Elektrische Lkw: Logistik fordert Tempo

Elektrische Lkw vor dem Durchbruch
Warum die Logistik schneller elektrifizieren will

Neue Zahlen zeigen: Die Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs steht kurz vor dem Durchbruch. Doch fehlende Ladepunkte, Netzengpässe und langsame Genehmigungen verhindern den schnellen Markthochlauf.

E-Lkw-Laden in der Zukunft
Foto: ETM/KI-generiert via OpenAI

Die Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs kommt in der DACH-Region technisch wie wirtschaftlich voran. Doch während Logistikunternehmen bereits investieren und erste Flotten im Alltag testen, stockt die Skalierung an anderer Stelle: fehlende Ladepunkte, langsame Genehmigungen und unzureichende Netzkapazitäten drohen den Markthochlauf auszubremsen. Das zeigt eine neue Studie der Beratungsfirma BearingPoint, für die 400 Expertinnen und Experten aus Logistik, Fahrzeugentwicklung, Energie und Flottenmanagement befragt wurden. Die Botschaft der Studie ist eindeutig: Die Branche ist bereit, die Rahmenbedingungen sind es nicht.

Technik reif, Alltag noch nicht: die größten Hürden beim Umstieg

Batterieelektrische Lkw gelten inzwischen als technisch marktreif. Reichweiten von über 500 Kilometern, etwa beim Mercedes eActros 600 oder dem MAN eTruck, ermöglichen erstmals auch Einsätze im regionalen Fernverkehr. Doch laut Studie bleiben drei zentrale Hindernisse:

  • Reichweiten- und Einsatzsicherheit (59 %): weniger ein technisches Problem, mehr ein operatives. Ladepunkte, Disposition und Energiemanagement müssen reibungslos ineinandergreifen.
  • Unzureichende Ladeinfrastruktur (51 %): Die Zahl der verfügbaren Lkw-Ladepunkte ist viel zu gering.
  • Unsichere Restwerte batterieelektrischer Fahrzeuge (37 %): Eine Investitionsbremse für viele Fuhrparks.

Hinzu kommt, dass Unternehmen sich in einem wirtschaftlich angespannten Umfeld bewegen: Für 51 % ist Kostenmanagement aktuell das zentrale Thema. Transformationen stehen hinten an, solange Margen und wirtschaftliche Stabilität bedroht sind. Dass die Branche dennoch in den Startlöchern steht, zeigt die Erwartungshaltung: 51 % der Befragten sehen E-Lkw im Nahverkehr, 38 % im Verteilerverkehr als wahrscheinlichste Antriebslösung der kommenden fünf Jahre.

Ladeinfrastruktur bleibt der entscheidende Engpass

Rund 700.000 Nutzfahrzeuge über 3,5 Tonnen sind in der DACH-Region unterwegs. Doch nur ein Bruchteil davon ist elektrisch: In Deutschland sind es gerade einmal 2.300 schwere E-Lkw – weniger als ein Prozent.

Der Blick auf die Ladeinfrastruktur zeigt das Ausmaß:

  • 248 öffentliche Lkw-Ladepunkte in Deutschland
  • 1.100 Ladepunkte europaweit
  • Bedarf bis 2030: rund 10.000 Ladepunkte

Viele Logistikunternehmen planen daher eigene Lösungen im Depot – schlicht, weil Ladepunkte unterwegs nicht verfügbar oder nicht leistungsfähig genug sind. Doch selbst dort hakt es: Netzanschlussleistungen fehlen, Planungsprozesse dauern Jahre, Flächen sind knapp. Und auch die Politik hat Nachholbedarf: Die europäische AFIR-Verordnung (Alternative Fuels Infrastructure Regulation) schreibt alle 60 Kilometer Ladeoptionen vor, ein Ziel, das Deutschland weit verfehlt. Zwar sind über das Programm „Lkw-Schnellladenetz Deutschland“ 350 Standorte bis 2030 geplant, doch aus Sicht der Branche reicht das bei weitem nicht für eine echte Verkehrswende im Schwerlastbereich.

„Die Branche ist bereit. Jetzt muss die Politik liefern.“

Nina London, Partnerin bei BearingPoint, fasst die Lage klar zusammen: „Die Technik ist reif, die Anwendungsbereiche sind da und die Gesamtbetriebskosten kippen zunehmend zugunsten elektrischer Antriebe. Was fehlt, ist ein verlässliches Umfeld: Ladeinfrastruktur, Netzzugang, Kapazitäten und schnelle Genehmigung.“ Wenn Politik und Behörden nicht nachziehen, drohe das Momentum verloren zu gehen – und mit ihm die Chance auf eine nachhaltige Transformation des Güterverkehrs.

Wie Flottenbetreiber dennoch vorankommen können

Die Studie zeigt konkrete Schritte, um trotz der Engpässe in die Elektrifizierung einzusteigen:

1. Einsatzbereiche identifizieren

Dort beginnen, wo E-Lkw bereits wirtschaftlich sinnvoll sind:Nahverkehr, planbare Touren, hohe Auslastung, Zugang zu Förderungen und Mautbefreiungen.

2. Know-how bündeln

Interdisziplinäre Teams sollten Wirtschaftlichkeit, PV-Erzeugung, Speicher, Energiemanagement und Förderlogik gemeinsam bewerten.

3. Pilotprojekte starten

  • Gemeinsame Ladehubs mit geteilten Kosten
  • Erste KI-Anwendungen testen (Tourenoptimierung, automatisiertes Laden, Echtzeitabrechnung)
  • Regionale Testcluster aufbauen

4. Genehmigungen beschleunigen

Standardisierte Designs und digitale Verfahren nutzen und politischen Druck auf schnellere Prozesse erhöhen.

Fazit: Ein Durchbruch ist möglich – wenn alle Beteiligten jetzt handeln

Die Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs ist kein technisches Problem mehr. Es ist ein Infrastruktur- und Regulierungsthema. Logistiker investieren, OEMs liefern, Energiekonzerne stehen bereit. Doch ohne schnelle Entscheidungen in Genehmigung, Netzplanung und Ladeausbau droht die größte Transformation der Branche an administrativen Bremsklötzen zu scheitern. Die Zukunft des elektrischen Schwerlastverkehrs beginnt jetzt, die Frage ist, wie schnell Politik und Infrastruktur folgen können.

Die wichtigsten Studienergebnisse

Elektrische Lkw sind technisch bereit, aber die Infrastruktur ist es noch nicht. Die BearingPoint-Studie (400 Experten und Expertinnen aus der DACH-Region) zeigt:

1. Technik reif, Vertrauen begrenzt

  • 59 % nennen eingeschränkte operative Reichweite als größte Hürde.
  • Reichweite gilt weniger als technisches Problem, Tourenplanung & Ladepunkte fehlen noch im Zusammenspiel.

2. Infrastruktur bleibt der Engpass

  • In Deutschland existieren nur 248 öffentliche Lkw-Ladepunkte.
  • Europaweit rund 1.100 Ladepunkte, nötig bis 2030 sind aber bis zu 10.000.
  • Netzanschlüsse und Flächen fehlen
  • Genehmigungen dauern Monate bis Jahre.

3. Logistikbranche zieht voran

  • Unternehmen planen zunehmend Depotladen, um planbare Energieversorgung zu sichern.
  • E-Lkw gelten besonders im Nah- und Verteilerverkehr als wirtschaftlich machbar (51 % bzw. 38 %).

4. Kosten als Top-Priorität

  • Für 51 % der Befragten ist Kostenmanagement aktuell das wichtigste Thema, wichtiger als Fachkräftemangel (35 %) oder die Antriebsumstellung (16 %).

5. Politik hinkt hinterher

  • AFIR verlangt Ladepunkte alle 60 km – in Deutschland ist ein Großteil nicht geplant oder nicht genehmigt.
  • Branchenurteil: Das geplante „Lkw-Schnellladenetz Deutschland“ (350 Standorte bis 2030) reicht nicht aus.

6. Flottenbetreiber müssen jetzt handeln

Die Studie empfiehlt:

  • Wirtschaftlich sinnvolle Einsätze identifizieren.
  • interdisziplinäres Know-how aufbauen.
  • Pilotprojekte starten (z. B. gemeinsame Lade-Hubs).
  • Genehmigungen beschleunigen (Standardisierung, digitale Verfahren).