Im Spätsommer heißt es in der Transport- und Logistikbranche traditionell: Herzlich willkommen, Nachwuchskräfte! Fiel die Bilanz der Spediteure in den vergangenen Jahren mit Blick auf Besetzungsprobleme durchaus gemischt aus, so gibt es diesmal durchaus positive Signale. So vermeldet die Bundesagentur für Arbeit (BA) zum neuen Ausbildungsjahr ein Plus bei den Fahrberufen. Stand August 2024 waren 4.420 Bewerber in diesem Bereich gemeldet. Dies entspricht einem Anstieg gegenüber dem Vorjahr um sieben Prozent. Allerdings ging die Zahl der Bewerber bei den Logistikberufen insgesamt leicht um ein Prozent auf 17.460 zurück.

„Ein drastischer Rückgang, der für uns extrem alarmierend ist“
Hannes Hirsch, Prokurist bei der Spedition Hirsch aus Ellwangen
Plus bei den Ausbildungsverträgen
Ein Plus gibt es auch bei den Ausbildungsverträgen. Nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) erhöhte sich die Zahl bei den Verkehrs- und Logistikberufen (außer Fahrzeugführung) von 22.512 im Jahr 2022 auf 22.773 im Jahr 2023. Die Zahlen für 2024 liegen laut BA demnächst vor. Bei den Fahrberufen war ein Anstieg von 4.962 auf 5.589 zu verzeichnen. Allerdings haben diese positiven Entwicklungen auch Schattenseiten. „Bei Fahrern gibt es ausgeprägte Besetzungsprobleme bei den gemeldeten Ausbildungsstellen“, erklärt eine Sprecherin der BA gegenüber trans aktuell. Doch damit nicht genug: Es bleiben überproportional viele Bewerber unversorgt. Wie kommt’s dazu? Laut BA gibt es dafür zwei Ursachen. Zum einen befinden sich gemeldete Ausbildungsstellen und interessierte Bewerber in unterschiedlichen Regionen. Zum anderen ist die regionale Mobilität der Ausbildungsbewerber begrenzt. „In der Regel suchen die jungen Bewerber im unmittelbaren regionalen Umfeld einen Ausbildungsbetrieb“, erklärt die Sprecherin der BA.
BA kann unterstützen
Ebenso passen die Anforderungen der Betriebe und die Qualifikation der Bewerber oft nicht zueinander, beispielsweise was Schulnoten oder den Schulabschluss angeht. Die BA kann mit ausbildungsbegleitenden Hilfen, assistierter Ausbildung oder einer Einstiegsqualifizierung dabei unterstützen, dass die Jugendlichen während oder vor der Ausbildung die erforderlichen Qualifikationen erwerben können.

„Wir haben unsere Marketingaktivitäten deutlich ausgeweitet“
Katrin Tremel, Recruiting-Verantworliche bei DHL
DHL erhöht Bewerbungszahlen
Wie eine aktuelle Rückmeldungen aus der Branche zeigen, haben große Branchenplayer tendenziell weniger Probleme als kleinere Mittelständler, Azubi-Stellen zu besetzen. So teilt beispielsweise Deutsche Post DHL auf Anfrage mit, dass etwa 1.500 Nachwuchskräfte in diesen Wochen eine Ausbildung oder ein Duales Studium starten – mehr als in den vergangenen Jahren. „Uns ist es gelungen, auch in diesem Jahr unsere Bewerbungszahlen deutlich zu erhöhen. Dafür haben wir unsere Marketingaktivitäten deutlich ausgeweitet“, betont Katrin Tremel, Recruitingverantworliche bei der DHL Group.
Große Bandbreite an Ausbildungsberufen
DHL bietet dabei an rund 350 Ausbildungsorten fast 30 unterschiedliche Ausbildungsberufe an und gehört damit zu den größten Ausbildungsbetrieben in Deutschland. Die Ausbildungsberufe decken dabei eine große Bandbreite ab. Diese reicht von den Berufskraftfahrern (circa 70 Azubis), Mechatronikern/Elektronikern für Betriebskräfte (circa 140), über Fachkräfte für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen (mehr als 660), Dual Studierende (circa 150), Lagerberufe (circa 90), IT-Berufe (circa 20), Kaufleute für Büromanagement (circa 140), Kaufleute für Spedition und Logistikdienstleistung (mehr als 150) und weiteren Berufe (circa 30).
Zahl der Azubis blieb gleich
Ähnlich gestaltet sich die Situation bei Logistikdienstleister Dachser. In der Dachser-Zentrale in Kempten ist die Zahl mit rund 30 Auszubildenden und Studierenden in den vergangenen drei Jahren Unternehmensangaben zufolge konstant geblieben. Das Gleiche gilt für die Dachser-Niederlassung Karlsruhe in Malsch, wo es 30 Auszubildende und Studierende gibt.

„Nähe zu den Auszubildenden sicherstellen und eine qualitativ hochwertige Ausbildung gewährleisten“
Viola Riegger, HR Specialist/Education bei Dachser Karlsruhe
Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen
Allerdings muss auch Dachser mehr Aufwand betreiben, um an geeignete Azubis zu kommen. Gabriele Saidowski, Head of HR Management Dachser Road Logistics Germany, erklärt dazu gegenüber trans aktuell: „Wir müssen immer größere Anstrengungen unternehmen, um freie Ausbildungsstellen mit qualifizierten Nachwuchskräften zu besetzen und somit das Ausbildungsniveau zu halten. Es ist wichtig, potenziellen Bewerbenden aufzuzeigen, welches breite Spektrum an verschiedenen Berufsbildern die Logistik bietet, um die Logistik attraktiv zu machen.“ Gleichzeitig ist es wichtig, derzeitigen Azubis klarzumachen, welche Entwicklungsmöglichkeiten sie haben, um sie im Unternehmen zu halten. „Dafür haben wir spezialisierte HR-Ansprechpartner und -partnerinnen in unseren Niederlassungen, die die Azubis bei allen Fragestellungen individuell begleiten.“
Unternehmenskultur kennen lernen
Wie Viola Riegger, HR Specialist/Education bei Dachser Karlsruhe, die ergänzt: „Oftmals ist ein Praktikum hilfreich, um den Beruf und insbesondere auch die Unternehmenskultur erlebbar zu machen.“ Insbesondere der Ausbildungsgang ,Kaufmann für Spedition- und Logistikdienstleistungen (m/w/d)‘ sei für potenzielle Auszubildenden schwer zu greifen. „Dabei ist dieser Ausbildungsberuf sehr vielfältig, abwechslungsreich und spannend.“
Engmaschiges Onboarding wichtig
Wie steht es um die Qualifikation der Azubis? Hierzu erklärt Gabriele Saidowski: „Die Auszubildenden sind heutzutage teilweise nicht hinreichend qualifiziert. Ein engmaschiges Onboarding und eine enge Begleitung vom ersten Tag an sind wichtiger denn je – um Qualifizierungslücken zu ermitteln und diese mit der Unterstützung durch HR-Mitarbeitende und durch eine qualitativ hochwertige Ausbildung zu schließen.“ Voraussetzung dafür seien die Lernbereitschaft und das Engagement der Auszubildenden.

„Unternehmen immer größere Anstrengungen, um freie Ausbildungsstellen mit qualifizierten Nachwuchskräften zu besetzen“
Gabriele Saidowski, Head of HR Management Dachser Road Logistics Germany
Tutoren-Community ins Leben gerufen
Bei Dachser Karlsruhe ist zudem eine Tutoren-Community aus Ansprechpartnern aller Abteilungen ins Leben gerufen worden, die die Auszubildenden inhaltlich und persönlich begleiten, ergänzt Viola Riegger. „Als Niederlassung legen wir großen Wert darauf, die Nähe zu den Auszubildenden sicherzustellen und eine qualitativ hochwertige Ausbildung zu gewährleisten.“
Defizite ausgleichen
Ist es notwendig, eventuelle Defizite auszugleichen? Gabriele Saidowski erklärt dazu: „Das ist je nach Ausbildungsberuf und von Azubi zu Azubi sehr unterschiedlich. Allgemein gesprochen, müssen wir die Azubis im Vergleich zu früher immer mehr unterstützen, um die Defizite auszugleichen.“
Drastischer Rückgang an Bewerbern
Während große Logistikunternehmen ihre Ausbildungsplätze nach wie vor besetzen können – wenn auch mit größeren Anstrengungen als früher – so stellt sich die Situation bei Mittelständlern ganz anders dar. Zum Beispiel bei der Spedition Hirsch aus Ellwangen in Baden-Württemberg. Das Unternehmen beschäftigt derzeit rund 70 Mitarbeiter, davon vier Azubis. Wie Prokurist Hannes Hirsch gegenüber trans aktuell erklärt, starten in diesem Jahr nur noch zwei neue Auszubildende. „Dies stellt einen drastischen Rückgang dar, der für uns extrem alarmierend ist“, erklärt der Spediteur. In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen üblicherweise zwischen fünf und sieben Auszubildende jährlich eingestellt. Diese dramatische Verringerung spiegelt nach Ansicht Hirschs sowohl die aktuelle Lage auf dem Bewerbermarkt wider, als auch die veränderten Erwartungen und Anforderungen der potenziellen Auszubildenden.
Häufig nicht die erste Wahl
Hinzu kommt seiner Ansicht nach, dass die Transport- und Logistikbranche häufig nicht die erste Wahl für viele Bewerber sei, die eher Berufe in anderen Bereichen wie der Industrie bevorzugen. „Auch haben wir den Eindruck, dass viele potenzielle Bewerber entweder kein Interesse mehr an einer Ausbildung haben oder sich den Anforderungen nicht gewachsen fühlen.“ Konkret bildet das Unternehmen derzeit einen Auszubildenden zum Fachlageristen und einen weiteren zur Fachkraft für Lagerlogistik aus.
Mangel an qualifizierten Auszubildenden
Insgesamt stellt Hirsch fest, dass es derzeit an qualifizierten Auszubildenden mangelt. „Die Bewerber entsprechen oft nicht den Anforderungen, die für eine erfolgreiche Ausbildung notwendig wären.“ Angesichts des Bewerbermangels ist das Unternehmen jedoch gezwungen, diese Situation zu akzeptieren. Die Spedition Hirsch tauscht sich eng mit Schulen und Bildungsträgern aus, die dem Unternehmen regelmäßig potenzielle Auszubildende empfehlen.
Häufig sprachliche Defizite
Ähnlichen Herausforderungen gegenüber sieht sich auch das Unternehmen Voigt Logistik aus Neumünster. Die Spedition beschäftigt aktuell 450 Mitarbeiter, davon 28 Azubis. In diesen Wochen begonnen 11 junge Menschen dort eine Ausbildung. „Es sind weniger als in den vergangenen Jahren“, erklärt Personal- und Ausbildungsleiterin Stephanie Siebken gegenüber trans aktuell. Bei den elf Azubis handelt es sich um künftige Kaufleute für Spedition und Logistikdienstleistung, Fachlageristen sowie Fachinformatiker der Fachrichtung Systemintegration. Es gebe zu wenig Nachwuchskräfte, erklärt Siebken. Diejenigen, die es gebe, seien aber ausreichend qualifiziert, abgesehen von häufigen sprachlichen Schwierigkeiten.
Ansprache über die sozialen Medien
Unabhängig davon stellt sich vielen Branchenvertretern die Frage: Wie lassen sich junge Menschen überhaupt für eine Ausbildung in der Logistik begeistern? Wie die Logistik-Initiative „Die Wirtschaftsmacher“ empfiehlt, eignet sich vor allem die Ansprache über die sozialen Medien. Die Zielgruppe ist überwiegend auf Instagram oder TikTok unterwegs. Wollen Logistikunternehmen hier maximale Aufmerksamkeit erzeugen, dann muss der Content zeitgemäß und authentisch sein. Wie das funktionieren kann, machen die „Die Wirtschaftsmacher“ bereits mit einigen Unternehmen vor. Konkret geschieht dies im Rahmen der Kampagne „Dein Mega-Praktikum“. Die Erfahrungen der Praktikantinnen und Praktikanten können auf den Social-Media-Kanälen der Wirtschaftsmacher mitverfolgt werden. Erstmalig soll es in diesem Jahr auch „Ratgeber-Reels“ auf dem Instagram-Kanal geben.
Mehr Sichtbarkeit erreichen
Wie ein Sprecher der „Wirtschaftsmacher“ gegenüber trans aktuell erklärt, werde der Logistik hierzulande nicht die Wertschätzung entgegen gebracht, die sie dank ihres systemrelevanten Beitrags für Wirtschaft und Gesellschaft verdiene. Und weiter: „Wir werben bei Unternehmen jeder Größe dafür, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten an der Initiative zu beteiligen – die Logistik braucht noch mehr Sichtbarkeit in Deutschland!“
Was die Spedition Hirsch für Azubis tut
- Ausbilder nehmen sich viel Zeit für individuelle Gespräche, um persönliche, schulische und fachliche Defizite aufzuarbeiten.
- Unterstützung bei den Berufsschulaufgaben oder Führung der Berichtshefte, damit diese den schulischen Anforderungen gerecht werden.
- Regelmäßiges Feedback bei Abteilungswechseln, Notenvergabe, Prüfungen, etc.
- Nachhilfeunterricht, um schulische Lücken zu schließen.
- Unterstützung der Azubis auch bei privaten Anliegen, um sicherzustellen, dass sie sich im Betrieb voll auf ihre Ausbildung konzentrieren können.
- Als Familienunternehmen legt die Spedition Hirsch Wert darauf, dass die Azubis gut ins Team integriert werden und grundlegende Werte wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Durchhaltevermögen und Teamfähigkeit verinnerlichen.
- Sprachkurse für Auszubildende mit Sprachbarrieren.
- Ständiger Kontakt mit den Berufsschulen und der IHK, um die Entwicklung der Azubis zu beobachten und bei Bedarf frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, wie beispielsweise eine Anpassung des Berufsbildes oder das Ergreifen von Disziplinarmaßnahmen.
- Zusammenarbeit mit Kollegen aus der gleichen Nation, um ein Gefühl der Verbundenheit zu schaffen und das Ausbildungsziel effektiver zu vermitteln.