Forum Schienengüterverkehr in Berlin: Wann sich die Schienengüter rechnen

Forum Schienengüterverkehr in Berlin
Wann sich die Schienengüter rechnen

Wann rechnen sich Schienengüterverkehre? Darum ging es unter anderem beim „Forum Schienengüterverkehr“ in Berlin. Und noch weitere wichtige Branchenthemen wurden diskutiert.

Autonomer MAN TGX unterwegs im DUSS-Terminal in Ulm-Dornstadt
Foto: MAN Truck & Bus

Im Fokus des zweitägigen Kongresses stand dabei das Thema „Klimaschutz und Konsum in Einklang bringen“. Gastgeber waren der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME). VDV-Verbandsvize Joachim Berends erklärte eingangs, die Schiene sei der klimafreundlichste Verkehrsträger Europas.

Erhöhung der Lkw-Maut als Erfolg gewertet

Dies bestätigte auch Nyke Slawik (Bündnis 90/Die Grünen), stellvertretende Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag. Demnach stoßen Lkw das achtfache an klimaschädlichen CO2-Emssionen verglichen mit Güterzügen aus, das Binnenschiff immerhin doppelt so viel. „Die Schiene ist und wird auch zukünftig der klimafreundlichste Verkehrsträger bleiben“, betonte Slawik. Als Erfolg der nun zu Ende gehenden Wahlperiode wertete sie Investitionen von 27 Milliarden Euro in die Schiene, das Genehmigungsbeschleunigungsgesetz und die Schaffung der DB Infrago. Als Erfolg wertete sie auch die Erhöhung der Lkw-Maut, worauf das Publikum teilweise verstimmt reagierte.

Fünf Millionen Geräte auf der Schiene

Auf die Schiene als klimafreundlichen Verkehrsträger setzt auch der Hausgerätehersteller BSH und transportiert einen Teil seiner fertigen Produkte auf der Schiene. Das Unternehmen beabsichtigt, die absoluten indirekten Scope-3-Emissionen, die sich unter anderem aus der Logistik ergeben, bis 2030 um 15 Prozent zu reduzieren – verglichen mit 2018. Auf der Schiene transportiert BSH rund fünf Millionen Fertiggeräte jährlich, was 30.000 Fahrten mit dem Lkw einspart. Dies vollzieht sich mit 9.500 Waggons und 48.000 Containern.

Produktionsstandorte ans Gleis angeschlossen

Sämtliche Produktionsstandorte in Deutschland sind an das Gleisnetz angeschlossen. „Wir würden gerne sämtliche Produkte auf der Schiene transportieren“, erklärte Referent Jonas Egerer von BSH. Allerdings rechne sich nicht jeder Schienentransport, so Egerer. „Kostenvorteile für Schienentransporte ergeben sich nur auf langen Strecken und bei Verwendung größerer Waggons mit vier Achsen.“ Zu den aktuellen Verkehren von BSH zählen beispielsweise die Verbindungen Giengen-Nordhäfen mit 145 Rundläufen jährlich oder Giengen-Triest mit 75 Rundläufen im Jahr.

Herausforderungen auf der Schiene

Die Liste der Herausforderungen auf der Schiene ist für BSH allerdings lang. Dazu zählen beispielsweise eine marode Infrastruktur mit Streckensperrungen- und Störungen sowie Baustellen. Risiken stellen auch Preiserhöhungen im Einzelwagenverkehr oder die Trassenpreise dar. Auch die Digitalisierung stockt bisweilen im Güterverkehr und macht sich mit fehlenden Track- und Trace-Lösungen bemerkbar.

Risikoverteilung auf mehrere Verkehrsträger

Demgegenüber stehen allerdings Pluspunkte wie eine signifikante CO2-Einsparung, eine Risikoverteilung auf mehrere Verkehrsträger wie auch ein höheres Transportvolumen pro Waggon verglichen zum Lkw-Transport. Verlader wie auch Spediteure sind darüber hinaus unabhängiger von Kraftstoffpreisen und weniger vom Fahrermangel betroffen. Auf der Habenseite stehen auch eine höhere Flexibilität beim Be- und Entladen.

Weniger Stickoxide und Feinstaub

Einen weiteren Weg, Klimaschutz und Konsum zu vereinen, zeigte auch Dimitri Lagun, Director Supply Chain bei der Warsteiner Brauerei, auf. Er betonte: „Durch unsere Logistikkonzepte reduzieren wir CO2-Emissionen um etwa 80 Prozent verglichen zum herkömmlichen Straßengüterverkehr.“ Verbunden damit sind auch 60 Prozent weniger Stickoxide und 50 weniger Feinstaub. Direkt neben der Warsteiner-Brauerei hat das Unternehmen eine multimodales Terminal errichtet. Die Vorteile liegen auf der Hand. Denn eine Palette mit Warsteiner-Bier wiegt etwa eine Tonne. Per Lkw können somit etwa 24 Paletten transportiert werden. „Diese Limitierung gibt es im multimodalen Verkehr nicht“ , führte Lagun aus. Es können vier bis fünf zusätzliche Paletten geladen werden. „Dies bedeutet bis zu 20 Prozent weniger Kosten pro Flasche oder pro Hektoliter Bier.“

Neue Kunden akquirieren durch Auslagerung

In den vergangen Jahren hat sich allerdings ein Nachteil in der Logistik von Warsteiner ergeben: Aufgrund sinkenden Bierkonsums können die von der Warsteiner-Brauerei ausgehenden Züge nicht komplett mit Bier ausgelastet werden. Daher entschied sich das Unternehmen für einen anderen Ansatz. Seit 2021/2022 hat sich die Logistiksparte aus der Brauerei ausgegliedert – die heute unter dem Namen Boxx Intermodal Logistics firmiert. Mit 49 Prozent ist auch die Firmengruppe des Unternehmers Navid Thielemann an Boxx beteiligt. Im Zuge der Ausgliederung ist es nun möglich, auch externen Kunden Door-to-Door-Transporte anzubieten. Mithilfe der Firma Thielemann soll dieses Ziel noch stärker vorangetrieben werden.

Streckennetz ausbauen

Konkret geht es darum, die bestehenden Züge durch das zusätzliche Seefrachtvolumen der Thielemann Group sowie das große Neukundenpotenzial der Region rund um den Unternehmensstandort Warstein besser auszulasten. Zudem soll das Streckennetz ausgebaut werden. Das KV-Terminal in Warstein wird außerdem von verschiedenen Reedereien als Boxendepot in der Region genutzt.

Potential der Schiene heben

Auf der Schiene liegt noch viel Potential brach. Darauf wies Tobias Rost vom Eisenbahn-Logistiker und Waggonvermieter- und -bauer VTG hin. Demnach betrug der Modal-Spliut Rail im Jahr 2024 bundesweit lediglich 19,3 Prozent. Das verkehrspolitischen Sektorziel der Bundesregierung sieht hingegen eine Steigerung des Marktanteils der Schiene auf 25 Prozent am Güterverkehr bis 2030 vor. Zudem habe die Industrie in der Breite wenig Erfahrung und Vertrauen in die Schiene, betonte Rost. Um den Schienenverkehr attraktiver zu organisieren, stellte Rost unter anderem das flexible „Pay-per-load-Konzept“ vor. Das heißt im Kern: Waggons sind nur bei Beladung zu bezahlen.