trans aktuell: Herr Grabowski, gerade sind unruhige Zeiten – wie stellt sich der Markt für Ladungsverkehre dar?
Nikolja Grabowski: Aktuell sehen wir, was passiert, wenn Betriebe auf Substanz leben. Viele Unternehmen nutzen gerade ihre letzten Reserven, es steigen die Insolvenzzahlen und Betriebsaufgaben. Oft passiert das ganz leise. Wir hören auch, dass viele Subdienstleister vom Markt verschwinden. Diese Entwicklung ist im Elvis-Kreis nur gedämpft zu spüren, weil unsere Mitglieder meist größer sind und der durchschnittliche Elvis-Partner besser aufgestellt ist als der Marktdurchschnitt.
Was bedeutet die Entwicklung für die Kapazitäten im Markt?
Das ist allerdings auch bei uns ein Thema – die Kapazitäten werden weniger, obwohl Mengen im Markt sind. Noch ist das Problem überschaubar, aber die Decke ist dünn, das wird im Herbst anders. Das führt dann notwendigerweise zu weiteren Abstimmungen mit den Kunden. Diese Beziehung muss wieder enger werden – und es wird Geld kosten. Die Kunden wollen diese Wahrheit nicht gerne hören, aber wir müssen ihnen klarmachen, dass wir damit die Kernrelationen für sie sicherstellen. Wir haben Hoffnung, dass diese Situation dann nicht allzu schnell vergessen wird, damit ein Lerneffekt entsteht. Denn wir brauchen eine gewisse Kontinuität bei Kunden wie beim Personal.
Ist das Thema Kostensteigerungen die Ursache der Probleme?
Die Betriebsaufgaben betreffen vor allem kleinere Unternehmen, weil deren Organisationsstruktur oft fragiler ist. Wir raten unseren Mitgliedern daher, sich stärker auch auf die zweite Ebene zu konzentrieren. Dabei gibt es verschiedene Lösungsansätze, insbesondere durch die Wissensaufnahme – die Digitalisierung bietet zahlreiche Möglichkeiten, das zeigt etwa die Plattform Neocargo, mit der auch Elvis zusammenarbeitet. Die konzentriert sich verstärkt auf das Thema Auslastung des Fuhrparks. Dadurch lässt sich die eigene Disposition unterstützen und mehr Volumen generieren. Ein anderes Beispiel ist Transporeon, die eine eigene Ladebörse entwickelt haben – so etwas bringt Bewegung in den Markt.
Macht sich im Markt auch der Kauf von Schenker durch DSV bemerkbar?
Die Stückgut-Spediteure nehmen die Unruhe im Markt deutlich mehr wahr, der Teilladungsmarkt ist davon aber eher entkoppelt. Aber unabhängig davon sehen auch wir, dass gerade der Stückgutbereich sehr unter Druck ist. Die Netzwerkabdeckung ist hier das entscheidende Schlagwort, und die wird immer schwieriger für die Akteure. Die größte Herausforderung ist, wenn einzelne Relationen nicht komplett ausgelastet sind. Dann bekommen auch wir einen Teil der Mehrmengen ab. Das wird dann zur Herausforderung auch für unser System, denn wir haben ja auch begrenzte Kapazitäten. Wir arbeiten aber mit unseren Partnern zusammen, um diese Volatilitäten zu glätten. Und wir versuchen, verstärkt auf Digitalisierung zu setzen, Prozesse strikter zu fassen, und auch von Partner einzufordern, dass die Qualitätsanforderungen gewahrt werden. Das ist ein ständiges Einpendeln. Noch dazu werden die Losgrößen der Transporte auch kleiner, aber das kann unser System gut wegstecken, auch wenn das nicht unser Kernmarkt ist – das ist so etwas wie ein Trickle-down-Effekt der aktuellen Marktlage. Aber im Gesamten ist unser Hub jede Nacht voll und wir freuen uns, dass unsere Partner gut zu tun haben.
Elvis hat zur transport logistic ein neues Angebot für den Containertransport auf den Markt gebracht. Wie kam es dazu?
Der Elvis South East Asia Link, oder auch SEAL. Das war ein logischer Schritt, denn unser Partner APX Logistics Solutions hat ein Elvis-ähnliches Transportnetzwerk in Asien aufgebaut. Über SEAL können unsere Partner per Seefracht einfach und aus einer Hand LCL- und FCL-Sendungen nach Thailand, Malaysia, Singapur und Vietnam befördern lassen, und das ab unserem Hub in Knüllwald. APX übernimmt dabei die Verzollung und die Zustellung bis zur Haustür. Und sorgt gegebenenfalls auch für den Anschluss in die Nachbarländer.
Wie kommt das Angebot an?
Das Interesse ist sehr groß, da das Wachstumspotenzial sofort gesehen wird. Da wir aber ganz frisch gestartet sind und die Vorlaufzeiten in diesem Thema länger sind als in der Lkw-Logistik, sind jetzt gerade erst die ersten Container auf den Weltmeeren in unserem Auftrag unterwegs. Wir arbeiten aber daran, das Portfolio unserer Mitglieder breiter aufzustellen, um es ihnen zu ermöglichen, die Volatilitäten im Markt zu glätten. Im Rahmen dieses Ziels gehen wir auch mal mit zum Kunden und eruieren, welche neuen Wege und neuen Märkte wir erschließen können. So sind auch unsere anderen Angebote entstanden – etwa das Mitnahmestapler-Netzwerk, oder Elvis Cross Load-Network, also die Begegnungsverkehre, oder auch Paneco, das länderübergreifende Netzwerk, das Elvis mit drei weiteren europäischen Partnern gegründet hat und das inzwischen 30 Partner europaweit hat. Das alles trägt dazu bei, dass die mittelständischen Spediteure auf Märkte zugreifen können, die für sie alleine schwer zu erschließen wären.
Wie weit ist denn das Crossload-Netzwerk gediehen, das Sie 2024 angekündigt haben?
Dazu haben wir ein erfolgreiches Pilotprojekt durchgeführt und bewiesen, dass Einsparungen durch die Begegnungsverkehre möglich sind. Aber momentan ist das leider kein Selbstläufer, denn es braucht eine gewisse Auslastung in den Relationen, die aber aktuell in der jetzigen Marktlage nicht immer gegeben sind. Wir warten also auf eine bessere Marksituation, um das komplett auszurollen. Unser Kooperationspartner Mansio geht jetzt zudem mehr auf die Verladerseite zu, um diese Unternehmen zu bewegen, die Konzepte auch mitzutragen. Denn auch der Kunden muss ein Stück weit dazu beitragen, die Prozesse zu verbessern.
Welche weiteren Themen sind denn in Arbeit?
Wir sind bereits in Gesprächen mit Spediteuren und Verladern, ähnliches wie SEAL auch in anderen Regionen aufzubauen. Zudem ist bei Elvis auch das Thema Personal weiter im Fokus, wir haben einen großen Workshop zur Fachkräfteakquise aus Drittländern gemacht – denn in Deutschland und seinen Anrainerstaaten sind keine Berufskraftfahrer mehr zu finden, wir müssen die Fühler also immer weiter ausstrecken. Das ist allerdings ein sehr komplexes Thema für die Unternehmen, nicht zuletzt in der Abwicklung mit den Behörden und weil es eines sehr strukturierten Vorgehens bedarf. Elvis ist dabei, gebündelte Lösungen zu erarbeiten, die den Unternehmen helfen, bei der Fachkräftesuche sozusagen besser die Spreu vom Weizen zu trennen.
Kommt dabei auch in Frage, dass Elvis als Systemzentrale für mehrere Unternehmen selbst Fachkräfte sucht?
Die Vereinfachungen durch Politik sind natürlich erst einmal darauf ausgerichtet, dass einzelne Unternehmen das durchführen. Elvis als Ausbildungszentrale für ausländische Fachkräfte wäre möglich, aber dafür müssten wir erst einmal den politischen Weg beschreiten.
Wie sieht es im Elvis-Netzwerk mit dem Thema Flottenerneuerung aus?
Die Flottenerneuerung ist vor dem Hintergrund sonstiger Herausforderungen etwas in den Hintergrund getreten, sie hat aber nicht an Bedeutung verloren. Sehr viele unserer Mitglieder haben bereits erste Erfahrungen und bei den Fahrzeugherstellern einen E-Lkw zum Testen bestellt: Einige haben auch schon eine Ladesäule und einen E-Lkw im Kundeneinsatz, manche auch im freien Einsatz. Ich warne aber gerade die Politik vor einer Wahrnehmungsverzerrung: In unserem Arbeitskreis alternative Antriebe bleiben viele Unternehmer immer noch abwartend. Denn für die ist die E-Mobilität aufgrund der Investitionen weiter ein Risikothema. Zumal auch Fahrzeuge noch Kinderkrankheiten aufweisen. Viele Unternehmen haben auch weder die Voraussetzungen noch das richtige Know-how, um die Flottenumstellung umzusetzen.
Was raten Sie?
Wichtig ist aber dennoch, das Ohr am Markt zu haben. Wir empfehlen den Unternehmen im Einzelfall, sich Testfahrzeuge zu besorgen, um schon erste Erfahrungen zu sammeln. Die Hürde liegt ja auch immer weniger beim Fahrzeug allein, als in den Organisationsvoraussetzungen wie Ladeinfrastruktur und Energieversorgung sowie Ladezeiten und Reichweite. Die wichtigste Voraussetzung ist aber, entsprechende Laufleistungen mit dem E-Lkw zu erreichen, um die Mautbefreiung auszunutzen. Diese Faktoren bestimmen letztlich über die Schwelle der Skalierbarkeit, und die Gesamtbetriebskosten für die Unternehmen.