Zwischen konjunktureller Flaute, steigenden Kosten und geopolitischer Unsicherheit sucht der Logistikimmobilienmarkt seinen Kurs für 2026. Auf einer Online-Pressekonferenz von Rücker Consult diskutierten Vertreter von Garbe Industrial Real Estate, HIH Invest Real Estate, Catella Investment Management und Metroplan über Leerstände, Renditen – und neue Nachfragetreiber von E-Commerce bis Defence. Tobias Kassner (Garbe Industrial, Head of Research & ESG), Maximilian Tappert (HIH Invest), Marten Helms (Catella) und Manuel Schrapers (Metroplan) gaben Einblicke in Portfolios und Kundenprojekte.
Rahmenbedingungen: Hohe Kosten, mehr Unsicherheit – aber kein Einbruch
Ausgangspunkt der Diskussion ist ein Umfeld, in dem die Konjunktur seit mehreren Jahren nur schwach wächst, während geopolitische Risiken, Handelskonflikte und Strukturwandel in Lieferketten zunehmen. Parallel sind Bau-, Finanzierungs- und Grundstückskosten in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen – mit Rückgängen von rund 10 bis 15 Prozent, aber ohne Rückkehr auf das Kostenniveau vor 2020.
Für den Investmentmarkt bedeutet das:
- Die starke Renditekompression bis Ende 2021/Anfang 2022 ist vorbei.
- Der Zinsanstieg hat Renditen nach oben getrieben.
- Für die nächsten Jahre erwarten die Experten eher eine seitwärts laufende bis leicht komprimierende Renditeentwicklung.
- Eine Rückkehr zu den Spitzenwerten der Boomphase erwartet hingegen niemand mehr.
Bei den Mieten zeichnet sich ein ähnliches Bild: In Deutschland lagen die jährlichen Mietsteigerungen in der Logistik zuletzt im Schnitt bei rund 6 Prozent. Für die kommenden Jahre rechnen die Marktforscher eher mit moderateren Zuwächsen um etwa 2 Prozent pro Jahr, zwar weiter positiv, aber deutlich abgeflacht.
Leerstände: Regionale Probleme statt struktureller Krise
Prominentes Thema der Konferenz waren die steigenden Leerstände in einigen Logistikregionen. Anders als im Bürosegment sehen die Panelteilnehmer jedoch keine strukturelle Leerstandskrise.
- Deutschlandweit liegt die Leerstandsquote im Logistikbereich weiterhin auf vergleichsweise niedrigem Niveau.
- In einigen Märkten, etwa Leipzig oder Teilen Ostdeutschlands, ist der Leerstand spürbar gestiegen.
- Meist liegt das an zu viel spekulativem Neubau in kurzer Zeit, der sich an der Nachfrage der Boomjahre orientierte und nun auf eine schwächere Konjunktur trifft.
- International zeigt sich ein ähnliches Bild: Länder wie Polen haben massiv neu gebaut, während die Flächennachfrage zurückging.
Aus Sicht der Investoren ist das zentrale Problem weniger der Mietpreis als die Nutzerseite. Tappert schildert das Beispiel Leipzig mit zwei leerstehenden 10.000-Quadratmeter-Einheiten: Selbst eine deutlich niedrigere Miete würde dort keine schnelle Vermietung garantieren – schlicht, weil zurzeit kaum Nutzer große Flächen nachfragen. In den Portfolios von HIH und Catella liegen die Leerstandsquoten nach eigenen Angaben im niedrigen einstelligen Bereich. Insolvenzen einzelner Mieter konnten durch Nachvermietungen häufig kompensiert werden, zum Teil zu höheren Mieten als zuvor. Von einer Umwidmung leerer Logistikhallen in andere Nutzungen, etwa Freizeitflächen, wollen die meisten Marktteilnehmer daher nichts wissen. Im Gegensatz zu Teilen des Bürobestands sehen sie keinen flächendeckenden Druck zur „Rettungsnutzung“.
Investmentmarkt: Weniger Transaktionen, erste Signale eines neuen Zyklus
Der Investmentmarkt zeigt nach dem Zins-Schock weiterhin Zurückhaltung:
- Die Transaktionsvolumina liegen deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt, der durch das Rekordjahr 2021 verzerrt ist.
- Viele Käufer haben lange auf günstigere Preise gewartet, Verkäuferpreise passten sich nur langsam an.
Gleichzeitig gibt es Anzeichen für einen Wendepunkt:
- Die Dekompressionsphase bei den Renditen gilt als weitgehend abgeschlossen.
- In ersten Teilmärkten ist laut Kassner wieder eine leichte Renditekompression und ein Anziehen der Kapitalwerte zu erkennen.
- Helms (Castella) berichtet von zunehmendem Investoreninteresse und laufendem Fundraising für Logistikfonds in Deutschland und Europa.
Beim Ausblick für 2026 gehen die Stimmen leicht auseinander:
- Tappert (HIH) rechnet eher mit einer Seitwärtsbewegung auf dem Niveau von 2025, solange die Konjunktur schwach bleibt und Nutzer zurückhaltend planen.
- Helms (Catella) zeigt sich vorsichtig optimistischer und verweist auf erfolgreiche Nachvermietungen – auch in B- und C-Lagen – sowie steigende Investorennachfrage.
Neue Nachfragetreiber: E-Commerce, asiatische Anbieter und Defence
Trotz Konjunkturbremsen sehen die Experten mehrere strukturelle Treiber, die dem Markt Impulse geben:
E-Commerce: Zurück auf Wachstumspfad
Nach einer Phase der Überkapazitäten und schwacher Konsumstimmung kehrt der E-Commerce aus Sicht von Garbe wieder auf seinen Wachstumspfad zurück. Inflationsbereinigte Online-Umsätze liegen inzwischen wieder auf dem langfristigen Trend, die Aktivitäten nehmen zu. Besonders sichtbar ist das an chinesischen E-Commerce-Anbietern, die eigene Logistikstrukturen in Deutschland aufbauen. HIH beobachtet eine starke Flächensuche insbesondere im Ruhrgebiet. Auch andere internationale Online-Händler und neue Formate nutzen den deutschen Markt verstärkt als Ziel- und Verteilerplattform.
Asiatische Industrie und Investoren
Metroplan berichtet aus der Beratungspraxis, dass vermehrt asiatische Unternehmen – nicht nur aus China, sondern auch aus Japan und Südkorea – Standorte in Europa aufbauen. Für viele dieser Firmen ist Europa primär ein Absatzmarkt, für den:
- Distributionszentren,
- Lagerkapazitäten und
- logistische Hubs
aufgebaut werden.
Standortentscheidungen fallen dabei nicht automatisch zugunsten Deutschlands: Länder wie Polen, Tschechien oder Rumänien punkten mit Förderprogrammen, englischsprachigen Arbeitskräften und hoher „Willkommenskultur“ gegenüber Investoren.
Defence: Theoretisches Großpotenzial, erste konkrete Fälle
Der Bereich Defence gilt als potenziell großer zusätzlicher Nachfragetreiber, steht aber noch am Anfang. Garbe hat europaweit einen theoretischen Flächenbedarf im zweistelligen Millionen-Quadratmeterbereich errechnet – je nach Annahmen zur Aufrüstung und Flächennutzung durch die Rüstungsindustrie.
In der Praxis:
- HIH berichtet von ersten Mietverträgen mit Unternehmen aus dem Defence-Umfeld (z. B. Ersatzteile, Ausrüstung).
- Viele institutionelle Fonds haben aus ESG-Gründen Vermietungen an Waffen- und Munitionshersteller ausgeschlossen.
- Die Branche arbeitet nach Jahrzehnten im „Sparbetrieb“ zunächst mit vorhandenen Standorten und Schichtmodellen
- Erst wenn es nötig wird, geht es in größerem Umfang in Neubauten für Logistik.
Die Experten erwarten daher eher einen langsamen, aber zunehmenden Flächenaufbau im Defence-bezogenen Logistikbereich – mit zeitlicher Verzögerung gegenüber den politischen Ankündigungen.
Deutschland unter Wettbewerbsdruck: Osteuropa und Südeuropa im Fokus
Im Standortwettbewerb sehen die Panelteilnehmer Deutschland unter Druck:
- Hohe Strukturkosten, Energiepreise, lange Genehmigungsprozesse und Unsicherheit in der Industriepolitik schwächen die Attraktivität.
- Gleichzeitig bauen osteuropäische Länder wie Polen, Tschechien oder Rumänien aktiv Infrastruktur auf und werben offensiv um Investoren.
Investorenstrategien werden europäischer:
- Catella fokussiert weiterhin auf Deutschland, Benelux und Frankreich, ergänzt um CEE-Staaten (Polen, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien) sowie Südeuropa (Spanien, Portugal, Norditalien).
- HIH bleibt mit seinem institutionellen Kapital schwerpunktmäßig in Deutschland und den Niederlanden engagiert, prüft aber zunehmend auch Märkte wie Spanien, Portugal, Frankreich und Norditalien.
Aus Sicht von Metroplan ist entscheidend, dass Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit in Industrie und Logistik stärkt, etwa durch effizientere Prozesse und eine verlässliche Energieversorgung.
Stromversorgung als Engpass für E-Lkw und Automatisierung
Ein Querschnittsthema der Diskussion: Strom als limitierender Faktor für künftige Logistikstandorte.
- Nutzer fragen zunehmend nach Ladeinfrastruktur für Pkw- und Lkw-Flotten sowie nach erneuerbaren Eigenstromlösungen (z. B. Photovoltaik mit Speicher).
- Pilotprojekte mit E-Lkw zeigen, dass kaum ein heutiger Standort über ausreichend Netzkapazität verfügt, um große Flotten parallel zu laden.
- Hinzu kommen wachsende Strombedarfe durch Kühlung
- Aber auch die IT-Infrastruktur (z. B. Rechenzentren) treiben den Energiebedarf nach oben.
Die Experten sehen hier vor allem Politik und Netzbetreiber in der Verantwortung: Schnellere Genehmigungen für Netzausbau, Transformatoren und Umspannwerke gelten als Voraussetzung, damit Logistik- und Industrieimmobilien ihren Elektrifizierungsbedarf decken können.
➤ Fazit: Seitwärtsmarkt mit Chancen – und Risiko eines neuen „Schweinezyklus“
Unterm Strich erwarten die Panelisten für 2026 keine Trendwende, sondern einen Seitwärtsmarkt:
- moderates Mietwachstum,
- stabile bis leicht rückläufige Leerstände,
- vorsichtig anziehende Investmentaktivität.
Gleichzeitig weist Garbe darauf hin, dass ein klassischer „Schweinezyklus“ möglich ist: Wenn Fertigstellungen weiter zurückgehen, die Konjunktur anzieht und E-Commerce sowie Defence für zusätzliche Nachfrage sorgen, könnten Flächen in einigen Jahren wieder knapp werden. Das erzeuge dann einen entsprechenden Druck auf die Mieten. Für Projektentwickler, Investoren und Nutzer bedeutet das: Wer heute sorgfältig Standorte auswählt, Strominfrastruktur mitdenkt und die neuen Nachfragesegmente im Blick behält, verschafft sich im nächsten Zyklus einen Vorsprung.
Das Wichtigste in Kürze
- Fokusjahr: 2026, Blick auf den deutschen und europäischen Logistikimmobilienmarkt
- Umfeld: schwache Konjunktur, hohe Kosten, geopolitische Unsicherheit
- Renditen: Dekompression abgeschlossen, leichte Kompression möglich
- Mieten: Wachstum weiter positiv, aber nur noch rund 2 % p.a. erwartet
- Leerstand: regional erhöht (z. B. Leipzig), insgesamt weiter moderat
- Nachfrage: E-Commerce, asiatische Anbieter, Defence als Treiber
- Standortwettbewerb: Osteuropa und Südeuropa gewinnen an Bedeutung
- Engpass: Strom- und Netzinfrastruktur für E-Lkw und Automatisierung
- Ausblick: Seitwärtsmarkt mit Chance auf neuen Aufschwung bei wieder anziehender Konjunktur






