Flege: Die Chemie stimmt zwischen den verantwortlichen Personen – und darauf kommt es an. Mit dem BGL pflegen wir einen partnerschaftlichen Umgang, übrigens nicht erst seit Beginn des Projekts Truck2Train. Bei Truck2Train gibt es ein gemeinsames Interesse, und wir können unsere Kräfte sinnvoll bündeln. Zur Kooperation gehört aber auch die nötige Ehrlichkeit. Das heißt: Man muss nicht immer einer Meinung sein und bringt die Unterschiede auch zur Sprache.
Engelhardt: Wir wollten schon länger ein gemeinsames Projekt in Angriff nehmen. Daher kann ich das nur bestätigen. Durch das Projekt lernt man sich noch besser kennen, und man kann weiteres Vertrauen aufbauen. Die ersten Projektergebnisse können sich sehen lassen. Mit den Ergebnissen unserer Umfrage legen wir den Finger in die Wunde; die Hürden für eine Verlagerung von Verkehren auf die Schiene werden sehr deutlich. Daraus wird auch klar, dass jeder seine Hausaufgaben zu machen hat, wenn wir die Schiene wirklich stärken wollen.
Flege: Mein Verständnis von guter Verbandsgeschäftsführung ist, dass man weiterdenkt, als es die aktuelle Stimmungslage wiedergibt. Wir müssen vorausdenken, die Zukunft gestalten. Befindlichkeiten oder Vorbehalte, egal ob von Vertretern der Schiene oder der Straße, mögen eine Momentaufnahme sein, dürfen aber nie der alleinige Maßstab für unser Handeln sein. Keiner sagt, dass Truck2Train einfach ist. Das Projekt ist ein Aufeinander-Zugehen. Wir Straßen- und Schienentransporteure sprechen durch jahrzehntelange Entfremdung unterschiedliche Sprachen. Unsere beiden Verbände müssen daher Dolmetscher und Vermittler gleichermaßen sein.

Engelhardt: Indem wir die Stärken beider Organisationen bündeln und der BGL zusätzlich noch seine Landesorganisationen einbringt, können wir zentrale Herausforderungen gemeinsam angehen – allen voran die Themen Klimaschutz und Fachkräftemangel. Eine Verlagerung von Verkehren hilft dem Klima und dem Fahrerberuf. Jeder Unternehmer freut sich doch, wenn er es seinen Fahrern ermöglichen kann, abends zu Hause zu sein, weil die Hauptläufe statt auf der Straße dann auf der Schiene stattfinden.
Flege: Die Zahlen machen deutlich, dass es aus den Reihen der BGL-Unternehmen erhebliches Potenzial für die Bahn gibt. 62 Prozent ihrer Verkehre sind länger als 300 Kilometer – das spricht klar für die Schiene. Und gleich hoch ist die Quote der Unternehmen, die den KV noch nicht nutzen – da gibt es also sehr viel Luft nach oben.
Engelhardt: Nein, alle Ansätze haben ihre Berechtigung und werden für die Verlagerung benötigt. Bewusst möchten wir auch Vermieter bei Truck2Train integrieren. Wir kooperieren hier mit TIP Trailer Services, sind aber offen für weitere Anbieter. Die Umfrage zeigt klar, dass kleine und mittlere Unternehmen meist nicht über kranbare Trailer verfügen. Außerdem gibt es eine Sorge der Unternehmen um ihr Equipment, wenn sie es der Bahn anvertrauen. Man schafft sich erst bahnfähige Trailer an, wenn man Vertrauen aufgebaut hat. Ein weiterer Punkt: Unsere Unternehmen haben schwankende Auftragseingänge, die natürlich auch die Nutzung des KV beeinflussen. Sich eine kranbare Flotte anzuschaffen, ohne die Sicherheit für den Einsatz zu haben, ist ein Risiko. Daher wäre es hilfreich, wenn man kranbare Trailer nach Bedarf mieten könnte. Das schafft die nötige Flexibilität. Und natürlich wollen wir auch alternative Umschlagtechniken nutzen und zulassen. Lassen wir alles, wie es ist, werden die großen, international tätigen Logistikdienstleister weiter KV machen, aber unsere Unternehmen nicht.
Engelhardt: Der BGL spricht sich dagegen aus. Die Gründe: Kranbare Trailer sind mit Mehrkosten und Mehrgewicht verbunden. Außerdem bedienen viele Unternehmen Relationen, die niemals für den KV geeignet sind und daher auch nicht den Einsatz von KV-fähigem Equipment erfordern.
Flege: Wenn wir in der Bestandsflotte von einem Anteil von deutlich mehr als 90 Prozent an nicht kranbaren Trailern reden, kommen wir an alternativen Umschlaglösungen gar nicht vorbei. Doch an den Umschlagtechniken wird die Zukunft des KV nicht scheitern. Genauso wichtig sind andere Punkte wie Vertrauen in die Schiene herstellen, Prozesse verbessern, die erste und letzte Meile organisieren, indem man Transportunternehmen für die Vor- und Nachläufe vermittelt, sowie administrative Dinge wie versicherungsrechtliche Fragen regeln. Natürlich geht es auch darum, mit Plattformen Transparenz über die Angebote zu schaffen. Den Punkt Miete haben wir bereits erwähnt und von Anfang an mitgedacht.
Flege: Wir möchten in einer neuen digitalen Logistikwelt Transparenz schaffen und die Komplexität beim Abwickeln von KV-Sendungen reduzieren. Wir wollen auf keinen Fall ein eigenes Portal auf die Beine stellen, das ist weder unsere Absicht, noch haben wir dahingehend monetäre Ziele. Was wir gemeinsam erarbeiten, wird vielmehr einfließen in IT-Portale Dritter, zum Beispiel sind wir sowohl mit Railflow als auch mit Modility im Austausch.
Flege: Es ist nicht so, dass alle Akteure mit wehenden Fahnen hinter uns stehen. Aber wir haben bereits wichtige Akteure an Bord, darunter Hupac, sodass am Ende etwas Gutes bei Truck2Train herauskommen wird und wir attraktive Pilotrelationen identifizieren können. Es gibt eben auch Partikularinteressen. Einige sehen Truck2Train gar als Bedrohung, was uns aber nicht davon abhält, das Projekt weiter voranzutreiben.
Engelhardt: Wir dürfen nicht vergessen: Auch die EVUs haben etwas davon. DB Cargo zum Beispiel kann damit auch das eigene Leistungsportfolio erhöhen, wenn über das Portal zum Beispiel auch Angebote für Vor- und Nachläufe zu finden sind – etwa zu einem Silonachlauf, der Spezialequipment benötigt. Wir können uns vorstellen, dass einige Unternehmen aus den BGL-Landesverbänden in ein Portal auch Angebote für Flächen stellen, die zum Beispiel Terminalbetreiber als Ausweichflächen oder Pufferlager für Container nutzen können. Auch das ist angesichts der Enge und Auslastung in den KV-Terminals ein echter Mehrwert.
Flege: Jeder kennt die erwähnten Vorteile und weiß, dass die Schiene der Umwelt hilft. Doch leider sind wir häufig auf der emotionalen und nicht auf der rationalen Ebene unterwegs. Wer auf der Straße verkehrt, steht ebenso im Stau, wie auch ein Zug Verspätung haben kann. Doch auf der Straße hat man das Gefühl, die Sache buchstäblich in der Hand zu haben – auch wenn man auf der Autobahn im Stau gefangen ist. Auf der Schiene dagegen fühlt man sich ausgeliefert. Insofern führen solche handfesten Vorteile leider oft nicht zu einem Umdenken bei der Transportentscheidung. Daher wird auch die Prämie allein keinen Run auf die Schiene auslösen. BGL und Allianz pro Schiene begrüßen sie dennoch. Hier sind wir nämlich wieder bei den Emotionen. Eine Prämie allein schafft keine Hürden ab, wird aber leicht verstanden und ist eine einfache Botschaft. Sie ist ein Kommunikationsinstrument und bringt Aufmerksamkeit. Das kann uns nur helfen.
Flege: Auf den ersten Blick charmant, allerdings benötigen wir dafür auch die notwendige Kontrolldichte.
Engelhardt: Für uns tut sich noch ein anderes, sehr gewichtiges Problem auf: Uns sind die fragwürdigen Zustände an den Terminals ein Dorn im Auge. Was sich dort abspielt, missfällt dem deutschen Mittelstand zutiefst. Wir sind gegen weitere Vorteile und fordern zudem eine konsequente Ausdehnung der Kabotage-Regeln auf die Vor- und Nachläufe. Nur dann können wir die Abwärtsspirale bei Frachten und Sozialstandards stoppen und mehr Fairness auf dem Transportmarkt erreichen.
Flege: Ich würde eher andere Anforderungen definieren. Die Frage müsste lauten, was die Bundesregierung tun kann, um das Silodenken zwischen den einzelnen Verkehrsträgern zu beenden. Wir wünschen uns, dass die Verkehrspolitik Verkehr und Mobilität ganzheitlich sieht. Der KV steht für mich stellvertretend für ein gutes Miteinander der Verkehrsträger, weil er immer nach der idealen Verzahnung strebt.
Engelhardt: Ganz konkret können wir uns vorstellen, dass das Bundesverkehrsministerium die Förderung bahnfähiger Trailer aus der De-minimis-Förderung herausnimmt und dafür einen eigenen Fördertopf aufsetzt. Denn bei De-minimis werden oft andere Dinge beantragt, und die maximal 33.000 Euro pro Unternehmen im Jahr sind dann schnell ausgereizt. Ein eigener Topf könnte einen weiteren Schub in Richtung KV-fähiges Equipment bringen. Dass ein solches Programm Anklang findet, hat das Ende Oktober ausgelaufene Förderprogramm zur Erneuerung der Nutzfahrzeugflotte gezeigt. Im Rahmen intelligenter Trailertechnologie gab es Zuschüsse für KV-Pakete.
Zu den Personen
- Dirk Flege ist seit Dezember 2001 Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, zuvor Geschäftsführer anderer verkehrs- und umweltpolitischer Verbände. Zwei Uni-Abschlüsse, Ausbildung zum Redakteur.
- Prof. Dr. Dirk Engelhardt leitet seit 2017 die Geschicke des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Von 2003 bis 2016 verantwortete er den Bereich Logistik der Genossenschaft RWZ Rhein-Main.