Stephan Opel: Wir sind natürlich stark abhängig von den fast täglich wechselnden politischen Gegebenheiten. Zusammen mit unseren Gesellschaftern beraten wir unsere Kunden und unterstützen sie sowohl bei Zollthemen als auch im Bereich der internationalen Handelsrouten. Aber natürlich können auch wir nur reagieren, wenn immer wieder veränderte Zollsätze und andere Ausnahmesituationen diskutiert werden. Das beste Beispiel sind die aktuellen bilateralen Verhandlungen zwischen den USA und China. Eine weitere Unsicherheit stellen die politischen Versuche, einen Friedensvertrag zwischen Russland und der Ukraine zu erwirken, dar. Sollte dies gelingen – was wir alle inständig hoffen – würden in punkto Wiederaufbauhilfe massive Themen auf uns zukommen. Wann und in welcher Ausprägung, ist aktuell leider nicht absehbar.
Wir merken, dass viele Kunden aufgrund der schlechten Planbarkeit verhalten agieren. In der Bevölkerung ist eine massive Unsicherheit festzustellen, was sich wiederum im Kaufverhalten niederschlägt. Momentan halten viele Menschen ihr Geld zurück. Die Sendungsmengen sind daher im Moment nicht zufriedenstellend, aber stabil. Wir haben es geschafft, auf dem Niveau vom vergangenen Jahr zu bleiben und hoffen, dass das so bleibt. Viel mehr kann man in der jetzigen Situation nicht erwarten.
Für das nächste Jahr zuverlässige Prognosen abzugeben, ist fast unmöglich. Aktuell bleiben zu viele entscheidende Fragen unbeantwortet. Unsere Vorhersage für diesen Sommer ist aber mit 2024 vergleichbar. Von daher sind wir leicht positiv gestimmt. Gleichzeitig optimieren wir unsere Verkehre und Hauptläufe im Netzwerk – nicht nur, um die Wirtschaftlichkeit zu steigern. Sondern auch, um Transporte zu vermeiden und damit dem Thema ökologische Nachhaltigkeit Rechnung zu tragen.
Das ist ein großes Thema, an dem wir mit Hochdruck arbeiten. Wir stellen uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung. Mit unseren Gesellschaftern haben wir die relevanten Themen besprochen und ein gemeinsames Commitment erstellt. Darin haben wir den Status quo und die nächsten Schritte definiert. Wie schaffen wir es, perspektivisch ein grünes Netzwerk zu etablieren? Einen konkreten Zeithorizont gibt es für dieses Ziel noch nicht. Bis 2030 vollumfänglich klimaneutral zu agieren – was einige Unternehmen als Ziel propagieren – halten wir nicht für realistisch. Dazu sind wir zu sehr von den zukünftigen politischen Entscheidungen abhängig. Allein die benötigten Ladeinfrastruktur an Lkw-Parkplätzen zu installieren wird mehr als zwei Jahre dauern.
Auf EU-Ebene gibt die Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe AFIR sowie die zur Festlegung von Emissionsnormwerten bei Nutzfahrzeugen etwas mehr Planungssicherheit. Diese Richtlinien halten wir deshalb für sehr wichtig. Aber der klassische Mittelstand kann die Energiewende nicht ohne Hilfe stemmen. Andere Länder sind da schon weiter und werden von staatlicher Seite besser gefördert. Die Politik lässt Unternehmen momentan in der Warteschleife hängen. Dabei kommt es nun auf eine enge Zusammenarbeit aller Akteure, den zügigen Ausbau der Lade- und Wasserstoffinfrastruktur sowie auf wirksame politische Anreize an, um die ambitionierten Klima- und Flottenziele zu erreichen.
Ich denke, die neue Bundesregierung hat verstanden, dass sie mehr Geld für diesen Bereich freimachen muss. Das Schlimmste wäre, wenn man das enorm wichtige Sondervermögen wieder mit dem normalen Bundeshaushalt verrechnen würde – das wäre eine Nullnummer. Die neue Regierung ist sich natürlich bewusst, dass die Infrastruktur eine riesige Rolle spielt und dass zum Beispiel bei der Energiewende über alle alternativen Antriebsformen nachgedacht werden muss. Da wird etwas kommen. Die Frage ist, wie schnell wir vorankommen, denn der Fachkräftemangel spielt dabei eine große Rolle. Es fehlt an den Menschen, die Dinge umsetzen.
Wir spüren ihn vor allem im gewerblichen Bereich, im Umschlag und bei den Berufskraftfahrern und -fahrerinnen. Der Fachkräftemangel ist bereits jetzt eklatant, trotz der wirtschaftlichen Schwächephase. Wir werden daher in den nächsten Jahren verstärkt ausbilden, um Nachwuchskräfte an uns zu binden. Darüber hinaus müssen wir die Arbeit an sich attraktiver gestalten, die Menschen anders greifen.
Den Fahrern muss man zum Beispiel geregeltere Arbeitszeiten und Planbarkeit bieten. In unserem Projekt „Zukunftsraum Stückgut“ geben wir den Auszubildenden und dual Studierenden die Chance, eigene Ideen zu entwickeln. Sie bekommen ein Thema für ein Projekt und arbeiten das dann von A bis Z durch. Im Moment sind sie unter anderem an den Themen Kommunikation und Nachhaltigkeit dran und stellen ihre Ergebnisse auf unserem Netzwerkforum im November vor. Im letzten Jahr, als wir mit dem „Zukunftsraum Stückgut“ gestartet sind, war der digitale Lieferschein das Thema. Der „Zukunftsraum“ ist ein toller Ansatz, aber wir können auch das Problem Fachkräftemangel nur gemeinsam lösen. Es gibt noch immer zu viele Unternehmensinhaber, die sich gegen neue Wege wehren und sie blockieren. Das muss sich ändern.
Foto: Stephan Opel überreicht beim Netzwerkforum 2024 Urkunden an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Ausbildungsprojekts „Zukunftsraum“.
Das Netzwerk
- NG.network wurde Anfang 2023 als Nachfolgenetzwerk des System Alliance Netzwerk gegründet. Geschäftsführer ist Stephan Opel.
- Gesellschafter: Gebrüder Weiss (Memmingen), Hellmann Worldwide Logistics (Osnabrück), Streck Transportgesellschaft (Freiburg), Friedrich Zufall (Göttingen), Rhenus Logistics (Unna), Honold (Neu-Ulm).
- 48 Partner
- Rund 6,4 Millionen Sendungen im Jahr 2024.
Zukunftsraum Stückgut
- Das Pilotprojekt wurde 2024 von NG.network und seinen Gesellschaftern gegründet.
- Seit 2025 sollen jährlich zehn Auszubildende die Möglichkeit bekommen, spannende Zukunftsthemen zu bearbeiten.
- In diesem Jahr sind Auszubildende von Gebrüder Weiss, Hellmann Worldwide Logistics, Rhenus Logistics, der Streck Transportgesellschaft und der Zufall logistics group dabei. Themenbereiche: ökologische Nachhaltigkeit im Stückgut, KI und Digitalisierung in der Logistik, Kommunikation und Wissenstransfer im Netzwerk.
- Beim Netzwerkforum Stückgut 2025, einem internen Netzwerkevent im November, stellen sie ihre Projekte und Erkenntnisse vor.
trans aktuell-Symposium zum Thema Stückgut
Das nächste trans aktuell-Symposium „Chancen im Stückgutmarkt nutzen, Profitabilität steigern“ findet am 11. September bei der Zufall logistics group in Göttingen statt. Zufall und NG.Network sind die Gastgeber. Im Fokus stehen die Themen Nachhaltigkeit, Digitalisierung sowie die aktuelle Lage auf dem Stückgutmarkt. Stephan Opel wird ebenfalls einen Vortrag halten. In der Mittagspause erhalten die Teilnehmer Einblicke ins zufall.lab, der Experimentierwerkstatt der Zufall logistics group. Mehr Informationen & Anmeldung unter: eurotransport.de/tasymposien