Die Verbände, die mit der Luftfracht in Deutschland zu tun haben, sind besorgt über deren aktuellen Zustand. „Wir werden Luftfrachtmengen verlieren und nicht wachsen, wenn es so weiter geht“, sagt Marc Jobelius, Mitglied der Geschäftsleitung bei Bouché & Partner aus Mannheim und Vorstandsmitglied im Bundesverband für Luftsicherheit (FASAG).
Jobelius kennt sich sowohl mit dem Straßen- als auch mit dem Lufttransport aus. Bouché & Partner hat einen eigenen Fuhrpark mit 15 Lkw, die vor allem Stückgut transportieren. Seit 2020 startet außerdem ein täglicher Charterflug, der gemeinsam mit Time Matters betrieben wird, mit Ersatzteil-Lieferungen auf die iberische Halbinsel. Die täglich rund 1.000 Ersatzteile werden mit einem eigenen Netzwerk zugestellt.
Nun befürchtet Jobelius, Luftfracht ans europäische Ausland zu verlieren. Seit elf Jahren engagiert er sich im Verband, doch so unzufrieden mit der Lage der deutschen Luftfracht wie momentan war er noch nie.
Im Fokus: Die Cyberschutz-Richtlinie DVO 2019/1583
Das liegt seiner Ansicht nach auch an der Arbeit des Luftfahrt-Bundesamts (LBA) in Braunschweig – der einzig zuständigen Behörde für Luftfracht in Deutschland. Den größten Unmut erzeugte laut Jobelius die Entscheidung des LBA, kurz vor Weihnachten die konkreten Umsetzungsvorgaben für die Cyberschutz-Richtlinie DVO 2019/1583 zu verkünden. Die Richtlinie der Europäischen Kommission überträgt den jeweils zuständigen Behörden die Verantwortung, dass sich die Beteiligten des Luftverkehrs vor Cyberangriffen schützen. DVO 2019/1583 ist bereits am 31. Dezember 2021 in Kraft getreten.

„Wir werden Luftfrachtmengen verlieren und nicht wachsen, wenn es so weiter geht“, sagt Marc Jobelius, Mitglied der Geschäftsleitung bei Bouché & Partner aus Mannheim und Vorstandsmitglied im Bundesverband für Luftsicherheit (FASAG).
Das BMDV hat die finalen Grundsätze der DVO 2019/1583 am 31. Mai 2024 veröffentlicht, die wiederum den zuständigen Behörden viel Spielraum lassen. Doch wie die Regeln zum Cyberschutz für die betroffenen deutschen Unternehmen aussehen, blieb lange unklar. „Die konkreten Umsetzungsvorgaben des LBA für die sichere Lieferkette wurden trotz mehrfacher Nachfragen nicht gegeben“, so Jobelius.
Bis zum 17. Dezember 2024. An diesem Tag habe ihn während eines Verbändetreffens beim LBA in Braunschweig ein Anruf erreicht. Ein Mitarbeiter eines Unternehmens, das an diesem Tag ein Audit beim LBA hatte, teilte ihm folgende Aussage eines LBA-Mitarbeiters mit: „Die ab 1. Januar 2025 umzusetzenden Vorgaben werden am 18. Dezember 2024 nachmittags veröffentlicht. Wir haben heute früh dazu eine Abstimmung gehabt. Das LBA will unnötige Diskussionen mit den Verbänden vermeiden, deshalb wird es erst nach dem Meeting veröffentlicht.“ Das LBA habe ihm gegenüber diese Vorgehensweise bestätigt. Das Ergebnis: Die Luftfahrt-Verbände fühlen sich übergangen.
Schulungen bis zum 1. Januar 2025 nicht umsetzbar
Bis zum 1. Januar 2025 sollte nun auf Wunsch des LBA sämtliches Personal der sicheren Lieferkette entsprechend geschult sein. „Es wurde also gefordert, dass über die Weihnachtsfeiertage Schulungen entwickelt werden für Ausbilder, die es noch nicht gibt“, sagt Jobelius. Die Forderung sei „nicht umsetzbar“.
Zusätzlich fehle noch der Erlass des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV), dass die Cybersicherheit in der Luftfracht überhaupt so geprüft werden darf. trans aktuell hat das LBA mit den Vorwürfen konfrontiert, aber bis zum Redaktionsschluss keine Antwort erhalten.
„Da das Thema Cybersicherheit auch für Luftfrachtspeditionen von akuter Bedeutung ist und bleiben wird, hatten wir hohen Gesprächsbedarf“, sagt Reinhard Lankes, Leiter der Bereiche Luftfrachtspedition, Binnenhafenlogistik, Marktbeobachtung und Statistik beim Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV). Das LBA hätte laut Lankes „sehr viel früher“ mit den betroffenen Verbänden darüber sprechen müssen.
Neben FASAG und DSLV zählen der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS), die Vereinigung der Dienstleister an Deutschen Flughäfen (VDF) sowie der Verband der Air Cargo Abfertiger Deutschlands (VACAD) dazu.
Unmut über abgeschafftes Sonderkontrollverfahren
Unmut herrsche bei den Verbänden auch in Bezug auf das 2019 abgeschaffte Sonderkontrollverfahren. Dieses Verfahren ermöglicht bei bestimmten Waren, die eine Verpackung benötigen, einen „Wischtest“ an der Verpackung und nicht an der Ware selbst. Flüssigkeiten, Granulate oder Pulver fallen in diese Kategorie.
Weil andere europäische Länder das Verfahren noch anwenden, findet laut Jobelius „Fracht-Tourismus“ von Deutschland aus in die Nachbarstaaten statt. „Dies ist ein negativer Standortfaktor für die deutsche Wirtschaft“, sagt Jobelius. Allerdings stellt Frankreich das Verfahren im April 2025 ebenfalls ein. In Österreich läuft es noch.
Es müsse in Deutschland künftig eine Lösung geben, um bestimmte Waren zu sichern, die mittels Röntgentechnik nicht durchdrungen werden können und auch nicht geöffnet werden dürfen – so lautet Jobelius‘ Forderung.
Deutschland setzt EU-Vorgaben streng um
Deutschland setze manche EU-Vorgaben strenger um als andere Länder, wodurch Wettbewerbsnachteile entstünden, sagt Marco Kutscher, Referent für Mobilität und Logistik beim BDI. „Alle Akteure sind sich einig, dass Sicherheit in der Luftfahrt nicht diskutabel ist“, sagt Kutscher gegenüber trans aktuell. Aber der Standort Deutschland sei zu bürokratisch – nicht nur im Bereich Luftfracht. „Zu viel Bürokratie schwächt die Attraktivität des Standorts.“
Dass dieser bereits geschwächt ist, zeigt eine Analyse des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). Während die Luftfracht weltweit im Oktober 2024 auf ein gestiegenes Frachtvolumen von 9,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zusteuerte, habe sich die Entwicklung in Deutschland davon abgekoppelt. An den deutschen Flughäfen wurden nur rund 3,6 Prozent mehr Waren ein- und ausgeladen. Das belegen Zahlen der International Air Transport Association (IATA).
Luftfracht weltweit steigt um 6 Prozent, in Deutschland nur um 1,2 Prozent
Die IATA erwartet für dieses Jahr einen weltweiten Anstieg der Luftfracht um sechs Prozent. Die deutsche Luftfracht werde aber voraussichtlich nur um 1,2 Prozent wachsen. Neben der schwächelnden deutschen Wirtschaft ist diese Entwicklung laut BDL vor allem darauf zurückzuführen, dass sich Frachtfluggesellschaften wegen der schlechten Standortbedingungen in Deutschland zunehmend für Standorte im nahen Ausland entscheiden.
„Damit der Luftfracht-Standort Deutschland auch in Zukunft seine Spitzenposition verteidigen kann, brauchen die deutschen Airlines und Flughäfen attraktive Rahmenbedingungen, etwa bei den Themen staatliche Standortkosten, Zoll und Luftsicherheit“, heißt es vom BDL.