Folgen von Corona und Suez: Wenig Umdenken bei Lieferketten

Folgen von Corona und Suez
Wenig Umdenken bei Lieferketten

Corona oder die Suezblockade werden nach Einschätzung von Dachser-Vorstandschef Burkhard Eling das Rad der Globalisierung nicht zurückdrehen. Der neue CEO stellt sich den Fragen der Fachzeitschrift trans aktuell.

Wenig Umdenken bei Lieferketten
Foto: Thomas Küppers
trans aktuell: Herr Eling, in Zeiten des Lockdowns boomt der E-Commerce. Wie intensiv sind Sie als Online-Shopper unterwegs?

Eling: Ich versuche, vor Ort zu kaufen und regionale Strukturen zu stützen. Im Lockdown nutzen meine Familie und ich das Prinzip Click & Collect des Handels. Hin und wieder greifen wir auch auf das Internet zurück, versuchen die Online-Einkäufe aber weitgehend zu beschränken.

Wie groß ist dann der Ärger, wenn eine Sendung nicht pünktlich eintrifft?

Fairerweise muss man sagen, dass die Liefertreue sehr hoch ist. Und einen gewissen zeitlichen Puffer plant man besser ein.

Ist Ihre Kundschaft auch so verständnisvoll, wenn die Ware zu spät eintrifft? Die Havarie im Suezkanal hatte ja enorme Auswirkungen, auch Dachser ist davon betroffen.

Dachser ist mit rund 100 Containern auf der Ever Given betroffen. Das Schiff ist durch die Behörden festgesetzt, und laut Medienberichten fordert die ägyptische Suezkanalbehörde von den Eignern eine Milliarde Dollar Schadenersatz.

Dachser
Dachser-Chef Eling: Die Suche nach den richtigen Lösungen und alle Bemühungen, die Supply Chain aufrechtzuerhalten, führen zu höheren Kosten.

Bis die Container bei den Kunden ankommen, werden also wohl noch Wochen vergehen – ebenso bis der Betrieb auf dem Suezkanal zur Normalität zurückkehrt. Dachser hat schnell reagiert und für die Kunden mit Ware auf der Ever Given, aber auch anderen Schiffen, die von den Auswirkungen der Havarie betroffen sind, nach Lösungen gesucht. Das hat zu einem zusätzlichen Aufwand, aber auch zu einem großen Verständnis bei den Kunden geführt.

Die Containerschifffahrt ist ja schon deutlich vor der Havarie aus dem Takt geraten. Wie dramatisch stellt sich die Situation dar?

Die Situation aus dem Winter wiederholt sich: Wir haben es mit sehr knappen Leerkapazitäten zu tun, und die Zuverlässigkeit einiger Häfen lässt zu wünschen übrig. Ich rede hier im Wesentlichen von Häfen außerhalb Europas. Die Situation der knappen Leercontainer können wir nur durch eine noch engere Zusammenarbeit mit den Reedern in den Griff bekommen.

Ihre Kritik fällt eher verhalten aus, warum schimpfen Sie nicht wie andere Branchenvertreter über das Verhalten der Reedereien?

Wir sehen die Problematik. Schimpfen hilft allerdings wenig, wir müssen für unsere Kunden Lösungen finden. Eine Lösung liegt im richtigen Mix aus langfristig gesicherten Kapazitäten und kurzfristig hinzu gebuchten, um zusätzliche Spitzen aufzufangen. Das ist ein wenig wie bei einem Sitzplatz im Flieger. Je kurzfristiger man bucht, desto teurer ist er.

Erkennen Sie einen Trend, dass Ihre Kunden aufgrund der Einflüsse auf die Logistik – ob durch Corona oder einen blockierten Handelsweg – ihr Sourcing und ihre Supply Chains grundsätzlich überdenken?

Nein, weder ein blockierter Kanal noch eine Pandemie wird unsere Wirtschaft von der Globalisierung abrücken lassen.

Einen großen Wandlungsprozess sehen wir derzeit nicht. In gewissen Bereichen erleben wir – auch aufgrund der Erfahrungen durch Corona – einen Trend zu mehr regionalen Strukturen, zum Beispiel im Bereich Health Care. Es wird künftig noch mehr auf einen intelligenten Mix an regionalen und globalen Produktionsstrukturen ankommen. In Summe werden die weltweiten Lieferketten aber weiter bestehen bleiben.

Wie sehr ist Dachser angesichts der zunehmenden Fragilität der Lieferketten gefordert, Kunden noch intensiver über Lieferketten und Anfälligkeiten zu beraten?

Dachser verfügt glücklicherweise seit Jahren über ein stabiles und erfahrenes Key Account Management, das die jeweiligen Supply Chains analysiert und gemeinsam mit den Kunden optimiert. Unser Anspruch ist schon lange, neben unserer Rolle als Logistikdienstleister auch als Berater und Servicepartner zur Verfügung zu stehen. Das gilt insbesondere auch für die Verkaufsteams in den Niederlassungen.

Müssen Ihre Key Account Manager die Kunden aufgrund der erhöhten Lieferketten-Komplexität eigentlich auf Preiserhöhungen einstellen?

Abgesehen von den regulären Anpassungen haben wir wegen Corona keine Preiserhöhungen durchgeführt. Die Suche nach den richtigen Lösungen und alle Bemühungen, die Supply Chain aufrechtzuerhalten, führen aber ohne Frage zu höheren Kosten.

Können Sie skizzieren, welche Lösungen Dachser entwickelt, um die Lieferkette in schwierigen Zeiten aufrechtzuerhalten?

Ein Beispiel: Aufgrund der weggebrochenen Passagierkapazitäten in der Luftfracht sind wir auf eigene Charter umgestiegen. Dachser hat rund 150 Charterflüge selbst organisiert. Gechartert haben wir schon vorher, nicht aber in diesem Umfang. Wir gehen davon aus, dass es gut und gerne noch zwei Jahre dauern wird, bis die Passagierkapazitäten wieder so verfügbar sind wie früher. Solange wird uns das Chartern von Frachtkapazitäten für die Fracht mindestens erhalten bleiben.

Inwiefern mussten Sie in der Seefracht und im Landverkehr umdisponieren?

In der Seefracht haben wir keine wesentlichen Änderungen vorgenommen, wir sehen aber einen Trend hin zu LCL-Verkehren.

Im Landverkehr verfügen wir über ein bewährtes Netzwerk. Das hat so gut funktioniert, dass wir noch mehr Mengen in das eigene Netz gespeist und noch weniger auf Bedarfsverkehre gesetzt haben. Was die Zugverkehre über die Seidenstraße angeht: Das Segment wächst stetig, wir haben aber aufgrund von Corona keinen sprunghaften Anstieg von Bahnverkehren verzeichnet.

Ob per Flugzeug, Seeschiff, Zug oder Lkw – der Kunde will wissen, wann die Ware eintrifft, erst recht wenn es zu Verspätungen kommt. Wie genau will er künftig informiert werden?

Dachser-Servicemitarbeiter können auf Active Report – das ist unser Monitoring-Tool für den gesamten Transportverlauf – und damit auf den aktuellsten Status der Sendungen zugreifen. Unseren Kunden stellen wir dann ausgefeilte Plattformen zur Sendungsverfolgung zur Verfügung. In diesem Zusammenhang werden auch Themen wie die errechnete voraussichtliche Ankunftszeit (ETA) für uns immer wichtiger.. Wir werden dafür bis Ende 2022 rund 8.000 Wechselbrücken mit solarbetriebenen, 5G-fähigen Ortungsgeräten ausstatten und die gewonnenen Daten zunächst für die Optimierung unserer eigenen Produktionsabläufe verwenden

Was ist, wenn die Sonne nicht scheint – fallen die solarbetriebenen Tags dann aus?

Diese Gefahr besteht eher nicht. Dachser hatte umfangreiche Pilotprojekte mit 100 Einheiten, die erfolgreich auch im Winter – in ganz Europa – im Einsatz waren.