"Wollen Logistikprofil stärken"

"Wollen Logistikprofil stärken"

Doreen Paesold-Runge von WP Holding im Interview – Wachstumsfelder Logistik und Batterierecycling

"Wollen Logistikprofil stärken"
trans aktuell: Frau Paesold-Runge, 2024 wird allgemein kein leichtes Jahr für die Transportbranche. Wie sieht es bei der WP Holding aus?

Vor den Ferien war immer noch viel zu viel Laderaum auf dem Markt, die Kunden schrauben an den Preisvereinbarungen. Seit Corona gibt es keine Planbarkeit mehr, und die Schwankungen finden nicht mehr im Laufe des Jahres, sondern von Monat zu Monat statt. Wir sind aber in Transport und Spedition breit aufgestellt – vom Sammelgut über Schwergut- und Volumentransporte bis zu Abfall -und Gefahrguttransporten. Zudem übernehmen wir für DHL Systemverkehre.

Wie sieht der WP-Fuhrpark aktuell aus?

Wir haben aktuell 444 Lkw und damit einen leichten Überhang, der sich aus der Corona-Zeit, den Lieferengpässen bei den Fahrzeugen und den daraus verlängerten Leasingverträgen ergeben hat. Auslaufende Verträge werden wir daher nicht sämtlich erneuern, um wieder auf die Vor-Corona-Zahl von 350 Fahrzeugen zu kommen, ergänzt durch eine gewisse Menge an Mietfahrzeugen. Das ist die Flexibilität, die wir anstreben. Nur gibt es da aktuell die Herausforderung, dass die Vermieter inzwischen keine Verträge mit vier Wochen Kündigungsfrist anbieten, sondern eher 12-oder 24-Monats-Verträge pushen – auch sie merken die konjunkturelle Lage.

Haben Sie nicht die Befürchtung, bei einem Aufschwung mit zu wenig Fahrpersonal dazustehen?

Wir hatten eigentlich bislang kaum Probleme, Berufskraftfahrer zu bekommen. Rund 80 Prozent unserer 600 Fahrer kommen aus Polen. Sie arbeiten in einem Schichtmodell: Drei Wochen fahren sie durch, eine Woche sind sie zu Hause – das ist attraktiv für die Fahrer.

Ihr Schwerpunkt liegt auf dem Bereich Automotive. Wie sieht es aktuell da aus?

Der Schwerpunkt ist natürlich am Firmensitz auch standortbedingt – Zwickau war schon immer Automobilregion. Im Bereich Transport sind wir neben der Aufgabe als Gebietsspediteur für die Automobilindustrie auch im Bereich Recycling stark, das übernimmt unser Tochterunternehmen Erlos Produktion und Montagen. Aus den Automotive-Werken werden etwa Kunststoff-Abfälle aus der Produktion entsorgt und dem Recycling zugeführt, zudem alle Kunststoffabfälle aus den Partnerwerkstätten wie Einhausungen, Lampen, Stoßstangen. Ein starker Wachstumsmarkt ist das Batterierecycling. Hier kommt beispielsweise auch unsere Strategie, unseren Kunden Dienstleistung aus mehreren Bereichen anzubieten, gut zum Tragen.

Was macht WP da?

Wir holen direkt bei den Werkstätten fast aller Fahrzeughersteller gebrauchte Lithium-Ionen-Batterien ab, sogar bis hinauf nach Skandinavien. Aktuell läuft auch eine Anfrage eines koreanischen Herstellers. Dafür haben alle Fahrer einen ADR-Schein, und die Erlos hat für viele Länder die entsprechenden abfallrechtlichen Zertifizierungen. Die weitaus größte Menge kommt aber direkt von den OEM. Die Batterien gehen dann in die Aufbereitung. Am Standort Schönfels steht eine neue Recycling-Anlage vor der Inbetriebnahme, die fast voll automatisch die so genannte Schwarzmasse gewinnen kann, künftig rund 3.500 Tonnen pro Jahr. Wir gehen aber noch einen Schritt weiter und überlegen, ob dieses Granulat, das ja wertvolle Stoffe enthält, als Rezyklat wieder in Batterien eingebracht werden kann. "Aus dem Auto in das Auto" also. Beim Kunststoffrecycling liegt die Quote bei mehr als 80 Prozent. Wieso sollte man bei einem Reinheitsgehalt der schwarzen Masse von 98 Prozent das also nicht wieder in die Fertigung neuer Batterien einbringen?

Und in der Logistik?

Da ist Automotive tatsächlich der umsatzstärkste Bereich. Wir übernehmen etwa für einen Fahrzeughersteller im Aftersales-Bereich am Standort Zwickau die europäische Räder- und Reifenlogistik. Seit 2012 habe wir dort eine Radproduktionsanlage, mit der wir Kompletträder produzieren – die Autohäuser geben im Rahmen ihres Kundenauftrages die Bestellung an uns weiter, und wir produzieren dann beispielsweise einen Reifen einer bestimmten Marke mit einer Hochglanzfelge. Gewisse Radsätze, etwa oft bestellte Winterreifen, produzieren wir dann auch vor und lagern sie auf Abruf ein. Dafür haben wir mehr als 330.000 Quadratmeter Logistikfläche. Ob Produktion oder andere Mehrwertdienstleistungen: Unser Ziel ist, unser Logistikprofil weiter zu stärken und in dem Segment noch stark zu wachsen. Und das in allen Kundenbereichen – Automotive, Industrie, Lebensmittel, Baustoffe, Glasindustrie, Tech und andere.

Wo speziell?

Aktuell sind die Logistikstandorte neben Zwickau in Ottendorf und Waiblingen. Wir sind aber immer mit unseren Kunden gewachsen, das ist unsere Vertriebsstrategie, und sind für alles offen – auch für weitere Aktivitäten an den großen Wirtschaftsstandorten Leipzig, Chemnitz und Dresden, oder auch im deutsch-tschechischen Grenzgebiet.

Zu den aktuellen Herausforderungen für jeden Spediteur gehört die Antriebswende. Haben Sie es als Dienstleister für die Fahrzeugindustrie leichter?

Nein. Tatsächlich ist es so, dass die meisten Großkunden eigene Ziele zur CO2-Reduzierung verfolgen, das findet sich in jeder Ausschreibung, allerdings eher im hinteren Bereich. Es geht erst einmal darum, auch ein Alternativkonzept im Transport aufweisen zu können. Die Konsequenz fehlt aber am Ende – weil die Differenz noch nicht gezahlt wird. Das gilt auch noch für den HVO 100-Einsatz.

WP hat aber seit Ende 2023 einen eActros 400 in der Flotte?

Ja, um erste Erfahrungen zu sammeln. Das Fahrzeug wird im Nahverkehr eingesetzt und hält, was es an Reichweite verspricht. Wir laden über Nacht mit einer mobilen Ladebox, die am Starkstromanschluss angeschlossen ist.

Sind weitere Fahrzeuge geplant?

Für 2025 sind zwei eActros 600 bestellt, die wir, wie den eActros 400, ebenfalls leasen. Wir haben ausgerechnet, dass die mit der Mautbefreiung kostengünstiger fahren werden als Diesel. Allerdings sind im täglichen Betrieb noch einige Hürden zu überwinden. Das betrifft zum einen die fehlende öffentliche Ladestruktur, zum anderen ist für uns das Thema Arbeits-, Lenk- und Ruhezeit noch nicht geklärt. Theoretisch könnte nach vier Stunden Fahrt die Pause von 45 Minuten zum Laden an der Schnellladesäule genutzt werden. Was ist, wenn diese nicht frei ist, oder wenn beim Kunden keine Ladeinfrastruktur vorhanden ist? Fahrzeuge gibt es zwar, man baut bald die Ladeinfrastruktur auf – und dann erst stellen wir uns die Frage, wie das mit der Arbeitszeit kompatibel ist? Bis das alles gelöst ist, wird das Thema meiner Meinung nach nicht wirklich Fahrt aufnehmen. Ein weiteres Problem ist, dass wir den Disponenten eine weitere Arbeit aufbürden, die nicht ihrem eigentlichen Aufgabengebiet entspricht. Unsere Mitarbeiter buchen jetzt schon Unmengen an Zeitfenster zum Be- und Entladen, wenn sie dann auch noch Ladeslots für die E-Lkw suchen müssen …

Haben Sie eine PV-Anlage, damit sich das Thema Elektromobilität auch rechnet?

Aktuell noch nicht – wir haben für die Kostenberechnung der eActros-Lkw aber unseren Strompreis herangezogen, der sich am Börsennotierten Preis orientiert. Damit sind wir, abgesehen von 2022, bislang gut gefahren. Wir haben aber bereits eine PV-Anlage als Mietmodell beantragt. Einen Teil werden wir selber nutzen, den restlichen Strom einspeisen. Die Anlage wird unseren aktuellen Strompreis halbieren.

Aktuell oft diskutiert – das Thema Überbürokratisierung. Was nervt Sie am meisten?

Ich habe den Rat angenommen, mich nicht über Sachen aufzuregen, die ich nicht ändern kann. Etwa die Pflichten gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Dabei achten wir etwa bei allen Anschaffungen schon längst auf das Thema Nachhaltigkeit, starten für die Logistik nach Scope 1 und Scope 2 bereits mit der Scope 3-Erhebung. Wir sind aufgrund unserer Unternehmensgröße als große Kapitalgesellschaft auch von CSRD betroffen, und davor habe ich einen Heidenrespekt. Neben der Mitarbeiterzahl sind die Kenngrößen hier auch Umsatz und Bilanzsumme. Wie das alles mit CSRD in der Praxis wird, weiß man nämlich noch nicht. Können wir das mit unserer Abteilung Qualitätsmanagement und den Fachabteilungen gewuppt kriegen, oder müssen wir einen Dienstleister engagieren? Wie immer ist das Problem, dass wir Bürokratiekosten nicht umlegen können. Und das, obwohl sich die Nachweispflichten in den vergangenen Jahren verdreifacht haben.

Wenn Sie etwas zu melden hätten …

Dann würde ich einiges anders machen, etwa die Nachweispflicht nicht an den Unternehmensgrößenklassen des Handelsgesetzbuches orientieren. Auch das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetzhalte ich für produzierende Unternehmen passend, nicht aber für Dienstleister wie uns. Was auch nervt, ist der elektronische Krankenschein. Hier entsteht faktisch für uns ein erheblicher Mehraufwand. Das sind eigentlich Kleinigkeiten, aber wenn es nicht funktioniert, kostet es uns viel Geld.

Der Bund will es den Unternehmen leichter machen, etwa mit einer befristeten degressiven Abschreibung…

Davon haben wir nichts – wegen unserer Unternehmensgröße, aber auch, weil im Transportbereich sowieso eine Abschreibung nach AfA für Lkw in fünf Jahren möglich ist. Wie so oft, steht das Dienstleistungsgewerbe wieder einmal nicht im Fokus der Finanzpolitiker.