Stahlhut: Ich habe das als eine wertvolle und gut investierte Zeit empfunden, in der ich viele Erfahrungen im operativen Geschäft sammeln konnte, und bin dafür sehr dankbar. Ich habe meinem Vorgänger Beni Kunz über die Schulter schauen können und ihm zugehört. Das ist viel besser, als wenn man mit dem Hammer einfach nur auf die Wand haut und nicht weiß, wo der Nagel hingehört. Als Deutscher kann ich sagen, dass so ein Übergang in der Schweiz sehr umsichtig und respektvoll gestaltet wird. Das könnte man sich durchaus abgucken. Das große Fachwissen von Beni Kunz bleibt uns derweil erhalten, denn er wird das Unternehmen bei strategischen Projekten weiter unterstützen.
Auf eine Art ja, andererseits haben wir Eisenbahner in der Schweiz in den vergangenen zehn Jahren ständig Krisen durchgemacht. Da waren die Wirtschaftskrise 2008/2009, die Euro-Schwäche 2011, der Felssturz am Gotthard mit einer Streckensperrung 2013, dann hat die Schweizerische Nationalbank 2015 die Währungsstützung aufgegeben, 2017 mussten wir Rastatt bewältigen, jetzt haben wir Corona. Wir müssen als Team auch durch diese Krise gehen, genau wie der ganze Sektor.
Als Massentransportsystem über lange Distanzen müssen wir unsere Produktivität steigern. Wir müssen schneller und präziser werden und hochqualitativ. Es ist spannend zu sehen, dass die Eisenbahn in der Coronakrise eine so hohe Qualität liefert wie lange nicht. Das heißt doch, dass der Güterverkehr auf der Schiene qualitativ produziert werden kann – wenn die Personenverkehre uns nicht stören. Wir dürfen nicht weiter benachteiligt werden, dann funktioniert ein intermodaler Verkehr wie ein ICE-Netzwerk.

Ich glaube, dass die Coronazeit ein anderes Bewusstsein für den Schienengüterverkehr geschaffen hat, und hoffe, dass wir alle gemeinsam mit den Infrastrukturbetreibern lernfähig sind. Wir müssen uns beispielsweise besser auf Kapazitätsengpässe einstellen, wir müssen schlecht ausgelastete Infrastrukturen besser nutzen, wir müssen das System positiv verändern. Kürzlich mussten wir aus einer Zwangslage heraus einen Zug auf der anderen Rheinseite durchs Elsass fahren und haben das so getestet. Das funktioniert, wenn wir vorbereitet sind. Grundsätzlich ist der Kombinierte Verkehr eine Megalösung auf diesem Kontinent, wo man vernetzte Industrien hat und wo Straße und Schiene starke Systeme sind. Es macht sehr viel Sinn, die Stärken der beiden Verkehrsträger miteinander intelligent zu verknüpfen.
Ja. Und wenn gemeinsam um Marktanteile gekämpft wird, sollten vergleichbare Wettbewerbsbedingungen herrschen, ohne dabei dogmatisch zu sein. Es stellt sich beispielsweise schon die Frage, warum Schienen- und Straßenmaut unterschiedlich im Vergleich zur Tonnage bewertet werden. Der Kombinierte Verkehr vernetzt weiträumig Lebensräume und Industrien, das macht er einfach besser als ein reines Straßen- oder Schienensystem.
Wenn es den Mitgliedstaaten im Rahmen des EU-Mobilitätspakets freigestellt wird, je nach Laune den Vor- und Nachlauf kombinierter Verkehre als nationale Transporte zu bewerten, würde die Flexibilität des KV dramatisch eingeschränkt. Das würde jedes Engagement für einen Green Deal und eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes ad absurdum führen und eine Verkehrsverlagerung auf die Straße bringen. Ich verstehe ja das gute Ansinnen, das dahintersteht, aber ein Missbrauch der Regelungen müsste durch verstärkte Kontrollen vor Ort verhindert werden.
Wir müssen zeigen, was wir besser können. Wir haben unser europäisches Netzwerk in den Coronawochen stabil gehalten, und das hochqualitativ. Deshalb kommen jetzt die Kunden in Teilen zurück. Wir strengen uns natürlich immer an und haben auch in der Krise nicht aufgehört, Neuverkehre zu starten, in Richtung China, Spanien oder nach Österreich, um unser Netz noch umfassender und interessanter zu machen.
Wir schätzen neue Technologien sehr, und Wasserstoff wäre vor allem interessant, um im Nachlauf vom Diesel wegzukommen. Im Hauptlauf haben wir eine Oberleitung, für die wir grün produzierten Strom brauchen, da müssen wir keine Energie für Elektrolyse verbrennen. Aber insgesamt können wir natürlich bei dem Thema durchaus von der Straße lernen.
Es war interessant zu sehen, wie viel direkter Meinungsaustausch über elektronische Medien machbar ist, aber am Ende geht nichts über die physische Präsenz des Gegenübers.
Insbesondere das Überlegen nachhaltigen Handelns.
Ich bin in der Schweiz in einem Eisenbahnland, und Europa wartet auf mehr Eisenbahnen. In einer Position zu sein, von der aus ich das mitgestalten kann, ist außerordentlich zufriedenstellend. Wir sind die helfende Hand für ein nachhaltiges Europa. Das freut mich.
Zur Person
- Michail Stahlhut (52) hat im Juni die Leitung der Hupac-Gruppe übernommen, nachdem er zwei Jahre die Führung der operativen Tochtergesellschaft Hupac Intermodal innehatte.
- Stahlhut war davor seit 2010 Geschäftsführer der SBB Cargo International.
- Der gelernte Eisenbahningenieur hatte seine Laufbahn im Güterverkehr bei der Deutschen Bahn gestartet und war auch bei verschiedenen Privatbahnen tätig.