Wer im internationalen Transportgeschäft unterwegs ist, kennt das Problem: Umsatzsteuer-Erstattungen im Ausland sind mühsam, dauern lange und binden Ressourcen. Unterschiedliche Portale, Fristen und Verfahren machen die Rückforderung zu einem zeitraubenden Balanceakt – insbesondere für kleine und mittelständische Speditionen. Anträge verlaufen oft zäh, Liquidität bleibt gebunden, und im schlimmsten Fall verzichten Unternehmen ganz auf ihre Ansprüche. Genau hier setzt der Verband European Refund Providers Association (ERPA) an. ERPA vereint führende Anbieter von Steuererstattungsdiensten in Europa und verfolgt das Ziel, Verfahren zu vereinfachen, digitale Standards zu schaffen und so Speditionen wie auch Behörden zu entlasten.
Weniger Aufwand für Speditionen
„Unsere Mitglieder verfolgen das Ziel, qualitativ hochwertige Rückerstattungsanträge im Namen ihrer Kunden effizient und zuverlässig abzuwickeln", erklärt Pieter van Wel, Vorsitzender der ERPA, gegenüber trans aktuell. Für Speditionen bedeutet das: weniger administrativer Aufwand, kürzere Bearbeitungszeiten bei den Behörden und eine spürbare Entlastung bei der Abwicklung grenzüberschreitender Steuererstattungen.
Unterschiedliche Verfahren in Europa
Obwohl es EU-Richtlinien zur Umsatzsteuer-Erstattung gibt, nutzen die einzelnen Mitgliedsstaaten sehr unterschiedliche Verfahren. „In Frankreich läuft die Antragstellung über ein nationales Portal, während in Italien komplizierte Zwischenstellen eingebunden sind – und nicht selten gibt es zusätzliche Sonderregeln." Für die Praxis heißt das: Selbst bei identischen Tank- oder Mautvorgängen kann die Antragstellung völlig anders ablaufen. Van Wel sieht deshalb dringenden Handlungsbedarf: „Eine Harmonisierung würde zu mehr Transparenz führen und auch die Effizienz für Speditionen deutlich steigern." Gleichzeitig sei klar, dass es sich um einen langfristigen Prozess handelt, der die Mitwirkung aller Mitgliedsstaaten und Gesetzgeber erfordert.

„Alle Mitglieder verpflichten sich, betrügerische Aktivitäten konsequent zu vermeiden und aktiv zu unterbinden“
Pieter van Wel, Vorsitzender der ERPA
Auslagerung bringt Vorteile
Bis dahin übernehmen ERPA-Mitglieder für ihre Kunden die Rolle des Übersetzers und Vereinfachers. Gerade mittelständische Transportbetriebe, die über keine Steuer- oder Rechtsabteilung verfügen, sollen von der Arbeit der ERPA-Mitglieder profitieren. „Transportunternehmen müssen lediglich eine Vollmacht sowie die relevanten Rechnungen bereitstellen. Alle weiteren Schritte werden übernommen – von der Antragstellung bis zur Korrespondenz mit den Steuerbehörden", erläutert van Wel. Dass sich die Zusammenarbeit lohnt, bestätigt Erkan Turkoz, Geschäftsführer des niederländischen Logistikunternehmens Steenworp afstand: „Früher haben wir oft darauf verzichtet, ausländische Umsatzsteuern zurückzufordern – die internationalen Verfahren waren schlicht zu komplex und zeitaufwendig. Heute gehen wir einen anderen Weg: Weil der Prozess spezielles Fachwissen erfordert und mitunter lange dauert, haben wir ihn vollständig ausgelagert. Jetzt haben wir einen klaren Überblick über alle eingereichten Anträge und erwarteten Rückzahlungen. So holen wir Beträge zurück, die sonst verloren gegangen wären."
Digitale Tools schaffen Transparenz
ERPA-Mitglieder setzen auf digitale Tools: Über Kundenportale können Speditionen den Status ihrer Anträge jederzeit online verfolgen. Fristenmanagement und Statusanzeigen schaffen Transparenz und reduzieren Rückfragen. „Diese digitalen Schnittstellen erleichtern die Kommunikation erheblich und tragen zur Beschleunigung der Bearbeitung bei", sagt van Wel. Darüber hinaus ermöglichen viele Anbieter, Rückerstattungen vorzufinanzieren.
Schnellere Liquidität für Unternehmen
Nach Sammeln und Prüfen der Belege wird die voraussichtliche Erstattung – optional – sofort ausgezahlt. Erst wenn die Steuerbehörde den Betrag überweist, erfolgt die endgültige Verrechnung. Für Spediteure hat dieses Modell einen klaren Vorteil: Es muss nicht bis zum durch die Behörde veranlassten Geldeingang gewartet werden, sondern die Liquidität ist sofort vorhanden.
Kooperation mit Steuerbehörden
Ein zentrales Anliegen des Verbandes ist der direkte Austausch mit den jeweiligen Steuerbehörden. In einem konkreten Fall führte dies bereits zu einer Verkürzung der Bearbeitungszeiten: „Unser Vorstand hat eine Behörde besucht, deren Rückerstattungsdauer deutlich über dem Durchschnitt lag. Im Dialog konnten wir erreichen, dass die Fristen innerhalb von sechs Monaten spürbar reduziert werden", berichtet van Wel. Besonders positiv wertet van Wel die Zusammenarbeit mit den deutschen Finanzbehörden.
Compliance sichert Vertrauen
Die deutschen Finanzbehörden schätzen die Mitglieder demnach als verlässliche Partner – nicht zuletzt, weil sie neue digitale Verfahren testen und praxisnahes Feedback für die Weiterentwicklung geben. Mittelfristig sieht van Wel großes Potenzial, die Kooperation mit Deutschland noch weiter auszubauen. Damit Rückerstattungsprozesse nicht missbraucht werden, setzt ERPA auf strikte Compliance-Regeln. Alle Mitglieder verpflichten sich, Betrugsversuche konsequent zu unterbinden.

„Wir haben einen klaren Überblick über alle Anträge und Rückzahlungen“
Erkan Turkoz, Geschäftsführer Steenworp afstand
Ausblick auf weitere Schritte
Für Transportunternehmen bringt das einen wichtigen Vorteil: Anträge von ERPA-Mitgliedern gelten demnach als vertrauenswürdig und werden von den Behörden in der Regel schneller bearbeitet. Für die kommenden Jahre plant ERPA weitere Schritte in Richtung Standardisierung und Digitalisierung. Vorrangig geht es um die Vereinheitlichung von Dokumentationsanforderungen sowie den Ausbau digitaler Behördenportale. „Unsere Mitglieder bringen aktiv Feedback aus der Praxis ein und unterstützen Pilotprojekte zur Einführung neuer digitaler Verfahren", so van Wel. Ziel ist ein transparentes, effizientes und verlässliches Rückerstattungssystem in ganz Europa.
Der Verband ERPA
Die European Refund Providers Association (ERPA) wurde 2024 in den Niederlanden gegründet. Der Verband vereint führende Anbieter von Steuererstattungsdiensten und gibt der Branche eine gemeinsame Stimme.
Mitglieder
- REMOBIS Refund Service C.V. (Niederlande)
- Alfa Transport Service VoF (Niederlande)
- Tax Refund S.R.L. (Rumänien)
- Edenred Finance UAB (Litauen)
- Nikosax A/S (Dänemark)
Gemeinsam betreuen die Unternehmen rund 32.000 Kunden und bearbeiten jährlich mehr als 220.000 grenzüberschreitende Rückerstattungsanträge. Ziel ist es, Verfahren zu vereinfachen, Betrugsrisiken zu minimieren und ein verlässliches Rückerstattungssystem in Europa zu schaffen.
Beispiel 1: Tankvorgang in Frankreich
Ein deutsches Logistikunternehmen tankt in Lyon für 1.200 Euro brutto. Enthalten sind 200 Euro französische Umsatzsteuer (TVA). So läuft eine typische Umsatzsteuer-Erstattung nach einem Tankvorgang in Frankreich ab:
- Beleg: Rechnung auf das deutsche Unternehmen mit separatem TVA-Ausweis
- Antrag: elektronisch über das Portal des Bundeszentralamt für Steuern (BZSt-Portal) in Deutschland
- Weiterleitung: BZSt übermittelt an die französische Steuerbehörde
- Bearbeitung: Frankreich prüft und entscheidet
- Erstattung: binnen vier Monaten
- Rechtsgrundlagen: EU-Richtlinie 2008/9/EG, § 18 Abs. 9 UStG, französisches CGI
Beispiel 2: Maut in Italien
Ein deutscher Spediteur zahlt 500 Euro Autobahnmaut (z. B. Mailand–Rom). Darin enthalten sind rund 90 Euro italienische Umsatzsteuer (IVA). Das folgende Beispiel zeigt, wie die Rückerstattung bei Mautzahlungen in Italien funktioniert
- Rechnung: über Mautbox wie Telepass oder DKV
- Antrag: über das BZSt-Portal in Deutschland
- Prüfung: Italienische Behörden prüfen Abzugsfähigkeit (nur gewerblich genutzte Fahrzeuge)
- Erstattung: innerhalb von 4–8 Monaten
- Rechtsgrundlagen: EU-Richtlinie 2008/9/EG, § 18 Abs. 9 UStG, DPR 633/72