Hegelmann: Überhaupt nicht, wir fahren ja auch für Sennder und sind bei der Digitalisierung sehr weit vorn. Ich sehe auch keine Ausschließlichkeit für entweder die analoge oder die digitale Spedition. Wir sind in beiden Welten zu Hause. Die Themen sind äquivalent. Sprich: Die Information in der Logistik ist genauso wichtig wie der physische Transport. Lieber investieren wir etwas mehr in die IT als in Assets. In den nächsten zwei bis drei Jahren werden wir sicherlich fünf bis zehn Millionen Euro in unsere IT-Systeme stecken. Mit cleveren Systemen sparen wir bares Geld, werden effizienter und noch wettbewerbsfähiger.
Wir sind dabei, Lagerflächen aufzubauen. Doch da quasi keine Flächen frei sind, ist der Aufbau eines Lagernetzwerks ein schwieriges Unterfangen. Statt mit Value-added-Services kann ich im Wettbewerb vielmehr mit digitalen Services bestehen und mir so Vorteile verschaffen.
Mit dem IT-Systemhaus Abona, das im selben Gebäude wie unsere Deutschlandholding in Bruchsal seinen Sitz hat, haben wir einen sehr starken Partner, der unser TMS entwickelt hat.
Als Nächstes werden wir eine ETA-Funktion einbinden, um Kunden proaktiv über die voraussichtliche Ankunftszeit informieren zu können. Zugleich haben wir unser Alertmanagement verbessert, das uns frühzeitig bei möglichen Störungen warnt. Diese ganzen Maßnahmen werden 2021 bei uns einen massiven Effizienzschub auslösen, was sowohl die Informations- als auch die Datenqualität angeht. Mit unseren Fahrern kommunizieren wir bereits heute zeitgemäß in Echtzeit über Apps.
Wir sind mitten im Rollout einer Driver-App zur Abfahrtskontrolle. Der Fahrer prüft ab, ob das Fahrzeug in einwandfreiem Zustand ist, hinreichend Mittel zur Ladungssicherung an Bord sind und vieles mehr. Es gibt die Möglichkeit, Fotos zu machen und in Echtzeit an die Disposition zu schicken. Eine weitere App zum Ordermanagement, also zur Auftragsübermittlung, ist bereits im Einsatz. Für viele Mitarbeiter heißt das umdenken. Erst waren sie Fahrer, dann wurden sie von manchen zu Piloten aufgewertet, jetzt sind sie User.
Die Älteren tun sich schwerer, die Jüngeren naturgemäß leichter. Unsere Driver-Academy bildet die Fahrer mehrere Tage im Umgang mit Tablets und Apps aus. Das hat seinen Grund: Wir müssen Digital Leader werden.
Das verbessert die Effizienz und die Strukturen. Erfuhr der Chef früher von einem Schaden, informierte er seine Sekretärin, und drei Wochen später war der Schaden an der Sendung geklärt. Heute liegen uns solche Informationen in Echtzeit vor. Der Fahrer macht ein Foto, drei Minuten später wird die Reklamation bearbeitet. Wir sparen mit Sicherheit zehn Prozent der Kosten in der Administration, da wir deutlich weniger Kräfte benötigen, die den Dingen hinterhertelefonieren müssen. Bei unserer Mitarbeiterzahl reden wir von sehr hohen Summen. Durch diese Ersparnis hat der Fahrer die Chance, mehr zu verdienen. Und der Kunde bekommt einen besseren Service.
Das ist leider überhaupt nicht möglich. Wir haben rund 15.000 aktiv geführte Kunden in Europa. Und jeder Kunde ist anders, viele wollen weiterhin alles in Papierform.
Eine höhere Geschwindigkeit, eine bessere Datenqualität und deutlich mehr Effizienz. Beim E-CMR meine ich übrigens nicht einen gescannten CMR, sondern einen komplett digitalen Informationsfluss, der die Begleitdokumente überflüssig macht. Wir möchten beim E-CMR gerne ein Pilotprojekt fahren und das am liebsten schon 2025 umgesetzt sehen. Dazu braucht es die nötigen Server und Strukturen im Hintergrund. Dazu muss aber auch ein Umdenken in den Köpfen stattfinden. Ein Kontrolleur muss dann nicht mehr die Dokumente des Fahrers prüfen, sondern sich in sein eigenes Notebook einloggen, weil die Daten ja längst auf seinem Server liegen müssen.
Weil Deutschland noch in einer Komfortzone ist. Der Wohlstand basiert auf Errungenschaften, die nicht digital waren. Wenn wir uns in Deutschland aber nicht schnell die nötige Digitalkompetenz aneignen, geht unser Wohlstand verloren. In Lettland, wo ich auch eine Firma angemeldet habe, kann ich digital unterzeichnen. In Polen ist das ebenfalls möglich. Und in Deutschland? In Frankfurt kann ich es nicht, in Bruchsal erst recht nicht. Wir hinken gnadenlos hinterher.
Zur Person
- Siegfried Hegelmann führt mit seinem Cousin Anton Hegelmann die Geschäfte der Hegelmann Group, die in 26 Niederlassungen in Europa etwa 7.000 Mitarbeiter beschäftigt und rund 4.000 Fahrzeuge einsetzt. Gegründet wurde das Familienunternehmen 1998 in Bruchsal von den Brüdern Georg, Alexander und Waldemar Hegelmann.
- Siegfried Hegelmann wurde in Kasachstan geboren und kam mit sechs Jahren nach Deutschland. In Mannheim studierte er Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Controlling und Steuerrecht. Der 37-Jährige erinnert sich noch gut an die Firmenanfänge und verschiedene Touren, bei denen er seinen Vater Georg begleitete.