Kirchheim führt Fraunhofer IML

Kirchheim führt Fraunhofer IML
Botschafterin für Open Source

Prof. Alice Kirchheim hat zum 1. April die Nachfolge von Prof. Michael ten Hompel am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik angetreten. Welche Themen und Projekte aktuell wichtig sind.

Fraunhofer IML, Prof. Alice Kirchheim
Foto: Fraunhofer IML
eurotransport.de Frau Prof. Kirchheim, Sie haben zum 1. April die Nachfolge von Prof. Michael ten Hompel am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML Dortmund angetreten. Wie waren die ersten Monate?

Prof. Alice Kirchheim: Auf mich sind erst einmal so viele Themen zugekommen, dass ich gar nicht gemerkt habe, wie schnell die ersten Monate vorbeigegangen sind. Das Fraunhofer IML in Dortmund bietet eine große Bandbreite an Themen, in die ich mich derzeit einarbeite: Intralogistik, Materialflüsse und deren Planung, Künstliche Intelligenz (KI) und natürlich die „Dauerbrenner“ wie Verpackungslogistik und Nachhaltigkeit – um eine Auswahl zu nennen.

evoBOT, Fraunhofer IML, Michael Neuhaus
Fraunhofer IML/Michael Neuhaus
Künstliche Intelligenz fürs Lager: Das Fraunhofer IML entwickelt den evoBOT, der die Vorteile eines humanoiden Roboters besitzt.
Zusätzlich leiten Sie den Lehrstuhl für Förder- und Lagerwesen FLW der Technischen Universität Dortmund. Wie funktioniert die Doppelfunktion bislang?

Im Februar und März dieses Jahres war ich bereits am Lehrstuhl und habe die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennengelernt. Meine ersten Lehrveranstaltungen werde ich im Wintersemester 2024/2025 halten. Seit April lerne ich das Fraunhofer IML kennen. Ich merke aber schon jetzt, dass es kein Spagat wird. Die Arbeit am Lehrstuhl der TU Dortmund und die am Fraunhofer IML sind menschlich und thematisch vernetzt. Vieles greift ineinander.

Welche Trends und Entwicklungen in der Logistik beschäftigen Sie derzeit am meisten?

Das Thema KI steht gerade ganz oben. Das Fraunhofer IML entwickelt zum Beispiel den evoBOT, der die Vorteile eines humanoiden Roboters besitzt, aber technisch nicht so komplex ist. Wir suchen derzeit aktiv nach Unternehmen, die den Prototyp testen wollen und erhalten dafür viele Anfragen. Außerdem beschäftigen wir uns mit generativen Sprachmodellen, sogenannten Large Language Models (LLM), mit deren Hilfe wir zum Beispiel mobile Roboter programmieren werden. Mit LLM lassen sich auch Nachhaltigkeitsberichte automatisch generieren. Dazu forschen wir ebenfalls. Digitalisierung und Automatisierung bieten in der Logistik viel Potenzial. Es gibt noch zu viele manuelle Prozesse, bei denen Papier eingesetzt wird.

Fraunhofer-Institut fuer Materialfluss und Logistik IML
Fraunhofer-Institut fuer Materialfluss und Logistik IML
Im Rahmen des European Robotics Forums 2024 hat das am Fraunhofer IML entwickelte fahrerlose Transportfahrzeug LoadRunner die internationale Auszeichnung Technology Transfer Award gewonnen.
Welche Lösungsansätze entwickelt das Fraunhofer IML dafür?

Wir fördern den Open-Source-Ansatz und arbeiten daran, skeptischen Unternehmen die Vorteile aufzuzeigen. Das Fraunhofer IML hat die Gründung der Open Logistics Foundation initiiert. Rhenus, Duisport, Dachser und DB Schenker haben sie 2021 zu dem Zweck gegründet, gemeinsam Software-Lösungen für Standard-Aufgaben zu entwickeln. Außerdem bieten wir Unternehmen mit fehlenden eigenen Entwicklungsressourcen Open Labs an, in denen wir dann mehrere Unternehmen zu einem Thema zusammenbringen. Dabei steuern wir die Entwicklungsressourcen bei – alles natürlich als Open Source.

Welche Rolle übernehmen Sie bei den Projekten?

Ich bilde gerade in den großen strategischen Projekten die Brücke zum Management in den Unternehmen. Häufig fühle ich mich wie eine Außenministerin, die das Fraunhofer IML mit den aktuellen Trends und Themen sowohl in der Öffentlichkeit, während der Projektinitiierung, aber auch in der Presse vertritt.

Welche Highlights stehen in diesem Jahr noch an?

Am 4. und 5. September findet in Dortmund die IN2AI statt, die erste KI-Messe in Nordrhein-Westfalen. Veranstalterin ist die Messe Dortmund. Parallel veranstaltet das Fraunhofer IML den traditionsreichen Zukunftskongress Logistik – in diesem Jahr in Veranstaltungskooperation mit AI24, einer Konferenz des Lamarr-Instituts für Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz. Im Rückblick war natürlich die Logimat in Stuttgart ein Highlight. Dort haben wir auch den evoBOT präsentiert. Außerdem entwickeln wir stets unsere Projekte weiter und vermelden, wenn es Fortschritte gibt.

Zur Person

  • Vor ihrem Start am Fraunhofer IML forschte und lehrte Prof. Alice Kirchheim seit März 2021 im Bereich der Planung und Auslegung von Logistiksystemen an der Helmut Schmidt Universität/Universität der Bundeswehr in Hamburg.
  • Zuvor lehrte sie als Professorin an der Hochschule Aalen.
  • Von 2013 bis 2019 war sie in verschiedenen Unternehmen der Kion Group in unterschiedlichen Positionen im Vertrieb manueller und automatischer Logistiksysteme tätig.
  • Kirchheim hat an der Technischen Universität Hamburg-Harburg studiert und verfasste ihre Dissertation über die Erkennung von Stückgütern für die automatische Entladung aus Ladungsträgern.

Der evoBot des Fraunhofer IML

  • Kollaborativer Transportroboter, der Objekte in variablen Höhen schieben, ziehen und wenden kann.
  • Bei gleichbleibender Basis sind verschiedene Greifkonzepte möglich.
  • Das Erscheinungsbild soll die Hemmschwelle einer Interaktion zwischen Menschen und Roboter senken.
  • Besteht aus zwei doppelten Pendeln (ein Arm- und ein Beinpaar) und erinnert optisch an einen Segway.