Fahrermangel? Für das Transportunternehmen Böhm Güterverkehr aus Hannover ist das ein Fremdwort. Denn das Unternehmen setzt mit wachsendem Erfolg auf Vielfalt. „Wer wen liebt, ist uns egal, Hauptsache, die Beziehung zu uns passt“, erklärt Geschäftsführer Markus Böhm gegenüber trans aktuell. So bewirbt sich das Unternehmen gerade um einen Vielfalt-Award der Region Hannover. „Wir rechnen uns gute Chancen aus“, betont Böhm.
Mehr Fahrerinnen
Unabhängig davon wächst auch der Anteil der Fahrerinnen im Betrieb stetig. Am Standort Bad Dürrenberg (Sachsen-Anhalt) sind es bereits 15 Prozent, in absoluten Zahlen sieben. Woher kommt der wachsende Zulauf? „Wie grenzen niemanden aus, sondern geben Jedem und Jeder erst einmal eine Chance“, erklärt der Geschäftsführer. Und auch in Altersfragen gibt es keine Ausgrenzung. So machte der Betrieb sehr gute Erfahrungen mit einem älteren Mitarbeiter, obwohl der gesundheitlich schwer angeschlagen und kaum zu verstehen war. „Es war ein super Typ und strahlte immer Optimismus aus“, erzählt der Geschäftsführer. Zudem fördert das Unternehmen berufliche Neuorientierungen. „Wenn jemand mit rund 60 Jahren zum Fahrer umschulen möchte, ist das bei uns möglich. So haben wir schon einige neue Mitarbeiter gewonnen“, erklärt Böhm. „Unser ältester Kraftfahrer in Vollzeit ist 72“, ergänzt Seniorchef Rüdiger Böhm. In Teilzeit ist auch ein 80-jähriger Fahrer für das Unternehmen tätig. Dieser Mitarbeiter übernimmt Überführungsfahrten.
Nachwuchskräfte aus der Arbeitslosigkeit
Für die Ausbildung gewinnt das Unternehmen regelmäßig Nachwuchskräfte aus der Arbeitslosigkeit heraus. Hier kooperiert das Unternehmen eng mit den Jobcentern. Andere junge Fahrer kommen hingegen über die EU-Kraftfahrerqualifikation zu Böhm. Eine wichtige Rolle spielt natürlich auch die klassische Ausbildung. Im vergangenen Jahr stellte das Unternehmen fünf Auszubildende ein. Was die Bewerbungen betrifft, stellte sich ein interessanter Effekt ein: „Die Anzahl ist gesunken, aber die Qualität ist gestiegen“, stellt der Geschäftsführer fest. „Wir haben Kontakte mit Lehrern, die uns geeignete Bewerber vermitteln.“ Einen erheblichen Teil der Nachwuchskräfte gewinnt das Unternehmen auch über Praktika.
Netzwerke wichtig für den Geschäftserfolg
Als wichtig für den Geschäftserfolg erachtet Böhm zudem Netzwerke. Positiv erwähnt der Geschäftsführer hier den Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN). „Wenn man dort fragt, erhält man gute Antworten.“ Und auch die Wirtschaftsförderungsgesellschaft von Landeshauptstadt und Region Hannover habe gute Angebote und mache daher laut Böhm einen „super Job“. Dazu zählen die bereits erwähnten Kontakte zu Schulen, die von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft hergestellt werden. Und es gibt noch weitere Pluspunkte: Bei einem Workshop dieser Wirtschaftsförderungsgesellschaft habe er mitbekommen, dass es beispielsweise das Projekt „Ökoprofit“ gibt, von dem Böhm Gütertransporte letztlich sehr profitiert habe. Bei „Ökoprofit“ handelt es sich um eine Kooperation zwischen der regionalen Wirtschaft und der Verwaltung. Ziel ist es, die Ökoeffizienz zu steigern. Unternehmen, die an „Ökoprofit“ teilnehmen, reduzieren ihre Umweltbelastungen und senken langfristig die Kosten – beispielsweise durch technische und organisatorische Maßnahmen.Die Umsetzung von „Ökoprofit“ vollzieht sich im Rahmen von Workshops, individueller Beratung und einer Zertifizierung.
Augenmerk auf den Fuhrpark
Wie bei anderen Transportunternehmen auch, gilt das ständige Augenmerk der Geschäftsführung neben Personalthemen dem Fuhrpark. Fuhrparkleiter Sven Löscher verwaltet am Standort Hannover etwa 70 Fahrzeuge – davon einen E-Lkw, genauer gesagt einen E-Actros 300. „Leider!“, erklärt Rüdiger Böhm. Seiner Ansicht rechnet sich der E-Lkw nicht gegenüber einem modernen Diesel-Lkw. „Die Anschaffung ist zu teuer und einen Restwert-Markt gibt es bisher auch nicht.“ Darüber hinaus kostet die Energie beim E-Lkw auf 100 Kilometer rund 10 Euro mehr als bei einem Diesel Lkw, rechnet der Seniorchef vor. Müsste man nicht auch die Mautersparnis beim E-Lkw in diese Rechnung einbeziehen? Der Seniorchef winkt ab: „Bei unserem Gesetzgeber weiß man nie, wie lange so etwas Bestand hat.“ Von der Infrastruktur ganz zu schweigen.
Zweite Ladesäule für 20.000 Euro
Auf dem Betriebshof hat das Unternehmen nun eine Ladesäule angeschafft für 20.000 Euro. Eine Schnelladesäule hätte 100.000 Euro gekostet. Wie steht es um einen zweiten E-Lkw? „Das kommt für uns nicht infrage, zumindest nicht momentan“, erklärt der Seniorchef bestimmt. Fuhrparkleiter Löscher weist zudem darauf hin, wie umständlich das Laden unterwegs wäre. „Das würde mindestens zwei Stunden dauern. Das wäre zu lang.“ Das Unternehmen setzt den E-Lkw daher nur im Nahverkehr ein. Der Seniorchef fragt sich, warum das Wechseln der Batterien nicht stärker vorangetrieben wird. „Leere Batterie an der Ladestation raus, volle rein. Das würde den Fahrern lange Warte- und Ladezeiten ersparen.“ Nach Ansicht Löschers ist der E-Antrieb im Nutzfahrzeug ohnehin nur eine Übergangslösung. „Die Zukunft gehört dem Wasserstoffantrieb.“
Für einige Förderungen zu groß
Um den Fuhrpark rentabel zu halten, ist es notwendig, sämtliche Fördermöglichkeiten im Blick zu behalten. Bei Böhm übernimmt dies Verkehrsfachwirt Sezgin Yazicioglu. „Für einige Förderungen sind wir zu groß, beispielsweise De-minimis“, betont er gegenüber trans aktuell. Anders hingegen bei der Ausbildung. Für jeden Auszubildenden erhält das Unternehmen vom Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) rund 30.000 Euro, wenn die Ausbildung zu Ende geführt wird. „Das ist ein Großteil der Ausbildungsvergütung“, ergänzt Geschäftsführer Böhm. „Das erleichtert uns schon einiges. Es ist allerdings kein Motiv dafür, dass wir ausbilden. Wir würden auch ausbilden, wenn wir die Förderung nicht bekämen.“ Positiv ist Yazicioglu aufgefallen, dass sich 2024 einiges in Sachen Antragstellung vereinfacht hat, verglichen mit den früheren Jahren. „Es müssen nicht mehr so viele Nachweise erbracht werden wie in der Vergangenheit.“ Negativ habe sich in jüngster Zeit allerdings der Verwaltungsaufwand mit Führerscheinen entwickelt, so Marcus Böhm. Es gebe eine wahre Führerscheinbürokratie. „Man bekommt sehr schlecht Termine bei den Behörden, und auf digitalem Weg gibt es oft Störungen“, erklärt Böhm. Einerseits habe die Berufskraftfahrerqualifikation zwar einen enormen Wissens- und Qualitätsschub gebracht, verursache andererseits aber auch enorme Kosten, betont der Geschäftsführer. Zudem geht bis zu drei mal Post hin und her: „Einmal kommt der Führschein, dann die Fahrerkarte, die alle fünf Jahre verlängert werden muss, sowie die 95er-Karte, also die Berufsqualifizierungskarte“, führt Yazicioglu aus.
Verständnis für zunehmende Berichtspflichten
Verständnis hingegen hat Böhm für zunehmende Berichtspflichten. So findet es der Geschäftsführer richtig, dass Kunden wie Daimler und DB Schenker bei Ausschreibungen zunehmend auf die Nachhaltigkeit der Transporte achten. „Wir haben schließlich nur einen Planeten“. Bestimmte Engagements in Sachen Nachhaltigkeit wirken sich zudem günstig auf Kredit- und Leasingraten bei den Banken aus. Für sehr wichtig hält Böhm das Lesen von Fachmedien und auch der Newsletter der Verbände. Dort erfahre man vieles von Pflichten, die sich beispielsweise aus dem Lieferkettengesetz ergeben. „Davon nichts zu wissen, kann sehr teuer werden.“
Das Unternehmen
- Gründung: 1972
- Geschäftsführer: Marcus Böhm
- Hauptsitz: Hannover
- Weiterer Standort: Bad Dürrenberg (Sachsen-Anhalt)
- Geschäftsfeld: Transport von Automobilteilen, Gefahrgütern, lebende Tiere
- Mitarbeiter: 170, davon zehn Azubis
- Fuhrpark: 100 Lkw