Jeden Morgen von Dienstag bis Samstag zwischen 6 Uhr und 6.30 Uhr auf einem dezentralen Terminal im Bayernhafen Regensburg: Vier Terminal- Zugmaschinen von Terberg stehen bereit. Die Fahrer erwarten die Ankunft des Helrom-Ganzzuges, der vor etwa zwölf Stunden in Lébény (Ungarn) gestartet ist. „Wie bei der Formel 1“, beschreibt Bruno Weissmann, Director of Sales bei dem Eisenbahnunternehmen Helrom, den Vorgang. Wenn der Zug eintrifft, setzt sich alles in Bewegung. Jeder weiß, was er zu tun hat – ähnlich einem Boxenstopp.
Seit rund fünf Monaten fährt der Helrom-Ganzzug im Rundlauf innerhalb von 24 Stunden von Regensburg nach Lébény und wieder zurück. Beladen ist er mit Batterien und Montage-Teilen für die Fahrzeug-Produktion des Automobilherstellers Audi. Die Zugverbindung ist ein Teil der Supply Chain des Herstellers mit Hauptsitz in Ingolstadt. Sie verbindet die Materialversorgung der Standorte Ingolstadt, Neckarsulm und Györ (Ungarn). Jeder Zug besteht aus 18 Wagen, auf die 36 Trailer des Logistikpartners Duvenbeck passen. Damit werden an fünf Tagen in der Woche 72 Lkw von der Straße auf die Schiene verlagert. Das reduziert die wöchentliche Lkw-Transportleistung um etwa 185.000 Kilometer und die jährlichen CO2-Emissionen um bis zu 11.500 Tonnen.
Trailer im Fokus – nicht Container
Von Beginn an standen laut Weissmann Trailer im Fokus – und nicht die im Kombinierten Verkehr (KV) üblichen Container. Helrom hat sich für die Trailer-Verladung eine schwedische Technologie erworben und zur Marktreife gebracht. Die Technologie ermöglicht es, alle Arten von Lkw-Sattelaufliegern ohne Spezial-Terminals und Kräne auf einen Zug zu verladen. Die größtenteils elektrisch betriebenen Terberg-Zugmaschinen dienen als Bindeglied zwischen den Lkw und dem Zug. Sie schieben die von der Lkw-Zugmaschine abgekoppelten Trailer in die beiden seitlich ausklappbaren Taschen, die jeweils einen Trailer transportieren. Ein Königszapfen sichert den Trailer auf dem Wagen.
Helrom lässt die speziellen Trailer-Wagen in Österreich und Polen herstellen. Die Produktionskapazität erhöht sich nach Angaben von Weissmann aktuell. Anfang des Jahres gab es einen offenen Zug von Wien nach Düsseldorf. Mittlerweile sind es schon drei Verbindungen, die das Unternehmen mit Sitz in Frankfurt am Main anbietet. Einen weiteren offenen Zug von Wien nach Braunschweig – und eben den Ganzzug für Audi. Bis Ende des Jahres sollen zwei weitere Verbindungen dazukommen.
Kein Start-up mehr, sondern ein Scale-up
„Von unseren Investoren erhalten wir viel Unterstützung, um unsere nachhaltige Transportdienstleistung zu skalieren“, sagt Weissmann. Investitionen benötigt das Unternehmen, das CEO Roman Noack 2018 als Start-up gründete, nach wie vor. Weissmann selbst ist seit dreieinhalb Jahren bei Helrom, zuvor war er fast 20 Jahre bei dem österreichischen Transportunternehmen Lkw Walter beschäftigt. „Ich habe das Potenzial erkannt und wollte etwas von Null aufbauen“, sagt Weissmann. Während seiner Zeit bei Helrom stieg die Anzahl der Mitarbeitenden kontinuierlich – von neun auf 180 in drei Jahren. „Mittlerweile sind wir kein Start-up mehr, sondern ein Scale-up“, so Weissmann.

„Uns war von Anfang an wichtig, konkurrenzfähig mit der Straße zu sein“, sagt Bruno Weissmann, Director of Sales bei Helrom.
Mit weiteren Automobilherstellern sei Helrom im Gespräch. Genauso wie mit der Lebensmittel- und Chemieindustrie. Denn auch Kühl- oder Silotrailer sind für die Helrom-Wagen geeignet. Gefragt seien vor allem Ganzzüge. Das Ziel bei allen Vorhaben laute: den Transport auf der Schiene maximieren und den Vor- und Nachlauf minimieren. „Uns war von Anfang an wichtig, konkurrenzfähig mit der Straße zu sein“, sagt Weissmann. Damit das funktioniert, müsse der Intermodalverkehr so einfach wie möglich sein. Bislang würden viele Unternehmen aber die fehlende Flexibilität und hohe Investitionen in Kräne oder Reachstacker abschrecken. Das hätten entsprechende Gespräche gezeigt.
Das Konzept von Helrom bezeichnet Weissmann als einfach und flexibel. Das liege vor allem daran, dass alles aus einer Hand sei. Dadurch lassen sich die Prozesse laut Weissmann leichter kontrollieren. Das Stichwort „Kontrolle“ fällt ohnehin häufig. Sie habe oberste Priorität. „Alles hat einen Plan“, sagt Weissmann. Audi könne zum Beispiel 24/7 einsehen, wo sich die Güter momentan befinden – der gesamte Prozess ist digitalisiert. Ihre Speditionspartner können die Verlader selbst wählen. Im Fall von Audi war das der Logistikdienstleister Duvenbeck mit Sitz in Bocholt.
Flexibilität unter Beweis gestellt
Seine Flexibilität stellte das junge Unternehmen im Juni dieses Jahres unter Beweis. Wegen des Hochwassers in Regensburg musste innerhalb von 48 Stunden ein neuer Standort am Bayernhafen her. Der Umzug ist geglückt und kein einziger Transport musste entfallen. Im August stand der dritte Umzug innerhalb weniger Monate an. Der neue Standort im Bayernhafen bietet eine bessere Stromversorgung. „Wir operieren nie auf den klassischen Terminals, sondern immer etwas abseits“, sagt Weissmann. Helrom lege Wert auf Unabhängigkeit, auch an öffentlichen Bahnhöfen wie in Regensburg.
Am Standort in Ungarn ist Helrom alleiniger Operateur. Das beschleunige die Abläufe. Weitere Standorte dieser Art sollen folgen. Momentan dauert der Be- und Entladevorgang zwei Stunden. „90 Minuten sind das Ziel“, sagt Weissmann. Am Bayernhafen Regensburg und an den anderen Standorten überwacht Claus Michaelis, Manager Trailer Hub bei Helrom, alle Abläufe. Er war auch am Aufbau beteiligt und versichert: „Es läuft alles reibungslos.“
Der Stopp in Regensburg ist gegen 10 Uhr beendet. Die Trailer warten auf dem Gelände auf den Transport durch Duvenbeck. Der Zug macht sich auf ins rund 500 Kilometer entfernte Lébény – wo derselbe Vorgang zwölf Stunden später wieder ansteht.
Das Unternehmen
- Roman Noack gründete Helrom 2018.
- Die Idee für die patentierte Technologie stammt aus Schweden.
- Aktuelle Verbindungen: Wien–Düsseldorf (offener Zug, Montag bis Samstag), Wien–Braunschweig (offener Zug, Montag bis Samstag), Regensburg– Lébény (Ganzzug, Dienstag bis Samstag)
- Helrom hat sich für den diesjährigen Deutschen Logistik-Preis der Bundesvereinigung Logistik (BVL) beworben.






