Transcoop09: Azubi Alf kann fast alles

Transcoop09 setzt auf Digitalisierung
Azubi Alf kann fast alles

Er ist nie krank und arbeitet 24/7: Die Transcoop09-Verantwortlichen Josef Perisa und Hannes Petschenka sprechen mit der Fachzeitschrift trans aktuell über ihren neuen Leistungsträger mit dem lustigen Namen Alf.

Azubi Alf kann fast alles
Foto: Matthias Rathmann
trans aktuell: Herr Perisa, Herr Petschenka, Sie haben einen neuen Mitarbeiter namens Alf. Er soll ja extrem leistungsfähig sein. Was ist das Besondere an ihm?

Perisa: Alf ist kein Mensch, sondern ein digitaler Mitarbeiter, der bei uns eine Ausbildung zum Speditionskaufmann macht.

Matthias Rathmann
Wollen dem Mittelstand in Sachen KI helfen: Josef Perisa (links), Vorstand von Transcoop09, und Hannes Petschenka, Head of Logistics bei TC09 Logistics.
Ein digitaler Mitarbeiter, wie muss man sich das vorstellen?

Perisa: Es handelt sich um eine Künstliche Intelligenz (KI), die bei uns für den Bereich der Logistikprozesse entwickelt wurde. Das Ganze hat eine Vorgeschichte: Wir wollten vor etwa zwei Jahren gerne einen Vertriebsmitarbeiter einstellen, haben aber leider keinen geeigneten Kandidaten gefunden. Also haben wir gesagt: Wir entwickeln eine Maschine, die bei uns ihre Ausbildung antritt.

Und trotzdem hat die Maschine auch menschliche Züge, zum Beispiel einen Namen, der bei vielen positive Assoziationen zur beliebten gleichnamigen TV-Serie weckt …

Perisa: Das war uns wichtig. Es sollte ein Mitarbeiter sein, der von den Kollegen akzeptiert wird und vor dem keiner Angst hat. Alf soll niemand sein, der einem etwas wegnimmt, sondern der einem hilft und zuarbeitet.

Absolviert er denn auch das klassische Ausbildungsprogramm mit unterschiedlichen Stationen?

Petschenka: Genau, begonnen hat er mit einem Projekt zur Messe Transport Logistic. Wir hatten einen Registrierungsprozess am Stand, Alf hat dort sämtliche Visitenkarten gescannt und die Daten im CRM-System als vollwertigen Satz angelegt. Das heißt, der Kontakt – also die Person und das Unternehmen – mussten verifiziert werden. Ebenso hat Alf geprüft, ob es schon Geschäftsverbindungen zum jeweiligen Unternehmen gibt und dem betreffenden Besucher beziehungsweise der Besucherin in Echtzeit mitgeteilt, dass wir uns für den Besuch bedanken und uns wieder melden.

Das klingt nicht so trivial. Wie lange musste Alf dafür lernen?

Petschenka: Wir haben monatelang mit ihm trainiert. Denn Visitenkarten sehen ja nicht alle gleich aus, sondern es gibt wahrscheinlich Millionen unterschiedlicher Designs und Formate. Alf weiß auch nicht, welches die Mailadresse und welches die Telefonnummer ist. Er muss es aber lernen, das zu unterscheiden, schließlich muss er im CRM alles im richtigen Feld eintragen. Alf hat das aber gut gemeistert. Innerhalb weniger Tage hat er ein paar Tausend Visitenkarten gescannt. Am Anfang gab es einige Bedenken, ob Alf in unsere Prozesse integriert werden kann. Nach der Messe waren alles restlos überzeugt.

Azubis sind auch nur Menschen und machen auch mal Fehler. Wie sieht das bei Alf aus?

Petschenka: Auch Alf ist nicht fehlerfrei. Im Fall von Fehlern müssen wir manuell eingreifen und ihn auf die Fehler hinweisen. Dann kann er daraus lernen. Alf ist ziemlich unbedarft und muss eigentlich alles lernen, er ist ja keine fertige Software, sondern entwickelt sich und seine eigene Logik immer weiter. Er hat auch gelernt, dass er sich meldet, wenn Aufgaben für ihn partout nicht lösbar sind.

Welches Zwischenzeugnis würden Sie Ihrem KI-Azubi ausstellen?

Petschenka: Ein sehr gutes, weil er sehr lernfähig ist und sich stetig weiterentwickelt hat. Nach der Messe hat sich Alf zum Beispiel schon in der Buchhaltung bewährt. Er hat gebuchte Eingangsrechnungen vom TMS – Transcoop09 setzt die Lösung von Sirum ein – ins ERP-System übertragen. Das macht er immer noch, und gleichzeitig hat Alf eine weitere Aufgabe übernommen: Er überträgt die Belege nicht nur, sondern bucht sie auch in den Systemen. Aktuell erlernt er die Auftragserfassung. Alf weiß auch, wie er Statusmeldungen in die Kundensysteme überträgt – also ob die Sendung geladen, entladen oder geliefert wurde. Die Besonderheit: Kommt eine Aufgabe hinzu, gibt er die alten Tätigkeiten nicht ab, sondern behält sie. Alf kann also in allen Abteilungen gleichzeitig arbeiten. Nächstes Jahr kommt er in die Palettenabteilung, das wird dann sein nächstes großes Projekt.

Und wie sieht es mit der Arbeitsmoral der Nachwuchskraft aus?

Perisa: Tip top! Er macht die Stammdatenpflege gewissenhaft und lückenlos. Alf hat gemerkt, dass er Belege nur sauber buchen kann, wenn die Adressdaten in beiden System – TMS und ERP – sauber sind. Also hat er sich angeeignet, im führenden System – dem TMS – Adressdaten zu überarbeiten und im Handelsregister zu verifizieren. Er schaut in den ERP-Systemen nach offenen Posten, trägt diese im CRM-System zusammen und errechnet die Summen.

Alf wird sich auch noch nicht krank gemeldet haben, oder?

Petschenka: Nein, er steht 24/7 zu unseren Diensten, war bisher nie krank und noch nie im Urlaub. Und dadurch, dass er in seiner Arbeitsleistung und Zeit nicht begrenzt ist, kann er viele Dinge gleichzeitig machen. In der Regel beginnt sein Arbeitstag um 4 Uhr morgens. Dann stellt er für uns die Reports des Vortrags zusammen, sodass wir zu Arbeitsbeginn gleich über alles im Bilde sind.

Aber irgendwelche Angriffsflächen muss doch auch Alf bieten, oder? Nobody is perfect.

Perisa: Das stimmt wohl. In Speditionen hat man es noch viel mit Papier zu tun. Es gibt Millionen von Dokumenten und Formularen. Damit kann Alf nichts anfangen. Er braucht alles in digitaler Form, erst dann kann er loslegen. Und klar: Alf ist eine Maschine, kein Mensch. Er kennt keine Gefühle, keine Empathie. Wir können bisher mit ihm auch nicht sprechen, aber lernen gerade, mit ihm schriftlich zu kommunizieren. Alf hat sogar eine eigene E-Mail-Adresse.

Welche Absichten verfolgt Transcoop 09 eigentlich genau mit dem Testen von KI?

Perisa: Wir kämpfen mit einem akuten Fachkräftemangel. Für bestimmte Bereiche findet sich nahezu niemand mehr, sie müssen aber besetzt werden. Hier kann KI Abhilfe schaffen. Wir wollen demonstrieren, dass auch der Mittelstand Zugang zu KI finden und davon profitieren kann und dass wir dieses Know-how nicht den Konzernen überlassen müssen.

Die Entwicklung von Algorithmen und das ständige Weiterentwickeln dürfte aber einiges kosten. Rechnet sich das Ganze am Ende?

Perisa: Da müssen wir ehrlich sein, zum Nulltarif gibt es das nicht. Wir reden über einen sechsstelligen Betrag, das Know-how haben wir uns bei externen Beratern, zum Beispiel Mathematikern und Entwicklern, eingekauft, mit denen wir eng zusammenarbeiten und unsere Prozesse definieren. Sie brechen alles in Einser und Nuller runter und am Ende entsteht ein Algorithmus mit einer eigenen Logik.

Petschenka: Alf bringt uns allen aber schon eine enorme Erleichterung. Wir konnten eine freie Stelle nicht besetzen – und haben sie dank Alf eingespart. So gesehen kommt der Invest schon zurück. Und die Belegschaft wird entlastet – um eintönige oder unbeliebte Tätigkeiten. Da fragen die Kollegen bereits: Kann das nicht Alf machen?

Wann wird Alf eigentlich seine Ausbildung beenden?

Perisa: Das Ende der Ausbildung ist offen, Alf befindet sich mit seinen immer neuen Aufgaben quasi in einer Endlosschleife.

Zu den Personen

  • Josef Perisa (59) ist Mitbegründer und Vorstand der Kooperation Transcoop09 mit Sitz in Neu-Ulm
  • Hannes Petschenka (39) ist seit April 2018 Head of Logistics bei der unter dem Dach von Transcoop09 agierenden TC09 Logistics AG

Das Unternehmen

Transcoop09 aus Neu-Ulm fußt auf vier Säulen

  • die Kooperation mit mehr als 40 mittelständischen Transport- und Logistikunternehmen mit unterschiedlichen Schwerpunkten aus ganz Deutschland
  • der Versicherungsmakler TC09 Secure AG, der den kompletten Verkehrs- und Transportbereich abdeckt, Angebote für die betriebliche Altersvorsorge macht und darüber auch im Riskmanagement tätig ist
  • die TC09 Trade AG, die im Handel tätig ist, auf shop.tc09.de mehr als 170.000 Artikel anbietet und zum Beispiel auch Trailer im Portfolio hat – ob zur Miete oder zum Kauf
  • die TC09 Logistics AG, die als Logistikdienstleister auftritt und mit den Mitgliedsunternehmen zum Beispiel Transporte durchführt