Megawatt-Laden rückt auf die Rampe

MCS-Ladetechnik im Fernverkehr
Megawatt-Laden rückt auf die Rampe

Die Elektromobilität im Schwerlastverkehr steht vor dem Durchbruch: Mit dem Megawatt Charging System (MCS) rückt eine Ladeleistung bis 1,2 Megawatt in Reichweite. Standard und Technik sind klar – nun zählt der Markthochlauf.

Ladepark
Foto: Petchladda - stock.adobe.com

Die Elektromobilität im Schwerlastverkehr steht kurz vor einem Technologiesprung: Das Megawatt Charging System (MCS) ist weitgehend standardisiert – jetzt geht es um den Markthochlauf. Bei einer Fachveranstaltung der Landesagentur e-mobil BW in den Hallen der Kellergroup in Ditzingen berichteten Vertreter von Industrie, Forschung und Politik, wie die Technologie in den Markt kommt und welche Hürden bleiben.

MCS-Standard bringt Fernverkehr voran

Stephanie Wagner (e-mobil BW) ordnete den aktuellen Entwicklungsstand ein. Das MCS ergänzt das bestehende CCS-System, um Lkw mit Ladeleistungen bis 1,2 Megawatt zu versorgen. Damit lassen sich selbst große Batterien innerhalb von 30 bis 45 Minuten aufladen. Anders als CCS setzt MCS auf flüssiggekühlte Kabel, hohe Ströme bis 1.000 Ampere und Spannungen von rund 1.250 Volt. "Die Ladegeschwindigkeit ist der Schlüssel, um Lkw im Fernverkehr einsatzfähig zu machen", erklärte Wagner. Auch Forscher Dr. Daniel Speth vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Fraunhofer ISI betonte die Relevanz: Für regionale Flotten genüge meist Depotladen über Nacht, doch im Fernverkehr sei Megawattladen unverzichtbar.

Ladeinfrastruktur für Elektro-Lkw

Die Datenlage zeige: Der überwiegende Teil der Elektro-Lkw werde im Depot oder am Zielort laden. Doch für Fahrzeuge mit mehr als 100.000 km Jahresfahrleistung seien öffentliche Megawatt-Ladepunkte entlang der Autobahnen entscheidend. Speth rechnet bis 2030 mit bis zu 2.000 Megawatt-Ladepunkten in Deutschland, vor allem an Korridoren wie der A2. Speth verdeutlichte außerdem, dass Ladebedarfe stark vom Einsatzprofil abhängen: Während Verteiler-Lkw mit festen Routen von bis zu 400 Kilometern meist mit nächtlicher Depotladung auskommen, benötigen Fernverkehrs-Lkw mit 500 bis 800 Kilometern Tageslaufleistung leistungsstarke Zwischenladungen. Der Forschungsansatz des Fraunhofer ISI sieht deshalb eine Kombination verschiedener Ladearten vor. Neben Megawattladen an Autobahnen sollen auch regionale Schnellladehubs und Megawatt-Ladepunkte in der Nähe großer Industriecluster entstehen.

Mathieu Meyer, Head of Consulting, Keller Consulting GmbH
Thomas Küppers

„Die Standzeit an der Rampe kann künftig zum Laden genutzt werden“ Mathieu Meyer, Geschäftsführer bei der Kellergroup

Forschung setzt auf Lade-Mix

So könne das Ladenetz resilient aufgebaut werden und auch Bedarfsspitzen abfangen.Auch die Industrie meldete sich mit technischen Details. Kai Moldenhauer, Account Manager bei Alpitronic, schilderte die Entwicklung von den ersten Machbarkeitsversuchen (Proof-of-Concept) bis hin zur Serienreife. Flüssiggekühlte Kabel, Ethernet-Kommunikation zwischen Ladegerät und Fahrzeug sowie Not-Abschaltmechanismen seien bereits erprobt. Eine besondere Herausforderung sei die Haltbarkeit der Stecker, die im Lkw-Betrieb deutlich stärker beansprucht werden als im Pkw-Segment. Hier setze man auf robuste Verriegelungen und Materialien, die mehrere tausend Ladezyklen aushalten – eine wichtige Voraussetzung für den zuverlässigen Einsatz kompletter Flotten.

Industrie prüft Haltbarkeit der Technik

Sven Patuschka, Key Account Manager bei ABB E-Mobility, ging noch tiefer ins Detail: Er präsentierte Tests, bei denen ein Lkw in 19 Minuten von zwei auf 58 Prozent Ladezustand kam. Eine Notabschaltung von 1.000 Ampere gelang in drei Millisekunden – zehnmal schneller als gefordert. ABB prüft zudem den Betrieb bei extremen Temperaturen zwischen minus 35 und plus 50 Grad Celsius. Entscheidend sei, dass Kabel und Stecker auch bei hohen Dauerströmen zuverlässig funktionieren. Für Spediteure bedeutet das mehr Sicherheit im Betrieb, geringeres Risiko von Ausfällen und eine höhere Verfügbarkeit der Fahrzeuge im Alltag. "Partnerschaften mit OEMs waren für uns entscheidend, um vom Laborversuch in die Praxis zu kommen", sagte Patuschka.

OEM-Partnerschaften beschleunigen Praxis

Durch die enge Zusammenarbeit mit Lkw-Herstellern konnte ABB die Technologie direkt an Prototypen erproben und so den Schritt vom Teststand in den realen Betrieb vollziehen. Nachdem die technische Machbarkeit damit klar belegt war, richtete sich der Blick auf die Infrastrukturbetreiber: Dr. Till Kreft, Public Affairs Manager bei Milence, stellte das Betreiberkonzept vor. Das Joint Venture von Daimler Truck, Volvo und Traton plant europaweit Ladehubs, gefördert von der EU. Business Cases rechnen sich durch hohe Auslastung – ähnlich wie bei Tankstellen, nur mit anderer Flächenlogik. Kreft betonte, dass Ladeinfrastruktur künftig ein strategischer Teil des Geschäftsmodells werde. Für Spediteure heißt das: Ladeinfrastruktur wird zum Wettbewerbsfaktor.

Ladehubs als Wettbewerbsfaktor für Speditionen

Während Diesel-Tankstellen überall verfügbar sind, entscheidet beim Elektro-Lkw die Verfügbarkeit von MCS-Hubs über Routenplanung und Wirtschaftlichkeit der Transporte. Sebastian Lahmann, Leiter Team Umsetzen bei der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur (NLL), erläuterte schließlich den Fahrplan bis 2030. Alle 60 Kilometer soll ein Ladehub entlang der Autobahnen entstehen, insgesamt wären das 1.800 MCS-Punkte. Eine Besonderheit ist dabei die Festlegung im Branchenstandard und in technischen Empfehlungen, wonach der Ladeanschluss von Lkw auf der linken Seite vorgesehen ist – eine Vorgabe, die auch für den neuen MCS-Standard als praktischer Standard übernommen wird. Das beeinflusst die Gestaltung der Stellplätze erheblich. Lahmann machte deutlich, dass der Aufbau neuer Ladepunkte an Rastanlagen zwangsläufig auf Kosten klassischer Lkw-Parkplätze geht.

Netzanschlüsse bestimmen Ladehub-Ausbau

Deshalb setzt die Leitstelle auf alternative Konzepte und forciert Ladehubs jenseits klassischer Rastanlagen, beispielsweise auf Logistikarealen mit direkter Autobahnanbindung. Alexander Hewel, Geschäftsführer Kellergroup, betonte, dass die Dimensionierung der Netzanschlüsse zum entscheidenden Faktor werde. Ladehubs mit mehreren Megawatt Leistung könnten nicht an jedem Standort realisiert werden, sondern müssten frühzeitig mit den Netzbetreibern abgestimmt werden. Entscheidend sei, ob die bestehende Infrastruktur vor Ort eine Anbindung in dieser Größenordnung überhaupt zulässt. Hewel machte deutlich, dass Flächen- und Netzaspekte gemeinsam betrachtet werden müssen, um wirtschaftlich tragfähige Projekte zu entwickeln. Für die Praxis bedeutet das: Ohne leistungsfähige Trafos und Netzanbindungen lassen sich geplante Ladehubs nicht umsetzen – mit direkten Folgen für die Standortwahl und die Einsatzplanung von Flotten.

Energie-Hubs für Logistikimmobilien

Damit wird die Ladeinfrastrukturplanung zu einer interdisziplinären Aufgabe, die weit über den klassischen Straßenbau hinausgeht. Einen weiteren Aspekt brachte Mathieu Meyer, Geschäftsführer der Kellergroup, ein. Für ihn ist der Verladehof der Zukunft ein Energie-Hub: Lkw werden nicht nur an öffentlichen Stationen geladen, sondern vor allem während der Be- und Entladung. Dachflächen für Photovoltaik, Batteriespeicher und flexible Lastmanagementsysteme werden dabei zum Standard. "Wir wollen die Standzeit zum Vorteil machen", sagte Meyer. Ziel sei es, Logistikimmobilien so auszurüsten, dass sie selbst Energie erzeugen, zwischenspeichern und bedarfsgerecht abgeben. Meyer betonte zudem, dass Ladeinfrastruktur integraler Bestandteil der Bauplanung werden müsse. Bereits in der Entwurfsphase gelte es, auf ausreichende Netzanschlüsse, Kabeltrassen und Platz für Ladepunkte zu achten. In bestehenden Immobilien sei der nachträgliche Einbau zwar möglich, aber aufwändiger und teurer. Als Beispiel nannte Meyer kombinierte Anlagen aus PV, Batteriespeichern und Ladepunkten, die den Eigenverbrauch optimieren und Spitzenlasten aus dem Netz reduzieren. Für Flotten werden Ladezeiten am Hof damit zunehmend Teil der Disposition – mit dem Effekt sinkender Betriebskosten.

MCS-Standard im Überblick

Das Megawatt Charging System (MCS) ist der internationale Standard für das Laden von schweren Nutzfahrzeugen.

Er wurde in Zusammenarbeit von Industrie, Forschung und der Charging Interface Initiative definiert.

  • Steckertyp speziell für Lkw und Busse
  • Ladeleistung bis zu 1,2 Megawatt
  • Spannungsbereich bis 1.250 Volt, Stromstärke bis 1.000 Ampere
  • Flüssiggekühlte Kabel zur Beherrschung der hohen Ströme
  • Unterschied zu CCS: deutlich höhere Ladeleistung, nur für Nutzfahrzeuge gedacht
  • Besonderheit: Aktuell darf ausschließlich links am Fahrzeug geladen werden.

Damit ist MCS die Voraussetzung für die Elektrifizierung des Fernverkehrs.

Ladeinfrastruktur bis 2030

Die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur hat klare Vorgaben für den Ausbau des Ladenetzes formuliert. Ziel ist, den Hochlauf der Elektro-Lkw bis 2030 abzusichern.

  • Ladehubs im Abstand von 60 Kilometern entlang der Autobahnen
  • Rund 1.800 MCS-Ladepunkte bis 2030 in Deutschland
  • Förderung durch EU-Programme und nationale Töpfe
  • Integration in bestehende Autohöfe und Rastplätze
  • Herausforderung: Netzanschlüsse mit mehreren Megawatt Leistung

Mit jedem neuen Ladehub fallen jedoch Stellplätze für Lkw weg – eine Folge, die Betreiber und Fahrer gleichermaßen betreffen wird.