Die erratische Wirtschaftspolitik von US-Präsident Donald Trump verändert auch die Logistikwirtschaft in Deutschland und Europa. Dies wurde bei einem Logistiktalk zum Thema „Widerstandsfähiger mit Kontraktlogistik?“ beim trans aktuell-Symposium deutlich, das bei der Kellergroup in Ditzingen stattfand. Die Moderatorin und Chefredakteurin von trans aktuell, Ilona Jüngst, erklärte, von den US-Zöllen am meisten betroffen sind vor allem die globale Auto- und Textilindustrie, der Non-Food-Einzelhandel, die Erneuerbare-Energien-Branche und die Landwirtschaft. Es sind exakt die Branchen, die mit schwachen Margen, einer Konsumzurückhaltung und einem tiefgreifenden Strukturwandel zu kämpfen haben.
Mehr Flexibilität bei Transport und Logistik
Im Rahmen der Podiumsdiskussion betonte Philipp Thiele, nicht nur die politischen Rahmenbedingungen hätten sich verändert, auch die Erwartungshaltung der Kunden sei in den vergangenen Jahren ständig gestiegen. Die Unternehmen müssten aber damit leben und umgehen. Für die Transport- und Logistikbranche sei es nun entscheidend, sich flexibler aufzustellen. Ein Mittelständler wie die Mader Gruppe sei dafür eventuell besser gewappnet als ein großer Konzern.
Von US-Zöllen nur mittelbar betroffen
Allerdings sind die Transport- und Logistikunternehmen hierzulande von den US-Zöllen und einem drohenden Handelskrieg nur mittelbar betroffen. So sieht es zumindest Michael Peters von GXO. „Die meisten Transporte hierzulande finden nicht zwangsläufig von einem Land in das andere statt, und schon gar nicht kontinentalübergreifend“, stellte Peters fest. Allerdings sei er schon von Kunden gefragt worden, ob GXO schon dabei sei, Logistikzentren in den USA ab- und in Europa aufzubauen. Dies sei nicht der Fall – auch, weil die Ankündigung von Zöllen erst wenige Wochen alt sei.
Investitionen werden zurückgehalten
Seinem Vorredner Peters stimmte Alexander Hewel von der Kellergroup insofern zu, als die Transport- und Logistikunternehmen hierzulande nur mittelbar von der US-Wirtschaftspolitik betroffen sind. Jedoch sprach Hewel von einer gewissen Investitionszurückhaltung, die bei den Kunden der Kellergroup zu beobachten sei. Ausschlaggebend dafür sei die mit der US-Handelspolitik verbundene Unsicherheit, ebenso der noch unklare Kurs der künftigen Bundesregierung. Zahlreiche Kunden stellen beispielsweise Logistikzentren, die einen langen Vorlauf benötigen, auf den Prüfstand.
Planungssicherheit ging verloren
Prof. Dr. Dirk Hartel von der DHBW Stuttgart erklärte dazu, ein bestimmender Faktor der deutschen Wirtschaft sei immer die Planungssicherheit gewesen. Diese sei verloren gegangen und momentan nicht gegeben. Hartel betonte, die Kontraktlogistik sei von der erratischen Handelspolitik Trumps weitaus weniger betroffen als beispielsweise die Luft- oder Seefracht. Zudem betonte er: „Wenn die Wirtschaftspolitik so volatil ist, besteht die Herausforderung in der Kontraktlogistik darin, die Prozesse so effizient zu gestalten, dass man trotzdem wirtschaftlich arbeitet.“
Trend zum Reshoring
Die Diskutanten waren sich einig, dass die aktuellen Entwicklungen trotz aller Unsicherheiten und Risiken auch Chancen bieten – auch für den Standort Deutschland. Thiele sprach in diesem Zusammenhang über Reshoring – also der Verlagerung von Produktions- oder Dienstleistungsprozessen aus dem Ausland zurück in das Herkunftsland eines Unternehmens. So verlagerte die Mader Gruppe beispielsweise einen Standort von Ungarn zurück nach Deutschland – auch wegen der dortigen Lohnsteigerungen von 15 bis 20 Prozent jährlich. „Wir konzentrieren uns verstärkt auf das Deutschland-Geschäft“, führte Thiele aus. Hierzulande sieht er Potential mit Kunden auf der letzten Meile.
Expansion mit Joint-Ventures
Michael Peters erklärte, er sehe keine Chancen, „neue Services in neuen Ländern mit den bestehenden Kunden zu entwickeln“. Durchaus mache es aber Sinn, im Rahmen von Joint-Ventures in andere Länder zu expandieren. So sei GXO vor Jahren mit einem Joint-Venture mit Danone in Rumänien gestartet.
Mit guten Konzepten überzeugen
Entscheidend ist laut Alexander Hewel, jede Krise – „und die haben wir im Moment“ – mit der richtigen Einstellung und Überzeugung zu meistern. Inbesondere in der Kontraktlogistik komme es darauf an, die Kunden mit guten Konzepten zu überzeugen. „Alles, was dem Kunden einen effektiven Nutzen bringt, wird zum Erfolg führen und auch dazu, dass die Wirtschaft wieder wächst“, gab sich Hewel überzeugt. Die Konjunktur bewege sich nun mal in Wellen.
Chancen durch Sondervermögen
Welche Chancen bietet dabei das vom Bundestag beschlossene Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur? Prof. Hartel erklärte, das Finanzpaket eröffne Chancen, mehr Güter auf die Schiene zu verlagern. Allerdings: „Es gibt zahlreiche Begehrlichkeiten, und das Geld ist schnell ausgegeben“, gab er zu bedenken. Es komme darauf an, das Geld zielgerichtet auszugeben und nachhaltig zu investieren. Dass dies auch so kommt, bezweifelt der Studiengangleiter BWL-Dienstleistungsmanagement bislang. „Ich habe Bauchschmerzen.“ Zugleich hofft er, dass ein Teil des Geldes in die Aus- und Weiterbildung fließt, auch von Geflüchteten. Außerdem solle die Entwicklung von Logistikimmobilien gefördert werden, wünschte er sich. Es sei heute kaum noch möglich, geeignete Flächen zu finden. Um zu tragfähigen Lösungen zu kommen, bedürfe es der Kompromissbereitschaft aller Beteiligter, betonte der Professor.
Erleichterung bei den Dokumentationspflichten
Mit Blick auf die neue Bundesregierung betonte Peters, als Mittelständler wünsche er sich vor allem eine Erleichterung bei den Dokumentationspflichten. Prof. Hartel ergänzte, eine Vielzahl neue Regelungen werde auf EU-Ebene geboren. Ob dort schon ein Bewusstsein für die überbordende Bürokratie entstanden sei, bezweifelte er. Hewel berichtete von aufwändigen Genehmigungsprozessen bei Bauprojekten – ab der ersten Einreichung eines Dokumentes bis zur finalen Freigabe seien zahlreiche bürokratische Hürden zu überwinden. Zudem betonte er, künftig sei es notwendig, Logistikhallen höher als bislang zu bauen. Noch gebe es allerdings zahlreiche rechtliche Hürden. „Hier ist ein Umdenken erforderlich, auch um ausbordende Flächenversiegelung zu verhindern.“