Interview mit Kai Althoff: „Das Netzwerk lebt“

Interview mit Kai Althoff
„Das Netzwerk lebt“

Kai Althoff, CEO von 4flow, ist seit August ehrenamtlich Vorstandsvorsitzender der Bundesvereinigung Logistik (BVL) – wie er die BVL weiterentwickeln will.

Kai Althoff, BVL
Foto: BVL/Rainer Kaysers, Montage: Monika Haug
Eurotransport.de: Herr Althoff, Sie sind seit August Vorstandsvorsitzender der Bundesvereinigung Logistik. Welche Themen beschäftigen Sie zum Start?

Kai Althoff: Ich unterscheide zwischen Themen innerhalb der BVL und Themen nach außen. Wir als BVL wollen uns signifikant weiterentwickeln. Für uns als Verein waren die Corona-Jahre schwierig. Es ist toll, was virtuell alles funktioniert. Aber der persönliche Austausch, eine Kernkompetenz eines Netzwerks wie der BVL, ist auf der Strecke geblieben. Gleichzeitig haben sich Logistik und Supply Chain rasend schnell weiterentwickelt und es besteht jetzt Handlungsbedarf. Megatreiber wie Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Globalisierung und De-Globalisierung, Coupling und De-Coupling und die Krisen weltweit beeinflussen Logistik und Supply Chain Management. Wir müssen uns entlang der Supply Chain alle helfen. Es gibt daher viele neue Teilnehmende in Logistik und Supply Chain Management, die auch auf der BVL Supply Chain CX vertreten waren – vor allem aus dem Softwarebereich.

Gab es in der Corona-Zeit einen Mitgliederschwund bei der BVL?

Nein, gab es nicht und das ist ein Kompliment für die BVL. Im Gegenteil. Wir haben gemerkt, dass wir eine tolle Basis haben. Das Netzwerk lebt.

Wie wollen Sie die BVL weiterentwickeln?

Wir wollen offen sein für neue Unternehmen und vor allem auch für jüngere Gesichter. Denn oft sind bei den Megatreibern junge Leute die Innovatoren. Start-ups sind zum Beispiel sehr wichtig für unseren Bereich. Wir wollen offener sein als in der Vergangenheit – vor allem gegenüber Menschen, die noch nicht zu unserem Netzwerk gehören. Wir müssen viel internationaler werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das ist auch einer der Gründe, warum unsere jährliche Veranstaltung nicht mehr Deutscher Logistik-Kongress heißt, sondern BVL Supply Chain CX. Auf der Veranstaltung hat sich unser neuer Ansatz gezeigt. In der Expo-Area haben wir zum Beispiel eine klassische Ausstellung mit Bühnen verbunden, um das Erlebnis spontaner, jünger und frischer zu gestalten. Wir wollen Barrieren abbauen. Man soll unkompliziert ins Gespräch kommen. Der Erfolg gibt uns recht: Wir haben in diesem Jahr 30 Prozent mehr Teilnehmende als im letzten Jahr verzeichnet.

Was sind derzeit die größten Herausforderungen der Logistikbranche?

Ich bin zum Glück ein positiver Mensch und sehe eher die Chancen als die Risiken. Aber wir spüren natürlich die großen globalen Probleme, wie zum Beispiel den Ukraine-Krieg, die sich auf die Supply Chains auswirken. Die Logistik ist eben vernetzt. Nachdem die Bundesregierung zum Beispiel bei dem Hochlauf der E-Autos den Stecker gezogen hat, haben wir natürlich nicht mehr die Volumina, mit denen wir gerechnet haben. Das geht an der Logistik nicht spurlos vorbei. Die Herausforderungen sind riesengroß, aber es besteht auch Hoffnung. Der Logistikindikator von BVL und dem ifo Institut zeigt, wie das Geschäftsklima gerade in der Logistik ist und wie es werden wird. Im August waren die Erwartungen erstmals seit drei Jahren höher als die aktuelle Lage. Das bedeutet, dass wir in drei bis sechs Monaten einen Aufschwung sehen könnten.

Welche Lösungsansätze gibt es für die derzeitigen Herausforderungen?

Wir als Logistik müssen unsere Situation selbst in die Hand nehmen, müssen innovativ sein und investieren. Aber wir benötigen auch ein wenig die Unterstützung der Politik. Wir brauchen gezielte Investitionen in Innovationen und in die Infrastruktur – für die Straße und die Schiene. Allein im Schienenverkehr liegen die Pro-Kopf-Investitionen in vielen anderen europäischen Ländern drei- bis viermal so hoch wie in Deutschland. Wir sind in Europa ein Loch der Investitionen. Das sollte nicht unser Anspruch sein. Außerdem sind wir auf Rang 22 der digitalen Infrastrukturen weltweit. Wenn ein Logistikzentrum eröffnet und der Internetanschluss auf Anhieb funktioniert, ist das die große Ausnahme. Das macht uns in Zukunft nicht wettbewerbsfähig.

Wie sollte die Politik die Logistikbranche unterstützen?

Schon vor zehn Jahren sollte Bürokratie abgebaut werden, aber stattdessen produzieren wir jedes Jahr zehnmal so viele Regularien wie damals. Es gibt eine Regelungswut der Politik und sie trifft Entscheidungen, die sie so nicht treffen sollte. Die Logistik und die BVL wollen noch nachhaltiger werden. Wir wollen eine Säule der Nachhaltigkeit sein. Die Politik sollte die Rahmenbedingungen bieten und uns unseren Job machen lassen. Das ist leider in den letzten Jahren nicht zu beobachten gewesen. Das soll aber kein Politik-Bashing sein. Wir möchten frühzeitig in die Gesetzgebungsverfahren eingebunden werden. Die Sachlichkeit sollte im Vordergrund stehen.

Inwieweit wird Ihre Funktion als CEO von 4flow eine Rolle spielen? Den Vorstandsvorsitz üben Sie anders als Ihr Vorgänger Thomas Wimmer ehrenamtlich aus.

Im neuen BVL-Präsidium, bestehend aus Ilse Henne, Stephan Wohler und mir, bin ich für IT und Dienstleistungen zuständig. Für mich ist das Passion und Aufgabe zugleich. Ich arbeite nach wie vor 100 Prozent bei 4flow. Dadurch entstehen Synergien. Und da ich das, was ich mache, gerne mache, ist es kein Problem für mich, für das Ehrenamt in der BVL eine Extrameile zu gehen.

Was sind Ihre Vorhaben für 2025?

Das Thema Politik wollen wir verstetigen. Wir als BVL wollen ein etablierter Interessenvertreter für die Logistik in der Politik sein. Außerdem wollen wir die Plattform der BVL Supply Chain CX weiterentwickeln. Die Planungen fürs nächste Jahr haben schon begonnen. Die Schwerpunktthemen Infrastruktur, Digitalisierung, Fachkräftemangel, Energiewende und globale Lieferketten, die wir gesetzt haben, werden bleiben. Und wir werden über die Themen reden, die darauf aufbauen. Das wird ein intensives Jahr werden, auf das wir uns freuen.

Zur Person

  • Kai Althoff ist seit August 2024 ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender der Bundesvereinigung Logistik (BVL).
  • Hauptamtlich ist er CEO von 4flow, einem Anbieter von Logistikberatung, Logistiksoftware und 4PL-Dienstleistungen. Im Jahr 2000 war Althoff Mitbegründer von 4flow. Bis 2020 war er Chief Operating Officer (COO).
  • Er folgt auf Thomas Wimmer, der nach 25 Jahren aus dem BVL-Präsidium ausscheidet.