Amazon baut Same Day Delivery aus
Schneller beim Kunden

Die Marktlage für Same Day Delivery ist generell schwierig. Amazon erweitert dennoch seinen Service in Europa.

Schneller beim Kunden

Jetzt bestellt, heute Abend zugestellt: Same Day Delivery hat – zumindest in Deutschland – nie den Höhenflug erlebt, wie er prognostiziert wurde. Händler Amazon startet dennoch eine europaweite Initiative.

Ursprünglich wurden für Same Day Delivery laut dem Bundesverband Paket- und Expresslogistik (BPEX) teilweise ambitionierten Prognosen von Marktanteilen bis zu 20 Prozent vorausgesagt. Same Day Delivery spiele derzeit aber eine vergleichsweise untergeordnete Rolle im KEP-Markt. Auch fehle eine belastbare Datengrundlage zur Marktdurchdringung, was auch daran liege, dass viele Angebote nicht über klassische KEP-Netzwerke abgewickelt werden, sondern über spezialisierte oder hybride Modelle. "Das heißt, eine klare Abgrenzung existiert nicht", so der Verband. Tatsächlich bewege sich der Markt heute nach vorsichtigen Schätzungen bei einem Umsatzvolumen zwischen ein und zwei Milliarden Euro. Das entspricht einem mittleren einstelligen Prozentanteil am Gesamtmarkt. Die Relevanz steige jedoch punktuell – insbesondere im urbanen Raum und in bestimmten Segmenten, wie dem Online-Handel mit Lebensmitteln. In dem Segment will auch Amazon sein Programm ausbauen: Bis Ende 2026 ist die Einführung von Same-Day-Delivery an 20 neuen Standorten in Europa geplant, darunter etwa Augsburg, Metz und Bergamo. Das berichtete Rocco Bräuniger, Vice President für Amazons Filialen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den EU-Erweiterungsländern auf dem Amazon-Medienevent "Delivering the Future" in Dortmund.

Angebot für Amanzons Prime-Kunden

Die Begründung: Mehr und mehr Prime-Mitglieder würden sich für die Lieferung am selben Tag für ihre Bestellungen aus einer Vielzahl von Kategorien – von Lebensmitteln über Kosmetik bis hin zu Waren des täglichen Bedarfs – entscheiden. "Wir bieten Same-Day-Delivery jetzt an über 135 Standorten in Europa an, von großen Hauptstädten wie London, Wien und Berlin bis hin zu kleineren Städten wie Erfurt in Deutschland", sagte Rocco Bräuniger. Amazon plane, die Bestellfristen zu verlängern, damit die Kunden noch später am Tag bestellen können und die Ware dennoch am selben Tag ankommt. In Madrid werde so eine "Schnelllieferzonen" getestet: Der Kunde kann dort eine Same-Day-Bestellung bis 18.15 Uhr abschicken. "Wir nutzen KI, um auf der Grundlage von Beliebtheitsdaten zu prognostizieren, was die Kunden am dringendsten wünschen, und bestimmen, welche Produkte in diesen speziellen Bereichen platziert werden sollen", so Bräuniger. Ermöglicht werde dies durch die Optimierung von Bestands- und Betriebsmanagementsystemen sowie durch die Ermittlung der am meisten nachgefragten Produkte. Grundnahrungsmittel des täglichen Bedarfs seien dabei eine Schlüsselkategorie. Zudem würden die Produkte in einem speziell eingerichteten Bereich in der Nähe des Verpackungsbereichs gelagert, damit die Kommissionierung und Vorbereitung schneller und einfacher ist. Andere Anbieter haben längt die Segel gestrichen – etwa Hermes. Die Lufthansa-Tochter time:matters hatte 2014 ihr Same-Day-Delivery-Geschäft unter dem Namen Liefery ausgegründet. 2017 übernahm Paketdienstleister Hermes die Mehrheit. Ende 2020 verabschiedete sich Hermes von dieser Dienstleistung, auch wegen der geringen Nachfrage nach dem Angebot. "Statt eine kostenintensive Belieferung am Bestelltag zu realisieren, geht es in naher Zukunft eher darum, die Standardlaufzeiten noch weiter zu reduzieren", sagte eine Sprecherin damals.

Same Day Delivery für B2B-Kunden: Ersatzteile für Flugzeuge

Für Geschäftskunden ist das Angebot durchaus Standard, etwa bietet Logistikdienstleister DHL erfolgreich Same-Day-Zustellungen an, sowohl für nationale als auch für internationale Sendungen. Die Kunden stammen aus einer Vielzahl von Branchen, darunter Life Science und Health Care, wo zum Beispiel patientenspezifische Medikamente, klinische Proben oder Impfstoffe geliefert werden. "Auch in der Luftfahrt wird unser Service genutzt, beispielsweise wenn dringend Ersatzteile für Flugzeuge benötigt werden", sagt Mustafa Tonguc, CEO DHL Express Germany. Die effiziente Bereitstellung von DHL Same Day hängt demnach von verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehören regulatorische Anforderungen, Betriebskosten für Infrastruktur und Personal sowie eine effiziente Routenplanung. Ein effektives Kapazitätsmanagement ist laut Tonguc ebenfalls entscheidend, um plötzliche Nachfragespitzen zu bewältigen.

Same Day Delivery ein kostenintensives Produkt

Auch der BPEX konstatiert, dass Same Day Delivery ein logistisch anspruchsvolles und kostenintensives Produkt sei. Nach Angaben des Verbands braucht es eine dezentrale Lagerstruktur, gut eingespielte Prozesse vor Ort und ein hohes Maß an Flexibilität, um möglichst nah an den Kundinnen und Kunden zu sein und das verbundene Leistungsversprechen aufrechtzuerhalten. "Im ländlichen Raum wird das aufgrund der Entfernungen dementsprechend noch sehr viel schwieriger als in Städten; zudem lassen sich Same-Day-Sendungen kaum bündeln – was den Aufwand pro Paket deutlich erhöht", sagt der Verband auf Anfrage von trans aktuell. Gleichzeitig sei die Bereitschaft der Kunden, den Aufpreis für den Geschwindigkeitsvorteil zu zahlen, gering. "In den letzten Jahren haben sich die Lieferprozesse insgesamt sehr beschleunigt, was dazu führt, dass das Standardpaket unterdessen national überwiegend am folgenden Werktag zugestellt wird", so BPEX.