrer sind bereits in einem solchen Fernverkehrs-Flaggschiff unterwegs. Einen kleinen Vorteil beschert der 625-PS-Truck dem Chef am Ende dennoch: Der Fahrer ist eine halbe Stunde eher in Hamburg und schafft eine Abladestelle mehr.
Bei Hamprecht haben Fahrer ihren eigenen Lkw
Hamprecht bindet seine Mitarbeiter nicht nur in die Kaufentscheidung ein, der 64-Jährige überlässt ihnen auch das Fahrzeug. Heutzutage ist es eher die Ausnahme, dass Fahrer ihren eigenen Lkw haben und diesen sogar nach Hause fahren dürfen. Nicht einmal während der Urlaubszeit kommt ein zweiter Fahrer an Bord. Lieber lässt der Unternehmer den Lkw stehen, als Springer darauf einzusetzen – „wir wollen keine Schäden riskieren oder Kaffeeflecken auf den Sitzen haben“. Lieber verzichtet er in der Urlaubszeit auf Touren und damit auf Frachterlöse. Der Fahrer soll den Lkw so antreffen, wie er ihn verlassen hat.
Können sich Unternehmer das angesichts der wirtschaftlichen Zwänge überhaupt noch erlauben? Hamprecht ist überzeugt, dass Firmen gar keine andere Wahl haben, wenn sie weiterhin gute Mitarbeiter finden und halten wollen. „Es geht soweit, dass ich schon einen Mitarbeiter einstelle, ohne seinen Lebenslauf zu sehen“, sagt er. Das gelte auch im Fall einer schlechten Bewertung durch einen früheren Arbeitgeber. „Jeder Mensch kann sich im Lauf seines Lebens verändern und sollte eine zweite Chance bekommen“, betont Hamprecht.
Der Transportunternehmer ist neuer Vorsitzender des Verbands des Württembergischen Verkehrsgewerbes (VV Württemberg). Dort ist er seit Jahr und Tag aktiv: Er begann im Juniorenkreis, später engagierte er sich als Delegierter und seit einem Jahrzehnt als Leiter der Sparte Güterkraftverkehr. „Es ist nicht mehr so einfach, Unternehmer zu finden, die für ein Amt zur Verfügung stehen wollen“, sagt Hamprecht. Er will mit gutem Beispiel vorangehen – als Verbandsmann aus Überzeugung.
Ein starker Verband sei auch im Verbund des BGL Süd wichtig, unterstreicht Dr. Timo Didier, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied beim VV Württemberg. Im BGL Süd bündeln die drei BGL-Landesverbände in Baden, Württemberg und Bayern ihre Kräfte. „Der BGL Süd ist die starke Stimme im Süden, ein Kraftwerk, hinter dem mehr als 2.000 Transport- und Logistikunternehmen stehen“, sagt Didier. Zusammen organisiere man etwa die Vorstandssitzungen oder die Treffen der Spartenausschüsse. Eines der beherrschenden Themen bei den dortigen Gesprächen: der Fahrermangel.
„Damit beschäftigen wir uns im Verband ja schon sehr lange“, sagt Didier. Bereits 2007 habe man, um einem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, die Ausbildung stärker in den Fokus gerückt und eine Ausbildungsinitiative für Berufskraftfahrer auf den Weg gebracht, berichtet der studierte Jurist. Sie lief bis 2016 und sei ein voller Erfolg gewesen. „Seither fehlen jedoch Schulabgänger für Berufsausbildungen in allen Bereichen“. Daher sucht der VV Württemberg nun gemeinsam mit seinem badischen Pendant und der Arbeitsagentur nach neuen Lösungen.
Zum einen habe man sich darauf verständigt, den Bestand an potenziellen Fahrern genauer unter die Lupe zu nehmen. „Die Möglichkeiten sind angesichts der Vollbeschäftigung begrenzt“, sagt Didier. „Trotzdem wollen wir keine Möglichkeit verschenken.“ Einen zweiten, vielversprechenden Ansatz sieht er in der gezielten Anwerbung von Fahrern aus anderen EU- oder Drittländern. Hierzu ist der BGL-Landesverband mit der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Arbeitsagentur im Gespräch. Potenziale sieht Didier etwa in Spanien oder Osteuropa, wenngleich es auch dort schwieriger werde, Fahrer zu akquirieren. Das schränkt die Möglichkeiten der Arbeitsagentur ein – denn die betreffenden Länder müssen mit der Anwerbung einverstanden sein.
Das ist nur der Fall, wenn die Fahrer nicht dringend im eigenen Land benötigt werden. Weitere Hürden sieht der VV Württemberg beim Umschreiben des Führerscheins, der BKF-Qualifikation und mit Blick auf die Sprachkenntnisse. Wichtig sei auch der Integrationsgedanke. „Früher haben wir mit spanischen Fahrern die Erfahrung gemacht, dass sie später in ihre Heimat zurückgekehrt sind.“ Die Angebote in Deutschland müssten deshalb so attraktiv sein, dass die ganze Familie hierher ziehen könne, sagt Unternehmer Hamprecht.
Ob er mit der Akquise von Fahrern aus Drittländern nicht einem Lohndumping in Deutschland Tür und Tor öffnet? „Unsere Erfahrung sagt, dass es nicht zum Lohndumping kommt“, sagt der Verbandsvorsitzende. Aus einer Arbeitserlaubnis gehe klar hervor, dass die Anstellung zu hiesigen Beschäftigungsstandards erfolgen müsse. „Außerdem findet im Unternehmen ein reger Austausch statt“, sagt Rolf Hamprecht. Die Fahrer sprechen meist offen miteinander – und der Betriebsfrieden wäre bei einer Zwei-Klassen-Gesellschaft bei unterschiedlicher Vergütung im Unternehmen gefährdet.
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