Armin Riedl: Das abgelaufene Jahr hat hinsichtlich der Ladungsmengen in Europa keine Verbesserung gebracht. Auch Kombiverkehr spürt die Auswirkungen der tiefsten Wirtschaftsflaute, die die Dimension der Krise von 2008/2009 schon überschritten hat. Beim Volumen haben wir das Geschäftsjahr 2024 daher nur fast auf dem Niveau 2023 abgeschlossen – wir liegen rund fünf Prozent unter den Vorjahreszahlen. Wir haben dennoch in einem schwierigen Jahr 2024 zwei neue Zugprodukte erfolgreich eingeführt: im März den Zug Rotterdam-Köln sowie im September einen Zug zwischen Antwerpen und Irun. Von dort aus besteht achtmal pro Woche in beiden Richtungen Anschluss nach Madrid. Damit investieren wir weiter in den Wachstumsmarkt Spanien. Zum Jahreswechsel kam im Nordeuropaverkehr noch ein Zug zwischen Duisburg und Hallsberg in Schweden dazu. Wir werden das Geschäftsjahr 2024 – insgesamt betrachtet – gut abschließen, auch wenn uns nicht zuletzt mehrere Einzelereignisse in der Infrastruktur Sendungsvolumen gekostet haben. Im letzten Quartal des Jahres 2024 haben beispielsweise nicht nur umfangreiche Umbauarbeiten am Rangierbahnhof München-Ost stattgefunden. Diese wurden zudem nicht fristgerecht fertiggestellt. Das hat uns Ladung gekostet.
Heiko Krebs: Die Schieneninfrastruktur war im ganzen Jahr ein Dauerbrenner-Thema. Kombiverkehr verzeichnete zeitweise 10 bis 15 Prozent Zugausfälle aus operativen Gründen, und das sowohl im deutschen als auch im europäischen Netzwerk, wobei der Schwerpunkt der Infrastrukturarbeiten ganz klar auf Seiten des deutschen Netzes liegt. Aktuell ist die Rheintalstrecke wieder gesperrt, was auch unsere Relation Rotterdam/Duisburg–Mortara betrifft. Seit November des letzten Jahres werden auf der Tauernstrecke zwischen Salzburg und Villach Bauarbeiten durchgeführt. Für neun Monate ist uns damit der direkte Weg nach Triest beziehungsweise Ljubljana in Slowenien versperrt, so dass wir weite Umwege fahren müssen. Bei einer Frequenz von fünf Abfahrten in der Woche sind während mancher Bauarbeiten also nur zwei bis drei Abfahrten durchführbar. Generell führen die Bauarbeiten zu deutlichen Frequenzreduzierungen, die das Leistungsbild und die Wirtschaftlichkeit der Verkehre beeinflussen.
Krebs: Bei der Traktion haben wir uns tatsächlich neu erfunden, denn die Unsicherheit im Vorgriff auf die Kommissionsentscheidung war uns einfach zu groß. Was, wenn die Traktion durch DB Cargo untersagt worden wäre wie bei der französischen Fret SNCF? Zusammen mit unserem Verwaltungsrat hatten wir uns daher bereits frühzeitig entschieden, verstärkt auf die eigene Traktion zu setzen und für die Transformation einen einigermaßen zeitlich ausreichenden Vorlauf zu haben.
Riedl: Dabei ging es nicht nur um die Lok vorne am Zug, sondern letztlich auch um die Gesamtabwicklung des Verkehrs, von den Wagen über die Auftragsabwicklung bis zum Zusammenspiel im internationalen Geschäft. Seit Anfang Februar haben wir das vollbracht – 100 Prozent der umzustellenden Zugprodukte werden nun von anderen direkten Beförderungspartnern ausgeführt. Insgesamt sind 18 EVU jetzt Traktionspartner von Kombiverkehr, 11 davon sind gleichzeitig auch direkte Vertragspartner. Heißt: Manche EVU fahren im Unterauftrag von unseren Vertragspartnern.

Kombiverkehr-Geschäftsführer Armin Riedl fordert eine Infrastruktur-Finanzierungslösung, die alle Verkehrsträger umfasst.
Krebs: Ein großes Paket verantwortet KombiRail, eine 100-prozentige Tochter von Kombiverkehr, die den gesamten nationalen Verkehr übernimmt, plus den kontinentalen Verkehr zwischen Deutschland und den Niederlanden sowie zwischen Duisburg und dem polnischen Poznan. Bevor KombiRail den Verkehr hochfahren konnte, mussten Triebfahrzeuge angemietet, Lokführer besorgt und das gesamte Back-Office an die größere Aufgabe angepasst werden. Aufgrund der Paketgröße konnte die Umstellung der Verkehre aber nicht an einem einzigen Tag zum Fahrplanwechsel im Dezember stattfinden. Wir haben daher eine Hochlaufkurve vereinbart, die im August 2024 mit den zwei Verbindungen Hamburg–Köln und Hamburg–Ludwigshafen gestartet ist. Im Monatstakt kamen weitere Züge hinzu.
Riedl: Das zweite große Paket liegt bei Lokomotion. Auch hier haben wir aufgestockt, jedoch vor dem Hintergrund einer ganz anderen Herausforderung. Denn Lokomotion war bisher vor allem Teil-Dienstleister in den internationalen Verkehren, hat seine Leistungen also an die DB Cargo verkauft, die uns diese wiederum im Ramen eines Gesamtproduktes weiterverkauft haben. Diese Rolle als Teil-EVU hat sich verändert, Lokomotion agiert jetzt als vertraglicher Beförderer und hat in dieser Funktion mit fünf EVU die Produkte re-designt, die künftig unter Lokomotion laufen. Auch hier sind wir mit einer Hochlaufkurve ab Juli gestartet.
Riedl: In Teilbereichen kauft Lokomotion auch Leistungen von DB Cargo ein, und auch Kombiverkehr ist in Teilbereichen weiter Kunde von DB Cargo, etwa in Frankreich und in Spanien. Zudem ist DB Cargo Dienstleister für zwei Zugprodukte nach Schweden und für den Zug Köln–Melzo. Ein weiteres Traktionspaket liegt in der Verantwortung der schweizerischen SBB Cargo International, die für uns von Mortara – südwestlich von Mailiand gelegen – nach Duisburg, Rotterdam und Gent fährt, teilweise auf der französischen Seite. Damit haben wir immer eine zuverlässige Alternative mit lokaler Streckenkenntnis der Lokführer als Ergänzung zur Rheintalstrecke. Außerdem fährt die SBB für uns die Züge Antwerpen–Duisburg und Köln–Basel.

Kombiverkehr-Geschäftsführer Heiko Krebs wünscht sich eine baldige Umsetzung der neuen KV-Richtlinie durch die EU-Kommission.
Krebs: Zunächst ist zu sagen, dass wir in bestimmten Verkehren weiterhin die Waggons im Gesamtpaket beim vertraglich verantwortlichen EVU einkaufen. Bei den Verkehren mit KombiRail, und in geringerem Umfang trifft dies auch auf Lokomotion zu, ist dem jedoch nicht so. Hier galt es als Kombiverkehr die Wagen am Markt anzumieten, unter anderem auch bei der DB Cargo.Zum jetzigen Zeitpunkt kam uns bei dieser Maßnahme sicherlich auch die aktuelle Wirtschaftsflaute zugute. Denn diese hat eine Auswirkung auf die Verfügbarkeit von rollendem Material. Vor zwei Jahren hätte eine Waggonanmietung in der für uns erforderlichen Menge sicherlich nicht in der Kürze der Zeit funktioniert. Heute haben wir nun etwa 2.500 Waggons täglich im Kombiverkehr-Netzwerk im Einsatz. Davon sind 361 unser Eigentum und 1.300 sind angemietet, um mal die Dimensionen aufzuzeigen.
Krebs: Als Kombiverkehr haben wir Zugriff auf die Zuglaufdaten aller EVU, die nun für uns im Einsatz sind. Kombiverkehr verarbeitet die Daten im eigenen IT-System und kann die Transportinformationen bis runter auf die einzelne Ladeeinheit im Kundenportal zur Verfügung stellen, etwa Parameter wie die Estimated Time of Pickup. Im Grunde können wir sogar mehr Transparenz anbieten, weil auch Disponenten von KombiRail hier bei uns im Hause in Frankfurt sitzen. Bei Problemen haben wir also sehr kurze Wege in der Abstimmung und Kommunikation! Auch die Datendrehscheibe KV4.0 hat uns übrigens geholfen, schneller die neuen Verbindungen aufzubauen. Daher ist es uns ein wichtiges Anliegen, das Datenaustauschformat weiterzuentwickeln.Riedl: Abschließend müssen wir konstatieren, dass das alles eine unheimliche Mannschaftsleistung war, auch wegen der vielen Einzelthemen. Und auch die DB Cargo hat mit dazu beigetragen, dass der Wechsel reibungslos verlief.
Riedl: Ja, DB Cargo ist Gesellschafter der Kombiverkehr KG und zur Stunde gibt es auch keine Anzeichen, dass DB Cargo an diesem Status etwas verändern will. Die DB behält zudem ihren Geschäftsbereich mit dem Schwerpunkt kontinentales und maritimes Intermodalgeschäft, und ist damit auch weiter aktiv im Markt.
Krebs: Der Bund hat sich entschieden, die Mittel für die Sanierung der Infrastruktur in Form von Eigenkapital in die DB InfraGO einzubringen. Dies führt zu einem Verzinsungsanspruch des Eigenkapitals, der durch höhere Einnahmen ausgeglichen werden muss. Und dies geschieht über die Trassenpreiserhöhung. Das macht für 2025 eine Erhöhung von rund 16 Prozent aus. Weitere Preiserhöhungen sind bereits angekündigt. Bei einem Standardzug beläuft sich die Preiserhöhung gegenüber unseren Kunden auf rund drei Prozent. In der aktuellen Situation, wo jeder auf Kostensenkung achtet, ist das viel Geld. Und wenn die Trassenpreisentwicklung tatsächlich so weitergeht, wird es durchaus sehr schwierig für den Sektor.
Riedl: Wir brauchen daher endlich eine echte Verkehrspolitik. Man kann nicht einfach mal mit einer Eigenkapitalerhöhung mit solchen weitreichenden Folgen um die Ecke kommen. Stellen Sie sich das mal auf der Straße vor, wenn sich von jetzt auf gleich die Lkw-Maut verdreifachen würde. So wird der Schienen-Sektor geschädigt. Kombiverkehr hat daher eine einfache Forderung: Trassenpreise und Straßenmaut dürfen sich nur gemeinsam verändern, ansonsten müssen wir über eine Verlagerung auf die Schiene auch nicht reden. Wir würden einer Trassenpreiserhöhung auch zustimmen, wenn sich Qualität und Produktivität verbessern, sprich ein flächendeckendes Netz für 750-Meter-Züge möglich ist. Die aktuelle Erhöhung ist aber Gift für den Markt.
Riedl: Mir sind noch keine guten PPP-Modelle untergekommen, auch nicht auf der Straße. Ich finde ehrlich gesagt die Forderung der Beteiligten im Straßengüterverkehr auch zu kurz gesprungen. Der Güterverkehr braucht die Schiene – ohne sie würde etwa der alpenquerende Verkehr zum Erliegen kommen. Deswegen sollten wir Finanzierungslösungen finden, von denen alle Verkehrsträger profitieren.
Riedl: Wir wünschen uns von der Politik bessere Rahmenbedingungen, sodass etwa zusätzliche Kosten planbarer sind. Weiter halten wir daran fest, dass Lkw im Vor- und Nachlauf zum Kombinierten Verkehr mautbefreit sein sollten.
Krebs: Wir wünschen uns zudem endlich Investitionen in das Netz, die sich verstetigen, und zwar dauerhaft. Ein zusätzliches Plus wären weitere Terminalinvestitionen. Die Förderrichtlinie hierfür steht fest, aber bis jetzt ist sie nicht ausreichend dotiert für den Bedarf an Neubauten und Reinvestitionen. Das Instrumentarium der Förderrichtlinie ist grundsätzlich sehr erfolgreich, aber erste Terminalanlagen sind am Ende ihrer Nutzungsdauer und müssen erneuert werden.
Riedl: Wir finden es sehr enttäuschend, dass es der Kommission nicht gelingt, eine Richtlinie für den KV zu installieren, die einen europäischen Rechtsrahmen für wichtige Themen im Kombinierten Verkehr schafft, etwa zur Definition des KV, zum Vor- und Nachlauf sowie für Maße und Gewichte. Scheinbar ist hier die Schwierigkeit groß, dass bei sehr vielen Faktoren Einigkeit bestehen muss.Krebs: Es wird kolportiert, dass für die Richtlinie auch bei der EU als möglicher Umsetzungstermin mittlerweile 2034 als realistisch eingeschätzt wird.Riedl: Mein Berufsleben wird scheinbar nicht dafür ausreichen, dass ich die Modifizierung der Richtlinie, die 1992 das letzte Mal geändert wurde, noch erleben werde.
Das Aufkommen von Kombiverkehr im Jahr 2024
- Kombiverkehr hat im vergangenen Jahr 780.000 Sendungen (minus 5 Prozent) und insgesamt 1,5 Millionen TEU transportiert.
- Davon entfielen auf das nationale Netzwerk 180.000 Sendungen (minus 3 Prozent), international wurden rund 600.000 Sendungen befördert (minus 6 Prozent).
- Insgesamt beförderte der KV-Operateur täglich mehr als 3.100 Lkw Transporte in seinem Netzwerk. Dadurch werden rund 1,12 Millionen Tonnen CO2 durch Transporte auf der Schiene vermieden.