Schneider: Wir stehen nach zweieinhalb Jahren sehr gut da, denn wir konnten mit unserem neuen Geschäftsmodell überzeugen und haben inzwischen 42 Mitgliedsunternehmen, die Anteile an der Genossenschaft besitzen. Daneben haben wir auch Kooperationspartner – das sind Mitglieder ohne Stimmrecht, denn innerhalb der Genossenschaft darf ein Unternehmen maximal drei Stimmrechte aufweisen. So haben wir ein ausgewogenes Kräfteverhältnis. Zudem führen wir fortlaufend Gespräche, um neue Mitglieder und Partner in Europa zu gewinnen.
Rüter: Unsere Größe wird immer missverstanden. Aber wir gehen heute davon aus, dass wir im europäischen Cross-Border-Geschäft vor Konzernen und anderen Kooperationen im Bereich Sammelgut B2B mit mehr als drei Millionen Sendungen führend sind.
Rüter: Die Genossenschaftsform ist perfekt, um das Gleichgewicht der Rechte aufrechtzuerhalten. Denn wir limitieren wie gesagt die Stimmen: Ist ein Mitglied in mehreren Ländern vertreten, darf es maximal nur drei Stimmen haben. Wichtig ist uns, dass die Landesgesellschaften unsere Partner sind, und nicht die Unternehmensgruppen als solche.
Schneider: Wir erwirtschaften in der Genossenschaft keine Gewinne. Falls es Gewinne gibt, haben die Partner ein Anrecht darauf. Das schafft Vertrauen bei unseren Mitgliedern.
Schneider: Bei der Gründung der Genossenschaft wurden Anforderungen gestellt, dass bestimmte weiße Flecken nicht weiß bleiben sollen. Toga Freight Services aus Irland konnten wir aktuell als neues Mitglied gewinnen und noch in diesem Jahr kommen Mitglieder aus allen drei baltischen Staaten hinzu.
Schneider: Uns beeinflusst der Krieg indirekt, weil er natürlich unsere Mitglieder beeinflusst.
Rüter: Unsere Partner wickeln Transporte in die Ukraine und nach Russland ab. Wir als Kooperation unterhalten aber keine Kooperationstransporte in diese Länder. Wir unterscheiden zwischen technischen und wirtschaftlichen Einflüssen. Technisch sind die Warenströme beeinflusst, aber es findet in der Ukraine dennoch Transport statt. Fachkräfte fehlen natürlich, weil viele Menschen im Krieg oder auf der Flucht sind. Wirtschaftlich beeinflusst uns der Krieg mehr, da das Sendungsvolumen natürlich weit unter dem liegt, was wir budgetiert hatten. Das sind 10 bis 15 Prozent weniger.

Rüter: Wir hoffen, unser Niveau zu halten und eine leichte Steigerung an Mitgliedschaften zu bekommen.
Schneider: Das ist sehr realistisch, denn der Bedarf im Ausland ist da. Wenn schon kein Wachstum, dann hoffen wir wenigstens auf eine Stabilisierung.
Rüter: Sie müssen privat geführt sein, ein gewisses Know-how im europäischen Transportgeschäft aufweisen. Die meisten arbeiten bereits mit einem unserer Partner zusammen, das ist in der Regel das Entrée. Sie müssen zudem zeigen, dass sie auch die IT-Anforderungen, die wir stellen, erfüllen.
Rüter: Kooperationen sind in der Zeit allgemein besser durchgekommen als Konzerne, weil sie eine bessere Flexibilität haben, da sie auf verschiedene Betriebe zurückgreifen können. Dadurch ist es uns über die Zentrale gelungen, dass man sich in der Kooperation abstimmt und die Transportflüsse optimiert, abhängig von den Kapazitäten der verschiedenen Standorte.
Schneider: Wir haben ein umfangreiches Bonus-Malus-System aufgesetzt, um die Qualität zu gewährleisten. Gut performende Unternehmen erhalten einen Bonus, wenig gut performende Unternehmen müssen einen Malus zusteuern. Das ist ein Anreiz, ist aber eher nachgelagert.
Rüter: Wie die Zusammenarbeit klappt, zeigte sich auch bei einem Cyber-Angriff: Ein Mitgliedsunternehmen war im vergangen Jahr von einem solchen Angriff betroffen. In so einem Fall waren wir als Zentrale dabei, die Produktion aufrechtzuerhalten und die Warenflüsse weiterzuleiten. Da haben natürlich alle zusammen geholfen. Und wir haben auch unsere Lektion gelernt und die Sicherheitsstandards nochmal hochgefahren.
Rüter: Was die Jahreszeiten angeht, sind die Mengen in Deutschland konstanter als in anderen Ländern. Über das Jahr gesehen ist die Volatilität in Europa größer als wir es in Deutschland kennen. Zum Beispiel schließen in Frankreich viele Betriebe in den Sommermonaten.
Wirtschaftlich gesehen weniger. Kapazitätsengpässe wie im Jahr 2021 sind in Europa leichter abzufangen.
Schneider: Neben der unterschiedlichen Volatilität gibt es in Europa auch unterschiedliche kulturelle Herausforderungen. Wir haben die Verantwortung für alle und das verlangt manchmal Fingerspitzengefühl.
Rüter: Mehrere Hubs sind für unsere Anforderungen sehr anspruchsvoll. Daher bleibt es bei einem Gatewaysystem. Dafür kann jeder Betrieb jeden Partner, der auf der Strecke liegt, prinzipiell als ein Gateway nutzen. Das optimiert die Dinge mehr als ein Direktverkehr oder ein Hubverkehr.
Schneider: Wenn wir eine Hub-Lösung fahren wollen, müssten wir auch mehrere Hubs haben. Das ist aber kostenintensiv. Jeder arbeitet bei uns als Sender-und Empfänger-Partner und ist Gateway. Es sind aber vor allem unsere größeren Unternehmen, die Gateways anbieten, wie Gebrüder Weiss, Hellmann, Zufall. Unter der europäischen Lupe ist das eine sinnvolle Lösung.
Rüter: Jeder Partner kann so den Abfahrtsplan des anderen nutzen.

Rüter: Um die Rückfracht müssen sich die Unternehmer nicht kümmern. Die Unternehmen fahren Linie.
Schneider: Viele Themen finden auch bilateral statt, wie zum Beispiel das Pricing. Bei solchen Themen wollen wir die Eigenständigkeit der Unternehmen wahren. Wir geben keine strengen Vorgaben und das wird sehr gut angenommen.
Schneider: Wir bieten Statistiken und Reportings. Jedes Mitgliedsunternehmen erhält ein Reporting mit wichtigen Informationen wie dem Sendungsvolumen. In unserem Headoffice laufen die Fäden zusammen und wir sorgen für die größtmögliche Transparenz. Aber wir erhalten, weil wir uns im Zentrum befinden, schon auch Einblicke, was zwischen den einzelnen Unternehmen läuft.
Rüter: Im Zentrum befindet sich die LogIT – ein Gesamtsystem mit zentraler Cloud, an die verschiedene Applikationen abgebunden sind. Teils sind das eigene Entwicklungen, teils sind sie extern hinzugekauft.
Rüter: Grundsätzlich können wir nicht mehr ein Konstrukt bauen und das in den nächsten zehn Jahren optimieren. Wir müssen modularer denken und brauchen flexiblere Lösungen.
Rüter: Wir sind dabei mit drei verschiedenen Aufgaben konfrontiert. Das Ziel benennen: Wo wollen wir hin? Wie erreichen wir es? Wie messen wir es? Bei unseren Unternehmen werden nach und nach die Flotten ersetzt. In den Städten wird das CO2-Ziel einfacher einzuhalten sein, als auf den langen Strecken. Die Verlagerung auf die Schiene treiben wir voran, aber die Infrastruktur fehlt noch. Wir sind auf jeden Fall offen für alternative Verkehrsmittel neben dem Lkw.
Zu den Personen
Tassilo Schneider
- Tassilo Schneider (32) wurde im Juli 2023 als COO in den Vorstand der System Alliance Europe berufen. Geschäftsführer war er seit August 2021
- Zuvor Führungspositionen bei DHL und der Bakery Group, einem mittelständischen Hersteller von Bäckereimaschinen
- Bereits während seines Studiums bei DHL befasste er sich mit Linienverkehren, Neukundenimplementierung und strategischen Themen in der Supply-Chain
- Reserveoffizier der Bundeswehr
Oliver Rüter
- Oliver Rüter (52) ist Inhaber und geschäftsführender Gesellschafter bei L.W. Cretschmar Süd in Düsseldorf
- Gründungsmitglied der System Alliance Europe, Vorstandvorsitzender seit Februar 2021
- Gründete 2016 CretschmarCargo Süd für grenzüberschreitende Transporte zwischen Deutschland und den europäischen Mittelmeer-Anrainerstaaten im B2B-Bereich
Die Kooperation
- Als Folge der Gründung der System Alliance Deutschland wurde 2005 das Pendant für europäische Samelgutverkehre, die System Alliance Europe, als GbR gegründet
- Neugründung 2021 als eingetragene Genossenschaft, damals mit 38 Unternehmen und Landesorganisationen
- Vorstand, der das operative Geschäft verantwortet: Tassilo Schneider, Oliver Rüter (Cretschmar Cargo Süd), Andreas Brunnemann (Hellmann Worldwide Logistics)
- Mitglieder bzw. Genossen heute (mit Stimmrecht): 44
- Kooperationspartner (ohne Stimmrecht): 6
- Mitglieder aus 33 Ländern
- Mitglieder und Verkehre in der gesamten europäischen Gemeinschaft
- Sendungsvolumen: 3,1 Millionen Sendungen (2020), 3,3 Millionen (2021), 3,1 Millionen (2022)