Die Antriebswende im Güterverkehr – eine Aufgabe, die wie keine andere derzeit die Transport- und Logistikbranche beschäftigt. Beim Zero Emission Summit von trans aktuell und der Schaeffler Gruppe diskutierten Praktiker und Experten über den Weg und die Mittel, um das Ziel eines emissionsfreien Transports zu erreichen.
Nach der IAA Transportation 2024 vor wenigen Wochen liegt laut Oliver Trost, Geschäftsführer des ETM Verlags, in dem trans aktuell erscheint, vieles auf dem Tisch – neue Innovationen, Produkte und Dienstleistungen der Fahrzeughersteller und Zulieferer. Jetzt sei es an der Branche, die entsprechende Strategie zu wählen – wobei die richtige Richtung des einen der Irrweg des anderen sein könne, sagte Trost bei der Veranstaltung im Sportpark Ronhof Thomas Sommer mit rund 160 Teilnehmer.
Erfolgreiche IAA Transportation
Die IAA Transportation, sagte Hildegard Müller, Präsidentin des Verband der Automobil-Industrie (VDA) in einer Videobotschaft zu den Anwesenden, habe die Stärken der Branche deutlich gemacht. Sie habe aber auch Herausforderungen des Standorts Deutschland gezeigt: „Ohne ein deutliches Gegensteuern droht uns eine schleichende Deindustrialisierung“, warnte sie.
Die Lkw-Branche sei in einer Schlüsselposition bei der CO2-Reduzierung, die Fahrzeuge seien serienreif. „Und jetzt kommt es darauf an, eine entsprechende Infrastruktur zu schaffen. Wir haben inzwischen oft genug deutlich gemacht: Ohne entsprechende Investitionen können selbst die besten Fahrzeuge ihr Potenzial nicht entfalten.“ Ganz Europa brauche möglichst bald ein dichtes Netz von Stromladestellen beziehungsweise Wasserstoff-Tankstellen. Hier müsse die neue EU-Kommission dringend ansetzen. „Die Spediteure wollen den Wechsel, aber fehlende Stromnetze bremsen dies aus“, sagte Müller und forderte „mehr Tempo und weniger Bürokratie“.
Bayern beispielhaft bei Ladepunkte
In einer weiteren Videobotschaft nannte auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Herausforderungen bei der Antriebswende: „Auch der beste Elektro-Truck nutzt nichts ohne eine verlässliche Ladeinfrastruktur“, erklärte er. Bayern will hier mit gutem Beispiel vorangehen: Für Pkw gebe es im Freistaat bereits 26.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte, damit sei jeder fünfte Ladepunkt Deutschlands in Bayern angesiedelt. Bis 2030 wolle man die Marke von 100.000 erreichen.
„Bayern ist ein Automobilland“, bekräftigte Herrmann. Das wolle man auch in Zukunft bleiben. Daher müsse man die Antriebswende aktiv gestalten. Die bayerische Landesregierung unterstütze die Unternehmen bei der Transformation, zum Beispiel den Fahrzeugbauer MAN mit 30 Millionen Euro bei Aufbau und Entwicklung einer Batterieproduktion in Nürnberg. Mit allen Mitteln wolle man verhindern, dass die Hersteller ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren. „Die Deindustrialisierung ist ein Schreckensszenario, das es mutig abzuwenden gilt“, betonte der CSU-Politiker. Ebenso kritisch sieht er das von der EU beschlossene Aus für Verbrenner. Herrmann setzt auf Technologieoffenheit, die auch dem Dieselmotor noch weitere Effizienzsprünge erlaubt.
Lösungen für die alternativen Antriebe aber auch für weitere Kraftstoffeinsparungen beim Dieselmotor bietet der Industrie- und Technologiekonzern Schaeffler, Mit-Gastgeber der Veranstaltung. „Eine erfolgreiche Transformation wird nur gelingen, wenn sie den Lkw enthält, weil in diesem Bereich auch die meisten Emissionen verursacht werden“, sagte Andreas Meissner, Vice President Strategic Business Unit Heavy Duty bei Schaeffler Automotive, einer der zehn Sektoren der Unternehmensgruppe.
Schaeffler-Angebot breit gefächert
Das Angebot der Sparte ist breit gefächert – von E-Motoren und Batteriekomponenten für BEV-Lkw über die neue vollvariable Ventilsteuerung iFlexAir für weitere Kraftstoffeinsparung bei Diesel- und Wasserstoff-Lkw bis hin zu einem neuen Leichtlauflager, das, im gesamten Lkw-Zug eingesetzt, die Reibleistung um zwei Prozent verringert und damit ebenfalls Kraftstoff einspart.
Der Verbrenner. so Meissner, ist noch längst nicht aus dem Rennen, „aber beim Thema CO2-Reduzierung wird es nicht ohne Elektrifizierung gehen“. Das Fahrzeug sei aber nicht länger die Komponente, die eine Transformation bremse – vielmehr sei es jetzt an Politik und den OEM gelegen, gemeinsam die Infrastruktur für die E-Lkw zu schaffen; die Politik müsse zudem für Spediteure einen verlässliche Korridor über mehrere Jahre schaffen, um die Investitionen zu erleichtern.
Dass Schaeffler nicht nur den Kunden beim Thema CO2-Emissionen im Blick hat, stellte anschließend Peter Egner, Leiter SCM & Logistik Automotive bei Schaeffler Automotive unter Beweis, denn die gesamte Wertschöpfungskette wird schon unter diesen Aspekt betrachtet. Pilotprojekte für eine CO2-optimierte Lieferkette zeigen, wie unter Einsatz von E-Lkw und Bahn sowie Schiffstransport mit Biodiesel CO2-Emissionen gesenkt werden – immer unter Betrachtung der Laufzeitveränderungen.
„Wir denken nicht nur das einzelne Produkt und den einzelnen Transport, sondern den gesamten Zyklus. Daher versuchen wir, noch stärker zu lokalisieren, wollen aber auch nah beim Kunden sein“, sagte Egner. Einfacher wird die Planung des Produktlebenszyklus und dessen Footprint auch durch den Schaeffler Transportation Data Cube. Die Plattform enthält laut Egner alle Daten zur Routen, Kosten, Lead Times, CO2-Ausstoß und mehr und kann vollautomatisiert eine Frachtkalkulation sowie auch einen digitalen Zwilling erstellen, um bei Störungen der Lieferkette schnell zu agieren.
Auf dem Weg in die Zero Emission Welt ist auch der Fahrzeughersteller MAN. Der Fokus liege auf klimafreundliche Antriebe, „aber wir arbeiten auch weiter an einem klimafreundlichen Verbrennermotor“, sagte Alexander Vlaskamp, CEO von MAN Truck &, Teil der Traton Group.
Enorme Anforderungen in einer Dekade
Bis 2030 müssen 50 Prozent der verkauften Lkw in der EU Nullemissionsfahrzeuge sein. Vlaskamp machte auf das „Labyrinth komplexer rechtlicher Rahmenbedingungen“ aufmerksam, durch das Hersteller und auch deren Kunden in den nächsten Jahre müssen: Flottenregulierung, Fahrzeugsicherheitsvorschriften, Nachhaltigkeitsberichtpflichten, die CO-Besteuerungspflicht – „eine enorme Herausforderung innerhalb einer Dekade“.
MAN ist entsprechend aufgestellt: die Serienproduktion für den MAN eTruck in München gestartet, ein eigenes Hochvoltbatteriewerk in Nürnberg, Kooperationen zum Aufbau von Ladeinfrastruktur. Für den Erfolg der Dekarbonisierung brauche es diese magische Formel, sagte Vlaskamp: Sattelzugmaschinen und Fahrgestelle in vielen Konfigurationen, ausreichend Infrastruktur, vor allem im Depotbereich, und genügend erneuerbare Energien. „Es braucht daher eine Gesamtorchestrierung der Branche, auch durch die EU-Kommission.“
Nicht zu vergessen ist der TCO-Faktor, die Kunden wollen mit den Fahrzeugen ja Geld verdienen. Hier mache der E-Antrieb im Vergleich zur Wasserstoff-Brennstoffzelle noch länger das Rennen. Zum einen wegen der Investitionskosten, zum anderen wegen der Effizienz, etwa dank Rekuperation. „Europa wird in Zukunft mehr wie die Niederlande sein – flach“. Keine Angst vor Steigungen also, ganz im Gegenteil: 39 Prozent Energierückgewinn führt laut dem CEO zu einer schnellen Akzeptanz des E-Lkw-Einsatzes. Die TCO-Parameter für E-Trucks sieht er bei Kunden bei zwischen 15 bis 25 Ct/kWh Stromkosten,
eActros auf Effizienz getrimmt
Wie MAN sieht sich auch Daimler Truck in der Verantwortung, die CO2-Emissionen sowohl bei der Produktion als auch bei der Nutzung der Produkte zu senken, und zwar gemeinsam mit Zulieferer und Kunden. Laut Christian Wilz, CEO Mercedes-Benz Trucks & Fuso Germany, setzt der Hersteller bei seinem neuen Fernverkehrs-Lkw eActros 600 voll auf Effizienz, durch Verbesserungen beim Antriebsstrang, der Aerodynamik und der optimalen Abstimmung von Software und Hardware auf das vollelektrische Fahrzeug. „Wir müssen beginnen, nicht nur in Reichweite, sondern in Energieeffizienz zu reden, die spielt künftig eine größere Rolle“, sagt Wilz.
Auch Wilz benennt eine Gewinnformel – Produktangebot, Kostenparität und die Infrastruktur bestimmen die Geschwindigkeit der Dekarbonisierung. Bei den Produkten sieht Wilz keine Probleme, im Rahmen einer Null-Emissions-Strategie setze Daimler Trucks sowohl auf batterieelektrische als auch wasserstoffbasierte Antriebstechnologien, beides könne je nach Anwendungsfall bei Kunden die bessere Lösung bieten. Effizienz habe etwa der Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw GenH2 Truck bewiesen, der mit einer Ladung 1.000 Kilometer weit gefahren sei; gleichzeitig habe Mercedes-Benz schon die wichtigsten Fahrzeugsegmente elektrifiziert.
Statt Förderungen fordert Wilz für die Anwender Unterstützung beim Thema CO2-Preise und Energie sowie Infrastruktur – die bisherigen Pläne zeugen laut Wilz davon, dass öffentliches Laden nicht die schnelle Lösung für die Dekarbonisierung sei.
Partnerschaften ergänzen Portfolio
Wie man sich der Herausforderung null Emissionen auch stellen kann, zeigte Andreas Busacker, CFO des Trailerherstellers Schmitz Cargobull, auf. Das Familienunternehmen setzt auf externes Wachstum, also globale Partnerschaften und Akquisitionen, und auf Innovationen, um das eigene Produkt- und Serviceportfolio zu ergänzen. Dazu gehören für Schmitz Cargobull als Vollsortimenter bei Kühlgeräten nachhaltige Lösungen entlang der Kühlkette, wie das sS.CU d80 ePTO ready als Hybridgerät, das vollelektrisch betrieben werden kann, aber Diesel als Backup möglich macht und somit ideal für die Transformationsphase und den Übergang zur E-Mobilität ist, wie Busacker sagte. Aber auch ein Pilotprojekt mit deutschen und spanischen Unternehmen, das die EcoDuo-Kombination – eine Zugmaschine mit zwei Standard-Auflieger – hervorgebracht hat. Die Fahrzeugkombination eignet sich mit 32 Metern Länge und bis 44 Tonnen Gewicht vor allem für den Kombinierten Verkehr und spare deutlich CO2-Emissionen ein.
Nicht weniger wichtig ist laut Busack eine sinnvolle Gesetzgebung: Jeder sei angehalten, das Gespräch mit seinem Abgeordneten und anderen Vertretern zu suchen und die Interessen der Branche zu vertreten – auch im Sinne der Nachhaltigkeit.
Reifenindustrie setzt auf KI
Die Megatrends Elektrifizierung und Digitalisierung bedeuten auch für die Reifenindustrie viel Arbeit – mit positivem Nutzen für die Kunden, erklärte Guy Heywood, europäischer Vice President for TBR Marketing &Sales bei Hankook Tire Europe. Die neuen Fahrzeugreihen sind schwerer und haben ein höheres Drehmoment und verlangen daher nach Reifen mit weniger Rollwiederstand, damit längere Strecken möglich sind. Der Reifenhersteller setzt daher auf neue Entwicklungsmethoden – Supercomputing und KI für die Herstellung eines digitalen Prototyps, der auf einem digitalem Lkw auf einer digitaler Straße getestet, wird, nachhaltige, recycelte Materialien und neue Technologien wie 3D-Druck für die Laufflächenformung, damit sich die Laufflächen regenerieren können. Alles ermöglicht eine höhere Leistung – bis zu 20 Prozent besser als die vorherige Generation, „ein echter Wendepunkt“.
Vom Reifen zu den Felgen geht auch das Thema Nachhaltigkeit weiter. Dr. Stefan Schmidt, Technical Manager Truck & Bus OEM und Felix Sellmann, Director Marketing EMEA &Global CRM Systems, beide von Alcoa Wheels, machten deutlich, dass auch hier CO2-Emissionen eingespart werden können „Ein Alurad hat gegenüber einem Stahlrad einen besseren CO2-Footprint, und das während der gesamten Lebensdauer“, sagte Schmidt, von der Produktion bis zum Recycling. Nachgewiesen wurde zudem ein Sprit-Einsparpotenzial bei einem Testlauf in Zusammenarbeit mit der Sachverständigenorganisation Dekra auf dem Lausitzring: Die dokumentierte Kraftstoffeinsparung betrug demnach 1,29 Prozent/100 Kilometer – nur durch den Tausch der Felgen. Neue Legierungen machen die Felgen zudem leichter und stärker, wodurch die Last erhöht werden.
Nachhaltige Transportlogistik geht aber auch anders. Florian Linsinger, Business Development Manager Bio-LNG bei Shell Austria, machte auf die Vorzüge des Kraftstoffes aufmerksam. „Mit Bio-LNG sind schon heute 100 Prozent CO2-Einsparung möglich – anders als mit batterieelektrischen Strom aus deutschem Strommix, da sind es aktuell nur 60 Prozent“.
Bio-LNG, also Biomethan aus Gülle, Mist, Stroh und landwirtschaftlichen Abfälle, sei zudem zertifiziert und die Einsparung nachweisbar. Laut dem Kraftstoffexperten sind in Deutschland schon 90 Prozent des Marktes auf Bio-LNG umgestellt. Im TCO-Vergleich zum Diesel ist Bio-LNG demnach laut Linsinger absolut wettbewerbsfähig zum Diesel.
Dass Investitionen in die Nachhaltigkeit sich auch rechnen, zeigte die sich anschließende Verleihung des Eco Performance Award 2024. Der Preis, der dieses Jahr zum 17. Mal verliehen wurde, zeichnet unterschiedliche Unternehmen aus, die sich im Dreiklang von Ökonomie, Ökologie und sozialem Engagement besonders hervortun - und sich damit auch zukunftsfähig machen. Ausgezeichnet wurden in den Kategorien Start-ups, KMU (bis 249 Mitarbeiter), Großunternehmen (ab 250 Mitarbeiter) und Innovationen folgende Unternehmen: Clover Optimization, Getränkefachgroßhandel Voßkamp, Rüdinger Spedition und PTV Logistics.