Studie: Einfluss von Cannabis in der Intralogistik

Studie von BGHW und LMU München
Einfluss von Cannabis in der Intralogistik

Die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik hat gemeinsam mit der Ludwig-Maximilians-Universität München untersucht, wie sich Cannabiskonsum in der Intralogistik auswirkt. Akuter Konsum beeinflusst Koordination und Feinmotorik.

BGHW und LMU München untersuchen Einfluss von Cannabis in der Intralogistik – akuter Konsum wirkt sich auf Koordination und Feinmotorik aus.
Foto: BGHW

Im April 2024 hat die damalige Bundesregierung den Cannabiskonsum per Gesetz teillegalisiert. Das Gesetz ist seitdem umstritten – auch in der Logistikbranche. Cannabiskonsum ist laut Dr. Udo Schöpf, Vorsitzender der Geschäftsführung bei der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW), schwierig festzustellen. „Die Folgen sind bei jedem anders und nicht linear wie bei Alkohol“, sagte Schöpf bei der Vorstellung einer BGHW-Studie zum Einfluss von Cannabis in der Intralogistik.

Der Alkohol- und Drogenkonsum während der Arbeit ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) nicht eindeutig verboten. Unternehmen tappen daher häufig im Dunkeln. Das Ziel der Studie: Unsicherheiten in Unternehmen hinsichtlich des Cannabis-Konsums auflösen. Der betriebliche Kontext, zu dem der innerbetriebliche Transport per Gabelstapler zählt, wurden demnach noch nie in der Praxis untersucht. In einem ersten Schritt untersuchten die BGHW und die Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie (DGVP), wie sich die Einnahme von Tetrahydrocannabinol (THC) auf die Lenk- und Steuerfähigkeit in der Intralogistik auswirkt. Ab Oktober nehmen BGHW und ADAC in einer weiteren Studie zusätzlich den Straßenverkehr in den Blick.

Leistungsfähig mit Cannabis?

Die Probanden mussten unter Cannabiseinfluss verschiedene Fahraufgaben mit dem Gabelstapler sowie kognitive Aufgaben erfüllen. Dabei untersuchten die Wissenschaftler die psychische Leistungsfähigkeit und die subjektive Einschätzung der Teilnehmer. „Laborstudien haben oft wenig Bezug zur Lebenswirklichkeit und die Frage nach der Leistungsfähigkeit wird nie gestellt“, sagte DGVP-Präsident Prof. Dr. Wolfgang Fastenmeier bei der Vorstellung der Studie beim ADAC München.

Die Probanden erhielten bei der Untersuchung zwei verschiedene Cannabis-Dosierungen.
BGHW

Die Probanden erhielten bei der Untersuchung zwei verschiedene Cannabis-Dosierungen.

Bei einer der monotonen Fahraufgaben mussten die Probanden einen Wasserbehälter aufnehmen und ihn abstellen, bei einer anderen, Paletten stapeln. Eine komplexe Fahraufgabe erforderte es, einen Basketball mit der Gabel aufzunehmen und damit durch ein enges Tor zu fahren. Das Ergebnis: „Wir können nicht behaupten, dass die Fehleranzahl durch den Cannabiskonsum erhöht wurde. Es macht keinen großen Unterschied“, sagte Fastenmeier. THC steigere stattdessen das Aktivitätsniveau, was zu einer vermeintlich besseren Leistung führe. Vermeintlich deshalb, da die erhöhte Aktivität auch mit einer höheren Risikobereitschaft einhergeht – und das könnte mehr Fahrfehler zur Folge haben.

Subjektive Einschätzung hat größte Auswirkung

Die subjektive Einschätzung der Probanden hat laut Fastenmeier also eine größere Auswirkung auf die Fahrleistung als der tatsächliche Cannabiskonsum. „Die Probanden waren direkt nach dem Konsum euphorisch und gut drauf“, sagte Prof. Dr. med. Matthias Graw, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Das beeinflusste die Teilnehmer auch bei den kognitiven Aufgaben. Unter Cannabiseinfluss machten sie mehr Fehler, zum Beispiel beim Diktat oder beim abwechselnden Tippen mit Fußspitze und -hacke. Akuter Cannabiskonsum wirkt sich also auf Koordination und Feinmotorik aus.

Um den THC-Gehalt im Blut nach einer, drei und fünf Stunden nach dem Cannabiskonsum zu bestimmen, wurde den Probanden Blut entnommen.
BGHW

Um den THC-Gehalt im Blut nach einer, drei und fünf Stunden nach dem Cannabiskonsum zu bestimmen, wurde den Probanden Blut entnommen.

Die Wissenschaftler stellten fest, dass der aktuell geltende Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC „eine rein politische Festlegung ohne wissenschaftliche Grundlagen“ ist. Der Grenzwert von 3,5 Nanogramm je Milliliter Blut ist mit der 0,5-Promille-Grenze für Alkohol vergleichbar. Wer ihn beim Autofahren überschreitet, riskiert eine Strafe. Unter den Probanden wurden zwei verschiedene Cannabis-Dosierungen verteilt. Es zeigten sich jedoch keinerlei Unterschiede bei der Fahrleistung.

Die Häufigkeit ist entscheidend

In ihrem Fazit sprechen sich Fastenmeier und Graw dafür aus, zwischen gelegentlichen und regelmäßigen Konsumenten zu unterscheiden. Ein regelmäßiger Konsum liege vor, wenn an mehreren Tagen in der Woche ohne ausreichend lange Konsumpause Cannabis eingenommen wird. In diesem Fall sei „eine Verkehrsteilnahme oder Arbeit in sicherheitskritischen Bereichen in der Regel grundsätzlich ausgeschlossen und sollte erst nach einer längeren Abstinenz über mehrere Wochen wieder in Erwägung gezogen werden“.

Daraus lassen sich wiederum Maßnahmen für das obere und mittlere Management und für Arbeitnehmer ableiten. Arbeitgeber sollten sich um präventive Maßnahmen kümmern. Es sei wichtig, psychische Belastungen zu erkennen und zu vermeiden. Denn sie können zu Drogen- und Alkoholkonsum führen. Qualifizierte Fachdienste wie die Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sifa) helfen bei der Prävention.

Arbeitnehmer sollten die Rechte und Pflichten des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) kennen und einhalten. Sie sollten Selbstverantwortung, Selbstmanagement und Stressmanagement lernen. „Sicher handeln lernen ohne Drogen“, laute das Credo.

Die Bundesregierung geht das Cannabisgesetz im Herbst an. Eine „ergebnisoffene Evaluierung“ ist geplant. Im Raum steht, die Teillegalisierung von Cannabis wieder abzuschaffen.

Studie: Einfluss von Cannabis in der Intralogistik

  • Die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) hat gemeinsam mit der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie untersucht, wie sich Cannabiskonsum auf die Lenk- und Steuertätigkeit in der Intralogistik auswirkt.
  • Es handelt sich demnach um die weltweit erste Untersuchung dieser Art.
  • Zeitraum der Untersuchung: Dezember 2024 bis April 2025.
  • Leiter der Untersuchung: Prof. Dr. Wolfgang Fastenmeier, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie, und Prof. Dr. med. Matthias Graw, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
  • Der zweite Teil der Studie zum Einfluss von Cannabis im Straßenverkehr startet im Oktober in Kooperation mit dem ADAC.