Digitaler Zwilling statt Datenchaos

Prozesse mit KI intelligenter steuern
Digitale Zwillinge optimieren Transporte

Die Idee klingt nach Zukunftsmusik, ist aber längst in der Umsetzung: Transportunternehmen, die ihre Prozesse mit digitalen Zwillingen und KI-Agentensystemen optimieren, können laut Iteratec spürbare Effizienzgewinne erzielen. „Eine Auslastung von 85 bis 90 Prozent ist realistisch“, sagt Ulrich Buhrmann, Director Market Transport & Logistics beim IT-Dienstleister Iteratec, im Gespräch mit trans aktuell.

Cargo load planning using digital twin system, 3D display
Foto: Adobe Stock - Warakorn

Doch was ist ein digitaler Zwilling in der Logistik? Buhrmann erklärt: „Wir bilden reale Logistikprozesse digital nach – von der Rampe über den Lkw bis zu den beteiligten Mitarbeitern.“ Ziel sei es, jederzeit in Echtzeit zu wissen, welche Ressource welchen Status hat. Besonders spannend sei dabei das Konzept des Dynamic Transport Management, das Iteratec gemeinsam mit der Open Logistics Foundation verfolgt.

Schaltzentrale trifft Prognosen

Im Rahmen dieses Projekts entsteht eine Art Schaltzentrale, die auf Basis des digitalen Zwillings Prognosen trifft und Prozesse dynamisch steuert. So können Rampen effizienter geplant, Abläufe aufeinander abgestimmt und Leerzeiten reduziert werden. Das Interesse daran ist groß. In der entsprechenden Working Group engagieren sich namhafte Unternehmen wie Dachser, LKW Walter, Rhenus oder Zufall.

Digitale Kundenlösungen

Für Hapag-Lloyd hat Iteratec eine Reihe digitaler Kundenlösungen geschaffen, die Effizienzgewinne ermöglichen. Hierbei handelt es sich um durchgängig digitale Services – darunter Track & Trace in Echtzeit, digitale Frachtbriefe, Versicherungen per Klick und ein zentrales Qualitäts-Dashboard. Für den Straßen-Güterverkehr besonders interessant ist der „Hapag-Lloyd Navigator“.

Zentrale Plattform für Speditionen

Damit erhalten Spediteure eine zentrale Plattform für Buchungen, Quotierungen, Rechnungen und Dokumente – digital und transparent. Zugleich ist die Plattform auch moil nutzbar. Diese Anwendungen steigern nicht nur die Effizienz, sondern sorgen auch für bessere Planbarkeit und Transparenz entlang der gesamten Transportkette – inklusive Vor- und Nachlauf auf der Straße. Für Speditionen, die mit Reedereien im Tür-zu-Tür-Geschäft arbeiten, entsteht hier ein Mehrwert.

Ulrich Buhrmann, Director Market Transport & Logistics, Iteratec
Iteratec

„Wir bilden reale Logistikprozesse digital nach“ Ulrich Buhrmann, Director Market Transport & Logistics, Iteratec

KI-Agenten ersetzen keine Menschen – sie helfen

Ein weiteres Feld, in dem Iteratec forscht und entwickelt, ist der Einsatz von generativer KI in Form sogenannter Agentensysteme. „Das sind spezialisierte Software-Agenten, die typische Bürotätigkeiten in der Logistik übernehmen können, zum Beispiel Buchungen oder einfache Dispositionen“, erläutert Buhrmann. In Workshops habe man mit Kunden wie Schenker bereits erste Szenarien erprobt. Dabei gehe es nicht um Arbeitsplatzabbau, sondern um Effizienzgewinn – insbesondere angesichts des Fachkräftemangels. In der Praxis funktionieren diese Agenten ähnlich wie Sprachassistenten. Sie nehmen Anfragen entgegen, beschaffen selbstständig benötigte Informationen und kommunizieren mit Backend-Systemen.

Standardisierung als Schlüssel zur Vernetzung

Gerade in der fragmentierten Transportbranche ist Interoperabilität ein zentrales Thema. Interoperabilität bescheibt die Fähigkeit verschiedener Systeme, Organisationen oder Technologien, nahtlos zusammenzuarbeiten – auch wenn sie unterschiedlich aufgebaut oder von verschiedenen Anbietern stammen. Viele Logistikunternehmen arbeiten mit heterogenen Flotten, Partnern und Subunternehmern. Telematikdaten, Transportmanagementsysteme und CO₂-Bilanzen liegen oft in unterschiedlichen Systemen vor.

Iteratec setzt auf Standardisierung

„Technisch können wir alles integrieren, aber das ist nicht immer wirtschaftlich sinnvoll“, sagt Buhrmann. Deshalb setzt Iteratec auf Standardisierung, insbesondere auf das von der Open Logistics Foundation empfohlene Datenmodell iLEAP. Dieses basiert auf einem ISO-Standard und legt einheitliche Schnittstellen für Emissionsdaten in der Logistik fest. Entwickelt wurde es unter anderem vom Fraunhofer-Institut und dem Smart Trade Center in Italien.

E-Frachtbrief kommt – doch nicht jeder ist vorbereitet

Ein konkretes Beispiel für die Notwendigkeit von Standardisierung ist der elektronische Frachtbrief. Bis 2026 wird seine Nutzung verpflichtend. Viele Speditionen beschäftigen sich laut Buhrmann aber noch zu wenig mit dem Thema. Dabei existiert mit der Open-Source-Lösung der Open Logistics Foundation ein frei verfügbares System, das gemeinsam mit Rhenus entwickelt wurde und nun in ersten Pilotprojekten erprobt wird. „Die Herausforderung liegt weniger in der Technik als in der Akzeptanz bei den Fahrern“, berichtet Buhrmann. Die Oberfläche müsse intuitiv sein, Mehrsprachigkeit sei ein Muss. Iteratec empfiehlt, sich frühzeitig mit dem System vertraut zu machen – sei es durch eigene Tests oder eine Mitgliedschaft in der Foundation.

IT-Modernisierung als Fundament für Innovation

Als größten Brocken auf dem Weg zur digitalen Spedition sieht Buhrmann jedoch etwas anderes: „Viele Logistikunternehmen arbeiten mit historisch gewachsenen Eigenentwicklungen, die technologisch überholt sind.“ Diese Systeme zu modernisieren, sei eine Grundvoraussetzung, um Innovationen wie KI oder digitale Zwillinge überhaupt einsetzen zu können. Iteratec unterstützt seine Kunden daher nicht nur bei der Entwicklung neuer Lösungen, sondern auch bei der Migration und Weiterentwicklung bestehender IT-Infrastrukturen. Gerade bei Transportmanagementsystemen (TMS) sei dies ein zentraler Hebel für mehr Agilität und Zukunftsfähigkeit.

Praktische Anwendung fällt schwer

Im internationalen Vergleich sieht Buhrmann Deutschland gut aufgestellt – zumindest in der Theorie. „Wir haben hierzulande eine sehr gute Grundlagenforschung, auch zur KI. Aber in der praktischen Anwendung tun wir uns oft schwer.“ Dabei stehen regulatorisch kaum Hürden im Weg. Die europäische Gesetzgebung ist zwar in Arbeit, behindert aber operative KI-Einsätze in der Logistik nicht. Entscheidend sei, wie Unternehmen mit ihren Daten umgehen und ob sie Plattformen schaffen, auf denen Mitarbeiter eigene Ideen mit KI umsetzen können.

Schrittweise Weiterentwicklung erwartet

Für die nächsten zwei bis drei Jahre erwartet Buhrmann keine Revolution, aber eine schrittweise Weiterentwicklung. „Die Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung ist enorm. Entscheidend wird sein, ob Unternehmen mit diesem Tempo Schritt halten können.“ Derzeit im Fokus: KI-Agenten, die nicht nur mit Menschen sprechen, sondern direkt mit den IT-Systemen verknüpft sind. Buhrmann spricht von einem „heißen Trend“, der schon bald den Alltag in Speditionen prägen könnte.

Das Unternehmen Iteratec

  • Gründung: 1996
  • Aktivitäten: Generative Artificial Intelligence (GenAI) – also generative Künstliche Intelligenz, IT-Beratung, Cloud-Transformation, Cybersecurity, Data Analytics, Customer Experience, Betrieb und Wartung von Anwendungen sowie agile Organisationsentwicklung.
  • Geschäftsführung:Klaus Eberhardt, Jörg-Stefan Rauch, Michael Schulz, Alexander Youssef
  • Unternehmenssitz: München, weitere Standorte: Stuttgart, Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg, Wien sowie Wroclaw (Polen)